Bayer-KonzernWerkszeitung steht nach über 100 Jahren vor dem Aus

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Das war der Beginn: „Die Erholung“ erschien ab Januar 1910.

Das war der Beginn: „Die Erholung“ erschien ab Januar 1910.

Leverkusen – Eine Institution steht vor dem Aus. Bayer ist auf dem Weg, seine gedruckte Werkszeitung einzustellen. „Bayer direkt“ steht auf der Streichliste. Der Konzern setzt längst auf das Inter-, beziehungsweise das Intranet: Im „BayerNet“ finden Mitarbeiter Infos aus dem Konzern; in Kürze soll außerdem eine Applikation für Smartphones erscheinen, sagte Markus Siebenmorgen, Sprecher bei Bayer, auf Anfrage.

Die beiden neuen Informationskanäle „werfen für uns die Frage auf, welche Rolle die «direkt» in der internen Medienlandschaft des Bayer-Konzerns künftig noch spielt“. Das werde derzeit in einem Projekt untersucht; die Entscheidung „über die Zukunft der «direkt»“ werde in Kürze fallen, so der Sprecher.

Auflage 65.000 Exemplare

Das klingt nicht gut für das Blatt, das zuletzt in einer Auflage von 65 000 Exemplaren fünfmal im Jahr erschien. Noch vor ein paar Jahren war Bayers Mitarbeiterjournal grundlegend renoviert worden: Bayer machte aus der Zeitung ein Magazin mit großen Fotos und ausführlichen Geschichten aus der farbenfrohen Welt des Unternehmens.

Selbstverständlich feierte die „direkt“ auch die epochale Übernahme des Saatgut-Multis Monsanto überschwänglich. Gerade dieser Deal war seit seiner Ankündigung im September 2016 immer wieder Thema in dem Werksblatt. Der Fortschritt der Übernahme wurde der Bayer-Belegschaft im Detail beschrieben.

Von der Krise überholt

Doch es waren die Begleitumstände und Folgen des Deals, die das Erscheinen der bislang letzten „direkt“ verhinderten. Die schwere Krise im Konzern hätten die Themenplanung über den Haufen geworfen, heißt es. Das Blatt wäre bei Erscheinen hoffnungslos überholt gewesen.

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In der November-Krise, die Vorstand und Aufsichtsrat dazu brachte, große Bayer-Bereiche auf die Verkaufsliste zu setzen und darüber hinaus jeden zehnten Job auf die Streichliste zu setzen, ging es um schnellstmögliche Information einer zutiefst beunruhigten Belegschaft. So etwas funktioniert nicht mit einem Periodikum, das alle zehn Wochen erscheint. Gut möglich also, dass die „direkt“ von der Entwicklung überholt wird.

In der ersten Ausgabe schrieb Carl Duisberg

Die Zeitung hat eine sehr lange Geschichte. Sie reicht zurück in den Januar 1910: Da erschien die erste Ausgabe einer Bayer-Werkszeitung. Der Titel atmet das Denken der Zeit: „Die Erholung“, passend zum Erholungshaus, dem Kulturtempel. Der war eineinhalb Jahre zuvor am Rande der Kolonie in Wiesdorf eröffnet worden, und eine der ältesten deutschen Werkszeitungen sollte ausdrücklich eine Ergänzung zum Kulturhaus sein.

„Es musste etwas gefunden werden, das die einzelnen Mitglieder einander näher bringt und die gemeinsamen Interessen pflegt“, schrieb Carl Duisberg in der ersten Ausgabe. Schließlich war die Bayer-Belegschaft aus allen Teilen des Landes an den Rhein zugewandert. Die Zeitung sollte ihr Heimatgefühl geben – und sie über die Veränderungen in den schnell wachsenden Farbenfabriken unterrichten.

Dreimal ein neuer Name

In der I.G.-Farben-Zeit wurde aus dem Mitarbeiterblatt „Von Werk zu Werk“, nach Bayers erneuter Gründung 1950 hieß die Zeitung „Unser Werk“. 1996 gab es ein neues Konzept und einen neuen Titel: „Bayer direkt“. Es wird der letzte sein.

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