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Bayer-KulturDas „stARTfestival“ rückt junge Künstler in den Mittelpunkt

Lesezeit 4 Minuten
Zeitgenössische Musik und Elektronik: Trompeterin Rike Huy ist eine der „stART“-Künstlerinnen und sprengt Genre-Grenzen.

Zeitgenössische Musik und Elektronik: Trompeterin Rike Huy ist eine der „stART“-Künstlerinnen und sprengt Genre-Grenzen.

Leverkusen  – Es ist zweifelsohne eine Zäsur in der Geschichte der Bayer-Kultur, dieses „stARTfestival“, das 2021 – wenn sich denn alles halbwegs gut entwickelt – ansteht. Denn: Das klassische Spielzeitprogramm hat ausgedient. An seine Stelle tritt erstens ein zeitlich auf die Monate April und Mai begrenzter Reigen von Veranstaltungen, der zweitens vor allem jungen Künstlerinnen und Künstlern ein Forum bietet. Der zudem drittens das klassisch-strenge Spartendenken aus Theater, Tanz und Musik auflöst zugunsten eines Genre-Crossovers. Und der viertens zwar zum Hauptteil in Leverkusen stattfinden, aber auch die anderen Standorte des Bayer-Konzerns mit einbeziehen wird: Wuppertal, Berlin und Bitterfeld.

„Casino Royale“-Abend

Eröffnet wird das Festival am 17. April mit einem „Casino Royale“-Abend im Erholungshaus als Heimspielstätte der Bayer-Kultur zwar noch eher traditionell. Doch bis zum 31. Mai folgen außergewöhnliche Veranstaltungen wie etwa das Konzert von Jakob Manz mit Wildes Holz. Manz ist einer der von der Bayer-Kultur geförderten jungen Musiker - seines Zeichens Jazzer. Wildes Holz ist ein Trio, das auf Blockflöten die erstaunlichsten Dinge vollbringt. Und zusammen werden diese Künstler speziell für Jugendliche auftreten. Und sogar mit ihnen gemeinsam musizieren, denn: Bayer schickt Manz zuvor in Leverkusener Schulen und lässt ihn dort mit den Schülerinnen und Schülern – eigens dafür mit Flöten ausgerüstet – arbeiten. Mit Grifftabellen anstelle von Noten und fernab der klassischen Musikliteratur.

Damit, so sagt es Bayer-Kulturchef Thomas Helfrich, wolle er auch Jugendliche ansprechen, die ansonsten von sich aus wohl eher kein Instrument in die Hand nehmen würden. Es ist Musikvermittlung an der Basis mit neuen Konzepten und Künstlern, die nicht entrückt auf einem Podium stehen, sondern selber das beste Beispiel abgeben, wie man als junger Mensch für Musik brennen kann.

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„Kunst der Fuge“ visualisiert

Weitere Auszüge aus dem Programm sind: Der Auftritt des Delian Quartetts am 26. April, bei dem die jungen Musiker Bachs „Kunst der Fuge“ aufführen und diese von Video-Künstler Marc Molinos per Algorithmus visualisieren lassen. Der „Battle Of Styles“ als ein Aufeinandertreffen von Tänzern verschiedener Tanz-Sparten: Zeitgenössisch, klassisch, Hip Hop treffen aufeinander. Spontan und improvisiert. Choreografien entstehen im Moment für den Moment – und spiegeln künstlerische Radikalität.

Das Gastspiel der Ausnahme-Trompeterin Rike Huy, die am 12. Mai moderne Trompetenkompositionen mit elektronischer Musik mischt. Das Konzert des Percussionisten Alexej Gerassimez und des Pianisten Omer Klein – beides Protagonisten einer neuen Generation klassischer Musiker. Sie überführen Strawinskys „Firebird“ aus dem üppig Orchestralen ins spartanisch instrumentierte Umfeld (16. Mai).

Orchester und Poetry-Slammer

Das Projekt des Orchestra in Residence L’arte del Mondo, das Anton Zimmermanns „Andromeda und Perses“ aufführt – im Verbund mit dem Poetry-Slammer Sulaiman Masomi (19. Mai). Und nicht zuletzt kommt der Sohn der Stadt Philippe Kratz mit seinem italienischen Aterballetto zur Stippvisite: Am 28. Mai präsentiert er eigene Choreografien sowie Choreografien andere junger Tanzkünstler.

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Wer Sinfoniekonzerte erleben will, der kann dies 2021 in der historischen Stadthalle Wuppertal tun, in der das Collegium Vocale Gent mit dem Orchestre des Champs-Élysées und Philippe Herreweghe gastiert (16. April) und das Orchestre National de Lyon mit den jungen Star-Pianisten Lucas und Arthur Jussen auftritt (3. Mai). In Berlin gibt es im Weddinger „Prime Theater“ unter anderem Jazz mit dem erwähnten Jakob Manz, in Bitterfeld treten die Bayer Philharmoniker mit dem „stART“-Künstler Alexander Krichel (Piano) auf – angeleitet von der neuen Dirigentin Bar Avni (24. April). Ihren Leverkusener Einstand wiederum feiert diese am 23. Mai im Erholungshaus.

Neue Sichtweisen auf Kunst

Helfrich bezeichnet dieses extrem geänderte Konzept, den bewusst herbeigeführten Bruch mit Traditionen, als Gelegenheit, sich mit neuen Sichtweisen auf Kunst und Kultur auseinanderzusetzen. Zudem kämen derlei Programmformaten ob der Corona-Pandemie in Zukunft eine große Bedeutung zu, gleichwohl er und sein Team sich lange vor der Virus-Krise zu diesem Schritt entschieden hätten.

Ambitioniert und mutig

Fakt ist: Das Vorgehen der Bayer-Kultur ist nicht nur ambitioniert. Es ist auch mutig in einer Stadt, in der über Jahrzehnte ein Kulturpublikum heranwuchs, das sich an Sinfoniekonzert-Ringe, Sparten-Abonnements und Gastspiele etablierter und sattsam bekannter Künstlerinnen und Künstler, Orchester und Ensembles gewöhnt hatte. Der Blick auf Neues wurde dadurch tatsächlich häufig verstellt. Jetzt wollen Helfrich und Co. ihn wieder schärfen und Leverkusen neben etablierten Festivals wie den Jazztagen eine weitere, abseits der kommunalen Ebene blühende Kulturfacette bescheren.

Ihm gehe es darum, Menschen ins Boot zu holen, die neugierig auf Neues seien. Die gerne eher unbeachtete Felder der Kunst erkundeten. „Und das geschieht unabhängig vom Alter“, schiebt er möglicher Kritik von Traditionalistenseite gleich einen Riegel vor.

Das Programm zum „stARTfestival“ ist im Internet einsehbar und liegt – aufgemacht als Kartenbox – öffentlich aus. Tickets sind (über „Kölnticket“) erhältlich.www.kultur.bayer.de

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