Corona-Demos in LeverkusenImpfgegner und deren Gegner treffen sich auf der Straße

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Vor dem Rathaus in Wiesdorf trennte die Polizei am Samstagnachmittag von Rechtsextremisten angeführte Impfgegner und Gegendemonstranten von einander. 

Leverkusen –  „Warum läufst du Nazis nach?“, steht auf dem Demo-Schild von Ulrich Tesch, der damit die Gedanken der zahlreichen Gegendemonstrationen gegen den vierten Aufzug mit Kundgebung des rechten Vereins „Leverkusen für die Freiheit“ am Samstag gut zusammenfasst.

Was Olga Stodola, die als Schriftführerin im Vorstand der vom Verfassungsschutz als „rechtsextremistische Splittergruppe“ bezeichneten Vereinigung „Aufbruch Leverkusen“ sitzt, da angemeldet hat, um gegen Impfung und Impfpflicht zu demonstrieren, stößt auf Gegenwind: Vertreter von FDP, SPD, Linke, Grünen, Falken und Die Partei, weite Teile des Integrationsrats der Stadt Leverkusen, die Evangelische Gemeinde Opladen sowie eine Gruppe lautstark Antifaschistinnen und Antifaschisten zeigten in verschiedenen Aktionen Präsenz gegen Rechts. 

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Eine Gruppe von Impfgegnern unter Anführung des Rechtsextremisten Markus Beisicht (Mitte, am Mikrofon) zog am Samstagnachmittag von Opladen nach Wiesdorf und löste Gegendemonstrationen aus.

Das Polizeiaufgebot war extrem hoch, wohl auch deshalb ist alles friedlich ohne Ausschreitungen geblieben. Die Polizei zählte insgesamt Teilnehmende im unteren dreistelligen Bereich und sei mit der problemlosen Zusammenarbeit mit allen zufrieden. Nur für diejenigen, die zwischen 14 und 16 Uhr mit dem Auto in Leverkusen unterwegs waren, gab es wohl Komplikationen im Tagesablauf, es kam zu erheblichen Staus durch den Protestmarsch über den Europaring.

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Die wenigsten trugen Masken

Während zu Beginn der Versammlung in Opladen noch die wenigsten Impfgegner eine Maske tragen, hält sich nach Auftreten des Ordnungsamtes die Mehrheit an die geltende Verordnung, die der rechtsextreme Versammlungsleiter Markus Beisicht als „G2-Regel“ vorstellt. „Trotz Maske freue ich mich auf den Spaziergang mit solchen Menschen wie ihr“, sagt der „Aufbruch Leverkusen“-Ratsherr. Seine Mitläuferinnen und Mitläufer, die Schilder wie „Es begann als Virus und endet als IQ-Test“ und „Und wenn sie nicht gestorben sind, dann boostern sie noch heute“ tragen, jubeln.

Unter ihnen ist auch der niedersächsische Neonazi und Rechtsextremist Jens Wilke, bei dessen flammender Rede das gemischte Publikum aus Jung, Alt und auch Familien aus dem Jubeln gar nicht mehr herauskommt. Konfrontiert damit, wem die Menschen da zujubeln und mit wem sie da marschieren, möchte keiner von ihnen mit dem „Leverkusener Anzeiger“ sprechen. So wie sie es von Wilke gelernt haben: Die lokale „linksextreme Lügenpresse“ sei Sprachrohr, das Hetze gegen Demoteilnehmer betreibe.

Auffällig ist, wie oft Kinder auf der Seite der Impfgegner für ihre Ziele instrumentalisiert werden. So erzählt Wilke zum Beispiel eine Geschichte von seinem Sohn, der traurig sei, dass sein zwölfter Geburtstag vor der Tür stehe, da er dann angeblich seine Grundrechte verliere. Ein anderes Kind stellt am Mikrofon ein, nach Angaben von Beisicht, selbst geschriebenes Gedicht gegen die Maßnahmen zur Eindämmung des Virus vor. Das mit kindlicher Stimme gesungene Lied „Die Gedanken sind frei“ läuft auf der Demo.

Einige Familien haben ihre Kinder sogar mit auf die Demo gebracht, die verunsichert gucken als die Gegenseite ruft: „Ihr seid nicht der Widerstand, lauft mit Nazis Hand in Hand“.

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Unter Polizeischutz zogen die Rechtsextremisten und ihre Mitläufer über den Europaring zum Rathaus nach Wiesdorf.

Der Vorsitzender der Jungen Liberalen Leverkusen, Carlo Hörmandinger, hat mit knapp zehn FDP-Parteifreunden Zitate aus den verschiedenen Etappen Beisichts rechtsextremer Karriere mitgebracht. „Den Meisten ist nicht bewusst, mit wem sie sich da zusammen tun“, vermutet er, „Aber das ist ein No-Go in unserer Demokratie.“ Protest solle bitte passieren, aber nicht mit Beisicht. Besonders ärgere es die Corona-Leugner-Gegner, dass diese den Europaring blockieren dürfen, denn aus eigener Erfahrung wüssten sie, mit welchen Hürden dies verbunden sei.

Pfarrerin möchte Zeichen gegen rechts Gedankengut setzen

Pfarrerin Karolin Eckstein hält mit ihrer Gemeinde eine Mahnwache, dabei geht es ihr nicht um die Corona-Politik – die könne jeder finden, wie er will: „Ich sehe das Ganze als Sprungbrett-Thema, darüber gewinnen die Rechten beängstigend schnell Mitläufer.“ Mit bunten Flaggen und Transparenten möchte sie daher ganz grundsätzlich vor der Aloysius-Kapelle mit rund zehn Teilnehmenden ein Zeichen gegen rechtes Gedankengut setzen.

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Auch kleinere Gruppen von Gegendemonstranten gingen am Samstag auf die Straße.

Auch Nyke Slawik, seit wenigen Monaten für die Grünen im Bundestag, appelliert: „Obacht, mit wem ihr lauft!“ Es sei bekannt, dass Rechte solche Proteste unterwandern, da müsse man vorsichtig sein: „Ich kann Frust über Politik oft verstehen, das ist aber kein Grund, mit solchen Leuten zu demonstrieren – ganz im Gegenteil sogar.“ Die Pandemie verlange uns viele Opfer ab. „Priorität muss bleiben, dass so viele Menschen wie möglich dieses Virus überleben“, sagt die junge Frau.

Autofahrer hupen, Die Partei trinkt

„Da hat wieder einer gehupt“, ruft Thomas Moj von Die Partei und seine Genossen heben die Bier-Plastikbecher, schließlich herrscht Glasflaschen-Verbot in der Fußgängerzone. Ihr Motto „Saufen statt Laufen“ sei zu Beginn der Pandemie gegen das Bollerwagenverbot am Vatertag entstanden. „Damals noch, weil wir die Maßnahmen als überspitzt empfanden, heute nutzen wir das Motto nochmal, weil wir im Kontrast dazu die Auflagen jetzt als zu lasch erachten“, so Moj.

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Mehr Solidarität durch Impfen forderten diese Demonstrierenden an der Aloysiuskapelle in Opladen ein. 

Dies solle auch zeigen, dass sie bei weitem nicht allem Folge leisteten, aber auf jeden Fall den „vernünftigen Auflagen“. Bei jedem Hupen der passierenden Autofahrenden oder der Passanten mit mitgebrachten Handhupen, heißt es von den etwa 20 Anhängern der Satirepartei dann „Trinken gegen Rechts, Leerdenker und Faschisten“ und sie heben ihre Becher „für die Freiheit.“ Zur Impfgegner-Kundgebung haben sie Klappstühle mitgebracht, ein Schild provoziert: „Lieber klug sitzen, als dumm gelaufen.“ Am Ende öffnen sie noch ein Terrarium und lassen symbolisch „Impfmücken“ frei.

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Provozieren will auch Sam Kofi Nyantakyi, der mit dem Integrationsrat für das Impfen wirbt. Schmunzelnd winkt er Beisicht mit seinem Regenschirm zu, als dieser die Gegenseite als ungebildet und unwissend deklariert. Doch als der Rechtsextremist mit den Impfgegnern anfängt, das „Vater unser“ zu beten, gibt auch er auf. „Nur die Herdenimmunität führt zurück zum normalen Leben“, ist für ihn klar, „Deshalb übernehmen wir Verantwortung und sagen wir nein, wenn solche Leute hier marschieren.“ Durch das Megafon ruft er immer wieder rüber: „Lasst euch impfen Leute!“

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