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Corona im Klinikum Leverkusen„Seine Frau war schwanger, bei uns ist er gestorben“

Lesezeit 4 Minuten
Intensivstation Klara Poetsch Leverkusen 2

Klara Poetsch arbeitet seit 42 Jahren als Krankenpflegerin im Klinikum Leverkusen.

  • Dieser Text aus Leverkusen gehört zu den meistgelesenen im Jahr 2021. Er ist am 9. Dezember erschienen.

Leverkusen – 35 Menschen werden in Leverkusen in Krankenhäusern wegen einer Covid-19-Erkrankung stationär behandelt. Zwölf davon liegen auf der Intensivstation, einige von ihnen werden beatmet und liegen im künstlichen Koma. Klara Poetsch ist einer der Menschen, die sich seit dem Frühjahr 2020 um Patientinnen und Patienten mit schweren Corona-Verläufen kümmern. Die 60-Jährige ist Krankenpflegerin im Klinikum Leverkusen. Im „Leverkusener Anzeiger“ erzählt sie von schlimmen Fällen und Corona-Leugnern.

„Als Pflegerin auf der Intensivstation kümmere ich mich am Tag um zwei, regelmäßig auch um drei Covid-Patienten. Das ist häufig kaum noch machbar, insgesamt gibt es in der Branche einfach zu wenig Personal. Ich arbeite in Teilzeit, habe also das Glück, nicht jeden Tag hier sein und mich den ganzen psychischen und physischen Strapazen aussetzen zu müssen. Viele Kolleginnen und Kollegen sind einem Dauerstress ausgesetzt, der krank macht.

Niemand kann sagen, wann es vorbei ist

Wir haben seit dem Frühjahr 2020 eine Situation mit Corona als Dauerbrenner, von der niemand hier sagen kann, wann sie vorbei ist. Diese Ungewissheit ist eine zusätzliche Belastung. Wenn wir wüssten, noch ein halbes Jahr, dann haben wir es geschafft, dann wäre es leichter für uns. Wir sind sehr angespannt.

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Ich habe meinen Job immer gerne gemacht und mache ihn auch jetzt noch gerne. Ich bin seit 42 Jahren hier im Haus – und ich habe den Atem, auch weiter durchzuhalten. An harten Tagen versuche ich mich durchzubeißen und das Beste draus zu machen. Und irgendwie kriegen wir es hin. Aber es gibt Kollegen, die darüber nachdenken, in eine andere Abteilung zu wechseln.

Ich fühle oft mit den Patienten

Es gibt viele Patienten, die uns in den Köpfen bleiben. Es ist nicht immer leicht, sich abzugrenzen. Wer in diesem Beruf arbeitet, bringt viel Empathie mit, auch ich fühle oft mit den Menschen. Sie kommen in guter Verfassung bei uns an, werden dann mit Sauerstoff versorgt, werden intubiert, ihre Situation verschlechtert sich. Dann kommt es dazu, dass ein Mensch, der sehr lange bei uns ist, im Sterben liegt. Ihn gehen zu lassen, wollen wir nicht, und können es trotzdem nicht abwenden.

Wir hatten einen Patienten, seine Frau war schwanger, er hatte vier Kinder zuhause – und er ist bei uns gestorben. Das sind ganz schlimme Fälle, die mich sehr mitnehmen. Leider sind es keine Einzelfälle.

Impfungen verhindern das schlimmste Ausmaß. Auch ich möchte an alle appellieren, lasst euch impfen! Das geht auch an die, die es nicht hören möchten. Ich bin ja auch keine Impffreundin, muss ich ehrlich sagen, ich habe mich noch nie gegen Grippe oder Ähnliches impfen lassen. Aber auch ich weiß: Impfungen verhindern die schlimmsten Verläufe in den allermeisten Fällen.

Auch ich hatte Corona

Auch ich hatte Corona, musste zwar nicht zur Behandlung ins Krankenhaus, aber mir ging es schlecht und ich hatte hohes Fieber. Kolleginnen, die zur gleichen Zeit erkrankt sind, hatten richtig Panik, denn sie wissen genau, was das heißt, wenn man hier auf die Station oder ins Krankenhaus kommt und an den Sauerstoff muss.

Wir hatten hier auch schon Patienten, die leugnen, dass es Corona gibt. Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen, von denen bekannt ist, dass sie sagen, Corona gibt es nicht, haben wir mit schweren Verläufen behandelt. Aber wir sind nicht da, um über sie zu richten oder sie zu überzeugen. Sie haben in diesen Momenten ganz andere Probleme, bekommen Angst, dass sie beatmet werden müssen und ihre Familie, ihre Kinder und Enkel nicht mehr wiedersehen. Wir arbeiten professionell und tun alles, um sie über die schlimmen Phasen zu bringen.

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Dass diese Patienten sagen, Corona gebe es nicht, obwohl sie die Tatsachen vor sich haben, macht mich nicht wütend. Ich wundere mich eher darüber, dass eine kleine Gruppe von Menschen die Bevölkerung so spalten kann, dass Menschen sich nicht impfen lassen wollen oder der Nutzen der Impfung infrage gestellt wird. Die Menschen, die für den Zwiespalt sorgen, bringen die Menschen ins Krankenhaus und auf die Intensivstation. Und die, die ihnen geglaubt haben, müssen das ausbaden. Sauer bin ich nicht, ich habe nur überhaupt kein Verständnis.

Ich will nicht schwarzsehen, aber ich glaube, dass uns die Pandemie noch sehr lange begleiten wird. Wir sind noch nicht am Ende, und das macht mir Angst, weil das Personal auf den Intensivstationen am Limit ist – körperlich und psychisch. Irgendwann kommt es hier zur Explosion und einige werden das Handtuch schmeißen.“

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