Corona-Lockerungen in Leverkusen„Wir haben viel zu lange eine Geisterstadt gehabt“

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Fast wie vor der Corona-Krise, so sieht es am Freitag zur Mittagszeit vor der Rathaus-Galerie in Wiesdorf aus.

Fast wie vor der Corona-Krise, so sieht es am Freitag zur Mittagszeit vor der Rathaus-Galerie in Wiesdorf aus.

Leverkusen – Am Freitagvormittag in Wiesdorf freut man sich über die Atemschutzmasken: Ein feiner Duft von Kloake liegt über dem Stadtteil. Manch einer hat die korrekte Benutzung des schützenden Stoffs immer noch nicht verstanden, hier und da ragen Riechorgane über die Maske. Die meisten tragen das modische Teil jedoch am Kinn oder am Hals. Kein Problem, denkt man, solange es nur draußen ist und der Abstand eingehalten wird. Aber wie viel sollte der noch mal betragen? Eine Armlänge muss reichen, wenn man über den Wiesdorfer Platz flanieren möchte, ohne eingekesselt stehen bleiben zu wollen.

Die meisten, die man an diesem Tag in der Stadt antrifft, freuen sich über die Lockerungen. „Es wird Zeit. Wir haben viel zu lange eine Geisterstadt gehabt“, verkündet die Blumenverkäuferin vor der Rathausgalerie. Die Geschäftsbetreiber atmen auf, wenn auch gedämpft. Viele Menschen halten sich mit dem Shoppen noch zurück. Häufig dürfen nur wenige Personen gleichzeitig in einen Laden, und nicht jeder hat die Geduld, sich in eine Abstandhalte-Warteschlange zu begeben.

Flatterband am Spielplatz

Nun haben auch wieder die Spielplätze geöffnet. Manch kleines Wippgerät ist noch immer mit Flatterband in eine Kunstinstallation verwandelt. Auf dem großen Spielplatz im Neulandpark namens „Kuddel Muddel“ herrscht jedoch bereits, ja, genau... Die Eltern schauen misstrauisch auf die sich nähernde Journalistin, bereit, jede Schuldzuweisung abzustreiten. Noch hangeln sich die Kinder mit Abstand an den Gerüsten entlang, fest im Blick der sorgsamen Mütter und Väter. „Wenn sie sich beim Spielen zu nahe kommen, dann läuft man halt schnell hin, packt sie, und bringt sie wieder auseinander“, erklärt eine Mutter den Plan.

Auch Oma darf nun das Enkelkind wieder sehen, die Zeit der Balkonbesuche ist vorbei. Außer beim Opa, der ist nämlich noch älter, und um die Älteren macht man sich besonders Sorgen. Ein anderer Vater betont, wie viele Menschen an normaler Grippe und in Kriegen sterben; seine zwei coolen Jungs mit Sonnenbrille dürfen spielen, mit wem sie wollen. Senan Elshale, 72, fit wie ein Designerturnschuh, schüttelt den Kopf. Er ist weiter unten im Park halbe Liegestützen machend anzutreffen. Zwischen Hände und Stange kommt Plastik, das macht Elshale aber schon lange so. Auch vor Schmutz, kann man sich schützen.

Mangelnde Disziplin

Er sieht die Lockerungen kritisch: „Der Mensch hat keine Disziplin. Wenn der Staat entscheidet, die Auflagen zu minimieren, liegt die Verantwortung wieder bei jedem Einzelnen.“In dieser Zeit laufe er oft über den Rasen; auch nach Aufforderung machten ihm Spaziergänger häufig keinen Platz. Eine gewisse Sorglosigkeit mache sich breit. Elshale hat beschlossen, auch erstmal nicht ins Fitnessstudio zu gehen, falls es wieder öffnet. Zu viele Menschen.

Einkaufen am späten Abend

Doch die Perspektiven bleiben weiterhin sehr unterschiedlich. Herr und Frau Fränzer sind viel auf dem Fahrrad in der ganzen Region unterwegs. Sie berichten davon, dass sich die Leute überall gut an die Auflagen hielten. Er hat zwar eine Vorerkrankung, aber achte vor allem auch darauf, andere Leute zu schützen. Sie empfiehlt das Einkaufengehen kurz vor Ladenschluss, wenn es in den Läden leerer sei. „Die Lockerungen sind gut. Wir passen selbst auf.“ Dann geht es weiter durch das ruhige Stück Land, zwischen Autobahnrauschen und Vogelgezwitscher.

Die Eheleute Statz spazieren vorüber, sie sind extra aus Köln-Dünnwald hergekommen. Das schöne Wetter müsse man nutzen, wenn auch weiterhin mit zwei bis zweieinhalb Meter Abstand. „Vorbei ist es noch lange nicht“, bemerkt er.

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Indes ist es in der Innenstadt Mittag geworden, es scheint voll wie an einem normalen Vor-Corona-Freitag. Unter dem Rathaus-Ufo hat sich eine Hochzeitsgesellschaft verteilt, „naja, Gesellschaft“, lacht die Mutter der Braut, „jeder sitzt irgendwo.“ Die standesamtliche Hochzeit wollte das Brautpaar schon heute vollziehen, sie ist schwanger. Kirchliche Hochzeit und Feierlichkeiten wurden um genau ein Jahr verschoben. Als die frischen Eheleute herauskommen, gibt es Applaus und Jubel auf Abstand. Öffentliche Freizeit- und Fitnessangebote wie das Neuland Gym oder der Skatepark unter der Stelze bleiben vorerst geschlossen. Auf den Seiten der Stadt gibt es weitere Informationen.

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