Debatte in LeverkusenWo es noch bei der Gleichberechtigung hapert

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Sprachen auf der Bühne über Politik (von links): Milanie Kreutz, Petra Franke, Eliana Clausius und Rupy David.

Sprachen auf der Bühne über Politik (von links): Milanie Kreutz, Petra Franke, Eliana Clausius und Rupy David.

Leverkusen – „Wir müssen reden, und zwar über Gedöns“, begann Moderatorin Eliana Clausius in Anspielung auf Gerhard Schröders abfällige Bemerkung über den Aufgabenbereich des Familienministeriums die Podiumsdiskussion „Frauen gestalten ihre Stadt“ am Weltfrauentag 8. März.

Die Landtagskandidatinnen Rupy David (Die Grünen) und Petra Franke (FDP) sowie Milanie Kreutz (SPD), die kurzfristig für die erkrankte SPD-Kandidatin Eva Ariane Koepke einsprang, stellten Vorurteile über Frauen und Frauenpolitik auf den Kopf und machten sie sich zu eigen. Rüdiger Scholz (CDU), Landtagsabgeordneter für Leverkusen, nahm ebenfalls an der publikumsnahen Diskussion teil, überließ seinen Kolleginnen aber größtenteils das Wort.

„Aufholbedarf“

14 Männer und 55 Frauen sitzen zurzeit im Landtag für NRW. „Da ist Aufholbedarf. Deshalb haben wir die Frauenquote eingeführt“, brachte Rupy David die Grünen-Perspektive ein. Sie wendete sich direkt an die Quotenzweiflerinnen, die Angst haben, dass ihre Leistung nicht anerkannt würde: „Ich bin gerne Quotenfrau. Ohne die Quote wäre ich heute nicht hier. Man hätte mir keinen Platz gemacht.“ Die Quote sei zwar keine Lösung, aber eine Brücke.

Alles zum Thema Annalena Baerbock

Petra Franke und die FDP lehnen den Weg „mit der Brechstange“ ab und bevorzugen den Ansatz, „das von unten aufzubauen.“ Sie sehe jedoch: „Die weibliche Perspektive muss mitgedacht werden. Aber uns ist das Mitdenken nicht gelungen, deswegen müssen wir Frauen selbst ran.“ Und sie machte auf den Umstand aufmerksam, dass drei Frauen auf dem Podium diskutieren, aber tatsächlich ein Mann Abgeordneter ist.

Für die Fraktionsvorsitzende der SPD ist der Blick auf die Quote allein nicht ausreichend, „wir müssen auch gucken, wer welche Listenplätze hat.“ Rüdiger Scholz erklärte die „Zwischenlösung“ der CDU für die Landtagswahl im Mai: Die ersten 20 Listenplätze sind paritätisch verteilt. Da seine Partei die meisten Mandate per Direktwahl holt, ist ein Ausgleich über die Liste nicht möglich.

Das überwiegend weibliche Publikum hinterfragte, wieso, zumindest augenscheinlich, weniger Frauen in die Politik gehen. Petra Franke verneinte die Möglichkeit, Frauen fehle es an Interesse: „Ich glaube, sie interessieren sich nur nicht für Laber-Veranstaltungen. Sie interessieren sich für Situationen, in denen sie wirklich etwas verändern können.“ Das erntete Applaus. In erstaunlich vielen Fragen waren sich die Diskutierenden einig.

Debatte um Wickeltische

So erklärte Moderatorin Eliana Clausius das System zum „Nubbel des Abends“. „Es ist doch überhaupt nicht mitgedacht, dass Männer mit ihren Babys unterwegs sind“, brachte Franke die Debatte um Wickeltische auf öffentlichen Toiletten ein, um die Tiefe der nötigen Veränderung zu verdeutlichen. Das Beispiel nenne sie seit 15 Jahren.

Eine Besucherin warf unterdessen Scholz vor: „Das Problem ist doch genau das Familienbild, das Ihre Partei vermittelt.“ Der CDU-Abgeordnete wies den Vorwurf von sich persönlich zurück.

Die Kinderbetreuung und wie sie in Deutschland geregelt ist, war das Thema, das die meisten Teilnehmerinnen beschäftigte, empörte, erzürnte. Von einem Backlash in der Rolle der Frau während der Pandemie war die Rede, weil es kein Verlass auf Kitas und Schulen mehr gibt. Das machte nicht wenige berufstätige Mütter wieder zu Hausfrauen, acht Prozent manchen Studien nach.

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Milanie Kreutz propagierte auch, „Arbeiten muss sich lohnen“, und kritisierte gleichzeitig das gerade im europäischen Vergleich völlig veraltete Ehegattensplitting, die Regelungen rund um das Elterngeld und die fehlende Anerkennung von Care-Arbeit. Aber auch eine positive Veränderung sieht sie in der Pandemie: „Der öffentliche Dienst ist geprägt von Präsenzkult. Im Homeoffice kommen wir zu einer Ergebniskultur.“

Rupy David begeisterte den maximal gefüllten Raum des Kunstvereins Schloss Morsbroich ebenfalls mit einer für das Empowerment von Frauen guten Nachricht. Nachdem Annalena Baerbock an die Spitze der „Grünen“ geholt wurde, seien reihenweise junge Frauen in die Partei eingetreten. Auch in Leverkusen.

Die Vorbildfunktion von mächtigen Frauen, aber auch die Relevanz (junger) Frauen, die sich trauen, mächtig zu werden, waren weitere Motive des Abends.

Eine Gästin setzte die Fortschritte ernüchternd in zeitliche Relation: „Ich saß vor 35 Jahren am selben Tag an einem ähnlichen Ort.“

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