Abo

Die Welt wächst uns über den Kopf

Lesezeit 3 Minuten
Johanna Reich zeigt ihre Arbeiten in der Galerie des Kunstvereins am Schloss.

Johanna Reich zeigt ihre Arbeiten in der Galerie des Kunstvereins am Schloss.

Man könnte es sich leicht machen und sagen: Johanna Reichs Kunst erkennt man sofort – denn sie hat Ideen, die sonst keiner hat. Aber mit so einer Aussage würde man ja einem ganzen Stand kreativer Menschen vors Bein treten, denn sowas ließe sich ja über zig Künstler sagen. Also drückt man es am besten so aus: Johanna Reichs Ausstellung „All the world’s a frame“ („Die ganze Welt ist ein Rahmen“), mit der sie derzeit im Kunstverein Leverkusen gastiert, ist so gut, weil sie gespickt ist mit Installationen, die auf kluge Weise die Rolle des Menschen in einer Welt aufgreifen, die eben ihm – dem Menschen – längst schon über den Kopf gewachsen ist.

Wohlgemerkt: Sie ist gespickt damit. Nicht überladen. Das ist ein Unterschied. Johanna Reich nämlich genügen rund ein halbes Dutzend in der abgedunkelten Galerie gezeigte Arbeiten, um maximale Wirkung und jede Menge Effekte der gerne zitierten Art „Aha!“ beim Betrachter zu erzielen. Beispielhaft sei die Arbeit „á la lumiére“ erwähnt: Sechs Ammoniten – steinerne Zeugen der Ursprünge der Erde – stehen aufgereiht nebeneinander. Mehrere sich windende Menschensilhouetten werden im entsprechend kleinen Format darauf projiziert. Eine wunderbare, den Blick anziehende Anspielung ist das auf den letztlich trotz aller Mühsal vergeblichen Versuch des Menschen, die Welt in ihren Grundfesten zu verstehen. Hinzu kommen drumherum Videos und weitere Installationen, bei denen stets auch der Mensch – in Form von Händen etwa – als Projektionsfläche genutzt wird.

Auf die Spitze treiben es indes die am Boden zwischen den Betrachterbeinen herumwuselnden Saugroboter, die in Johanna Reichs Falle nun nicht dazu da sind, Dreck und Schmutz und Staub aufzunehmen, sondern Projektoren umherzufahren. Diese werfen wechselnd Nachrichtenschlagzeilen auf Wände und Türen und: auf die Besucher. Womit sich der Titel der Ausstellung bewahrheitet: Die ganze Welt, alles ist ein Rahmen. Der Mensch selbst wird zur Nachricht. Zur Projektionsfläche. Die Technik hat ihn überholt. Seine Hybris in Sachen Allmachtsfantasien und „Ich mache mir die Welt Untertan“ hat sich gegen ihn gewendet. Er kann irgendwann nur noch feststellen: Es wächst mir über den Kopf. Diese Welt hat mich im Griff, nicht ich sie. Beinahe wünschte man sich, einer wie Donald Trump, ein nicht erst seit den jüngsten Auftritten selbst ernannter Klimawandel-Optimist, stieße einmal auf Johanna Reichs Kunst. Sie ist zweifelsohne mehr als einen kurzen Blick wert.

„All the world’s a frame“ wird am heutigen Donnerstag, 23. Januar, um 19.30 Uhr in der Galerie des Kunstvereins Leverkusen in den Remisen des Schlosses eröffnet und ist dort bis zum 1. März zu sehen. Öffnungszeiten sind freitags von 13 bis 17 Uhr, samstags und sonntags von 11 bis 17 Uhr. Der Eintritt ist frei. Am 1. März, am so genannten „Sparda-Tag“ (Sponsoren-Tag), steht Johanna Reich um 11 Uhr für ein Gespräch bereit.

www.kunstverein-leverkusen.de

KStA abonnieren