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Explosion in LeverkusenCurrenta wollte mit Zahlungen an Nachbarn Klagen verhindern

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Currentas Versicherer HDI müht sich, die finanziellen Folgen des Brands in Bürrig einzudämmen.

Leverkusen – Der Gutachter kam einen Tag, nachdem das Lanuv die zweite Entwarnung gegeben hatte: kein Gift im Boden nach Explosion und Brand in Bürrig. Der Mann hatte ein Formblatt mit, das Currenta zurückzog, nachdem der „Leverkusener Anzeiger“ darüber berichtet hatte. Die Standardformel sei in dieser Situation „unpassend“, erkannte der Verursacher des Unglücks. Alle Betroffenen sollten ein verändertes Formblatt zugesandt bekommen. Das betrifft rund 1000 Personen.

Worum geht es? Lilly und Helmut Roth wohnen im Steinfeld, vom Rußregen am 27. Juli haben sie einiges abbekommen. „Rußbedeckter Garten, Grill, Strandkorb, Gartenmöbel“ hat der Sachverständige aufgeführt. „Fünf Stunden Eigenleistungen“ sollen für die Beseitigung des schwarzen Niederschlags angesetzt werden.

Freibrief für die Ewigkeit

Das ist es aber nicht, was die Anwohner des Müllofens stört. Sondern die Bedingungen, unter denen Currentas Versicherer HDI den Roths 100 Euro zahlen wollte: Fließt das Geld, sollen „alle gegenwärtigen und zukünftigen Ansprüche“ auf Schadensersatz, die im Zusammenhang mit der Katastrophe am Sondermüllofen stehen, „endgültig und vollständig abgegolten“ sein. „Und zwar unabhängig davon, ob sie schon entstanden sind oder noch entstehen werden, ob sie vorhersehbar sind und ob alle Folgeschäden in die Vorstellung der Beteiligten einbezogen sind“.

Mit anderen Worten: ein kompletter Freibrief für jetzt und in alle Zukunft. Egal, was noch über die Umweltfolgen der Explosion und des Großbrands herausgefunden wird. Dies alles, bevor Currenta die Liste der in den havarierten Tanks gelagerten Stoffe oder die Ergebnisse der eigenen Analysen öffentlich gemacht hatte. Wobei dies den Betroffenen der Katastrophe bis heute nicht wirklich hilft: Ein Urteil zum Auslöser und den Umweltfolgen der Havarie in Bürrig traut sich noch kein Experte zu. 

Roths haben die 100-Euro-Offerte des Versicherers dann auch nicht angenommen: Die amtlichen Ermittlungen zur Unfallursache seien ebenso wenig abgeschlossen wie die Untersuchungen der Boden- und Wasserproben. Das liege „nicht zuletzt an der nur zögerlichen und teils unvollständigen Information der Behörden und der Öffentlichkeit durch Ihre Mandantin Currenta bezüglich der Inhaltsstoffe und deren Zusammensetzung in den havarierten Tanks“, kritisieren die Anwohner. Vor allem die Endgültigkeitsklausel in dem Vergleich sei inakzeptabel.

Alle Spielplätze sind noch gesperrt

Gar nicht schnell geht es mit der Säuberung der Spielplätze voran, auf denen nach dem Brand Rußpartikel gefunden wurden. Drei Wochen nach der Katastrophe in Bürrig ist noch keiner der zwölf Spielplätze wieder offen. So lautete am Dienstag die Antwort der Stadtverwaltung auf eine Anfrage von Helmut Roth. Der wollte mit seinem Enkel auf den Spielplatz an der Ecke Erzberger Straße/Markusweg in Bürrig. Aber auch dort müssen noch Spielgeräte und Bänke gesäubert sowie der Sand ausgetauscht werden, um Gefahren auszuschließen. (tk)

Currenta hatte angekündigt, die Umwelteffekte der Katastrophe am Müllofen schnell in Augenschein nehmen zu lassen. Tatsächlich klingelte es schon am Donnerstag, also zwei Tage nach dem Brand, bei Benjamin Roth. Der Sohn von Helmut und Lilly Roth wohnt ebenfalls in der Nähe des havarierten Betriebs. In seinem Garten war ebenfalls Ruß-Regen niedergegangen; seinen Nachwuchs wollte er auf keinen Fall nach draußen lassen.

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Ein Angebot, Currenta gegen Geld von jeglicher Haftung zu befreien, habe er im Gegensatz zu seinen Eltern zwar noch nicht bekommen, berichtete er am kurz nach dem Unglück. Aber mit Blick auf die jüngste Veröffentlichung der Currenta-Analysen und noch ausstehende Laborberichte von Greenpeace käme er auch nicht auf die Idee, dem Verursacher der Katastrophe einen solchen Persilschein auszustellen. Den Versuch bei seinen Eltern findet Benjamin Roth eher frech: Das Ziel, das Vertrauen der Anwohner zurück zu gewinnen, verfehle Currenta so ganz klar.

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