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Frauenbüro wird 35„Corona kann Einfluss auf Karrieremöglichkeiten von Frauen haben“

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Cornelia Richrath - nicht verwandt mit dem Oberbürgermeister - leitet das Frauenbüro. 

Cornelia Richrath - nicht verwandt mit dem Oberbürgermeister - leitet das Frauenbüro. 

  • Vor 35 Jahren wurde das Leverkusener Frauenbüro gegründet, um für Gleichstellung von Frau und Mann zu sorgen.
  • In der Stadtverwaltung arbeiten seitdem mehr Frauen als Männer, in Führungspositionen fast zur Hälfte.
  • Die Corona-Krise trifft viele berufstätige Frauen besonders hart, das kann auch Auswirkungen auf ihre berufliche Laufbahn haben, sagen Cornelia Richrath und Antje Winterscheidt im Interview.

Leverkusen – Der 35. Geburtstag des Leverkusener Frauenbüro findet in besonderen Zeiten statt: Die Themen sind in der Corona-Krise brennender als zuvor, die öffentlichen Ansprachemöglichkeiten allerdings begrenzt. Über die Arbeit und die besonderen Herausforderungen der Krise haben wir mit Büroleiterin Cornelia Richrath und Mitarbeiterin Antje Winterscheidt gesprochen.

Im Juli 1985 wurde das Frauenbüro der Stadt Leverkusen gegründet, lange bevor es gesetzlich vorgeschrieben war. Was hat sich seitdem für Frauen in der Stadt verändert?

Richrath: Wir sind beide nicht seit der Anfangszeit dabei, aber wenn man sich die Stadtverwaltung anschaut, hat sich einiges getan. Wir haben einen Frauenanteil von 65 Prozent. Und 46 Prozent der Führungspositionen sind von Frauen besetzt, das sind ganz andere Zahlen als in den meisten anderen großen Unternehmen. Außerdem ist es mittlerweile gang und gäbe, dass wir an Entscheidungen oder Beratungen beteiligt werden, da mussten unsere Vorgängerinnen sicher mehr um Akzeptanz kämpfen.

Hilfe und Unterstützung in allen Lebenslagen

Das Frauenbüro ist ein Fachbereich der Stadt Leverkusen und vermittelt Kontakte zu spezialisierten Beratungsstellen und Frauenhäusern, in denen Betroffene Unterstützung finden können. Erreichbar ist das Frauenbüro montags bis freitags von 8.30 bis 12.30 Uhr unter 0214/406 8301. Persönliche Beratungstermine im City-Turm, Friedrich-Ebert-Straße 17, müssen vorab abgesprochen werden.

Das bundesweite Hilfetelefon für von Gewalt betroffene Frauen ist rund um die Uhr an 365 Tagen im Jahr unter 08000 - 116 016 erreichbar. Seit kurzer Zeit gibt es in NRW erstmals auch ein Hilfetelefon für von Gewalt betroffene Männer unter 0800 - 123 99 00. (stes)

Dennoch gibt es auch städtische Bereiche, in denen Frauen unterrepräsentiert sind.

Richrath: Ja, einige wenige gibt es, in den stark technisch geprägten Bereichen oder auch bei der Feuerwehr. Wir arbeiten daran, indem wir versuchen, Frauen und Mädchen zu ermutigen und zu fördern. Bei der Feuerwehr scheitern viele Frauen an dem Sporttest. Wir weisen zum Beispiel langfristig auf den Test hin, der für viele Frauen – aber auch Männer – sehr herausfordernd ist, damit besonders Frauen die Möglichkeit haben, sich gezielt darauf vorzubereiten.

Sie sind nicht nur für innerstädtische Gleichstellung zuständig, sondern auch für alle Themen, die Frauen in der Stadt bewegen. Was sind Ihre Hauptthemen?

Richrath: Gewalt gegen Frauen ist in der Gesellschaft das immerwährende Problem. Und es ist bereits durch eine Studie der TU München belegt, dass sich häusliche Gewalt in der Corona-Krise verstärkt hat. Das bestätigen auch unsere Kooperationspartnerinnen in den Leverkusener Frauenberatungseinrichtungen.

Winterscheidt: Ein zweites großes Thema ist die Frau im Beruf, besonders der Wiedereinstieg nach der Elternzeit und vielfach der Weg aus der Minijob-Falle sind uns besondere Anliegen.

Hat sich in dem Bereich in den letzten Jahren viel getan?

Winterscheidt: Ehrlich gesagt: Nein. Ich arbeite seit zehn Jahren in dem Bereich und kann wenig Veränderung feststellen. Viele Frauen machen sehr gute Schulabschlüsse, arbeiten aber nicht durchgängig in ihrem Bereich und verlieren dadurch den Anschluss. Karriere mit Kindern ist immer noch sehr schwierig.

Das zeigt sich jetzt in der Corona-Krise besonders deutlich.

Winterscheidt: Ja, wir sehen, dass deutlich mehr Frauen im Homeoffice arbeiten oder kürzer treten und das kann sicher auch Einfluss auf die Karrieremöglichkeiten nach Corona haben. Was es hier braucht, ist vor allem eine Bewusstseinsänderung bei Frauen wie bei Männern.

Was aber auch daran liegt, dass Männer zumeist mehr verdienen.

Richrath: Wenn das der einzige Grund wäre, müsste das Bild in der Stadtverwaltung ein anderes sein, denn hier werden Männer und Frauen ja gleich bezahlt in den jeweiligen Gehaltssegmenten. Dennoch sind von den 38 Prozent Teilzeitkräften in der Stadtverwaltung 89 Prozent Frauen.

Winterscheidt: Ich habe vor 30 Jahren meine Diplomarbeit zum Thema „Die Armut ist weiblich“ geschrieben und seitdem hat sich nur wenig an der traditionelle Rollenverteilung getan. Familienarbeit wird zumeist von den Frauen und unentgeltlich geleistet. Das hat massive Auswirkungen auf die Altersbezüge der Frauen.

Richrath: Aber auch für die Männer wäre ein Umdenken wichtig, denn es ist auch für sie von Vorteil, eine gut verdienende und selbstbestimmte Partnerin zu haben. Dafür müssen Männer mehr in die Verantwortung genommen werden, was Themen von Erziehung bis zur privaten Pflege von Angehörigen angeht. Es darf einfach nicht mehr selbstverständlich sein, dass das alles bei den Frauen abgeladen wird.

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Was tun Sie, um diesen festgefahrenen Rollenbildern entgegenzuwirken?

Richrath: Wir wollen vor allem aufmerksam machen und aufklären, immer in Zusammenarbeit mit unseren Netzwerkpartnern. Wir organisieren Informationsveranstaltungen und Kampagnen, die Frauen mit allem ausrüsten sollen, was sie brauchen. Dazu gehören Aktionen für die jeweiligen Zielgruppen und die Öffentlichkeit, wie zum Beispiel Ausstellungen und Veranstaltungen, Workshops und Vorträge. Auch Materialien zu speziellen Themenbereichen werden von uns erstellt.

Sie haben gesagt, dass die Corona-Krise viele der Probleme verstärkt. Ergeben sich daraus auch Chancen?

Richrath: Ja, alles was vorher schon nicht gut war, ist jetzt offensichtlich geworden. Von Vereinbarkeit von Familie und Beruf über Digitalisierung von Schulen bis zur Bezahlung von Pflegepersonal. Vielleicht werden diese Dinge jetzt wirklich angegangen.

Gibt es auch Themen, die für das Frauenbüro nach 35 Jahren neu auf die Agenda gekommen sind?

Richrath: Ja. In jüngster Zeit beschäftigen wir uns zum Beispiel mit dem Thema Transgender. Wir sind ja nicht nur für Frauen in Notsituationen da, sondern auch grundsätzlich in allen Lebenslagen, die Gleichstellung betreffen und so kommen immer Bereiche dazu, mit denen wir uns bisher noch nicht befasst haben. Auch die Digitalisierung und die damit nicht selten einhergehende Gewalt ist ein Thema, zu dem wir hier im Frauenbüro bereits Angebote für die Mitarbeiterinnen anbieten konnten und künftig auch für die Leverkusener Bürgerinnen zugänglich machen wollen.

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