Grimme-Preisträger Serkan Kaya aus Leverkusen„Da müssen Fanfaren mit dabei sein“

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Die Preisverleihung ist abgesagt, Serkan Kaya soll seinen Grimme-Preis jetzt im August erhalten.

Die Preisverleihung ist abgesagt, Serkan Kaya soll seinen Grimme-Preis jetzt im August erhalten.

  • Serkan Kaya wuchs in Leverkusen auf und entdeckte im Erholungshaus seine Liebe zum Theater.
  • Über Junges Theater und Studium landete er in der Hauptrolle beim Lindenberg-Musical in Berlin.
  • Jetzt gewann der den Grimme-Preis, auf den er aber wegen der Corona-Krise noch warten muss.

Leverkusen – Herr Kaya, eigentlich wären Sie derzeit am Düsseldorfer Schauspielhaus in gleich vier Produktionen zu sehen: „Willkommen“, Die Dreigroschenoper“, „Ein Blick von der Brücke“ und „Dantons Tod“. Aber das Coronavirus kam – und alles wurde abgesagt. Wie geht es Ihnen?

Nach sechs Wochen ohne Theater könnte ich wieder…. Mir fehlt die Bühne sehr. Nichtsdestotrotz geht es mir gut, denn ich bin fest am Schauspielhaus. Da gibt es Kollegen, die in einer viel schlimmeren Lage sind. Und das, obwohl Künstler eigentlich auch systemrelevant sind. Natürlich nicht in dem Maße, in dem das etwa Menschen in der Pflege sind….

Aber?

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Aber es fällt doch auf, dass all das, was uns derzeit daheim aufrecht hält – Filme, Bücher, Musik, Serien –, von Künstlern gemacht ist. Ich finde, dass man das nicht vergessen sollte.

Apropos „Künstler“: Als solcher – und ob Ihres Mitwirkens im Film „Der König von Köln“ – soll Ihnen der Grimme-Preis 2020 verliehen werden. Darin geht es um Filz und Klüngel und das Milieu in der Domstadt. Haben Sie Ihre rheinische Heimat dadurch besser kennengelernt?

Schüler am Lise-Meitner-Gymnasium Mitglied im Ensemble des Jungen Theater

Serkan Kaya (Jahrgang 1977) wurde in Leverkusen geboren. Er besuchte das Lise-Meitner-Gymnasium, war Mitglied im Ensemble des Jungen Theaters, spielte zudem am Kleinen Theater (ehemalige Werksbühne der Bayer AG) und studierte an der Essener Folkwang-Hochschule Schauspiel sowie Musical. Von 2011 bis 2016 spielte er die Hauptrolle im Udo-Lindenberg-Musical „Hinterm Horizont“ in Berlin und war in zahlreichen weiteren Musicals – sowie nebenbei in Theaterstücken, Filmen und Serien – im ganzen Land aktiv. Derzeit ist er Mitglied des Ensembles des Düsseldorfer Schauspielhauses und lebt mit seiner Familie in Düsseldorf.

Im März wurde bekannt, dass ihm der Grimme-Preis 2020 für sein Mitwirken im TV-Film „Der König von Köln“ verliehen wird. Zudem wurde er jüngst für den Quotenmeter-Filmpreis nominiert.

Abstimmen für Serkan Kaya kann man auf der Internetseite zu diesem Preis. (frw)

www.qmde.de

Ich sage es mal so: Ich bin durch und durch Rheinländer und liebe unsere Mentalität. Diese Offenheit. Während in Berlin etwa kein Mensch im Aufzug den anderen grüßt, redet man hier zumindest mal kurz übers Wetter und sagt „Hallo“. Aber: Ich habe durch Gespräche mit Personen, die aus dem Prostitutionsmilieu kamen, erfahren, dass viele Dinge, die wir im Film zeigen, in Wirklichkeit noch viel schlimmer waren. Ich habe dadurch gemerkt: „Klüngel“ hört sich zwar niedlich an. Ist aber letztlich genau das: Die Verniedlichung einer schlechten Sache: Jeder lächelt den anderen an, man reicht sich die Hand – und jeder greift doch nur in den Topf, um das Beste für sich abzustauben.

Die Preisverleihung übrigens wurde abgesagt. Bekommen Sie die Trophäe jetzt schnöde per Post zugeschickt?

Nein. Ich soll sie wohl im August bekommen. Und das will ich auch hoffen, denn: Ich habe noch nie einen Preis gewonnen. Es ist mein erster. Und da müssen dann Konfetti und Fanfaren und Fahnen dabei sein. (lacht) Wer weiß, wann mir das mal wieder passiert.

Zum Beispiel, wenn Ihnen die entsprechende Jury mal den Leverkusener Löwen zugestehen würde. Den bekommen bekannte Leverkusener dafür, dass sie sich zu ihrer Heimatstadt bekennen und deren Image pflegen. Ihr Schauspielkollege Jan-Gregor Kremp etwa hat schon einen.

Das wäre natürlich toll! Hätte Leverkusen ein festes Theater, dann wäre ich ja auch vielleicht schon wieder zurück. Meine Eltern und Geschwister leben noch hier, alleine deshalb bin ich noch regelmäßig in der Stadt. Ich schaue immer noch auf die Ergebnisse von Bayer 04. Ich war am Jungen Theater – und währenddessen sechs Jahre lang mit Katharina Lorenz zusammen, die ja selber und mit ihrem Vater Peter sowie ihrem Großvater Kurt einer Leverkusener Künstlerfamilie entstammt. Das war eine tolle Zeit, in der wir ganz im Theaterspielen aufgegangen sind. Überhaupt: In Leverkusen wurde ich früh durch die großen Theatergastspiele im Erholungshaus sozialisiert und wüsste gar nicht, wo ich heute ohne diese Stunden vor der Bühne dort gelandet wäre! Und: Ich werde tatsächlich bei „Wikipedia“ als „bekannte Persönlichkeit der Stadt“ aufgeführt – was mich umgehauen hat! Also: Wenn Leverkusen mich als Sohn annimmt, dann nehme ich Leverkusen auch als Vater oder Mutter an. Und ich jage zwar keinem Preis hinterher, aber: Sollte ich den Löwen wirklich einmal bekommen, trete ich von mir aus auch unbekleidet im Erholungshaus auf. (lacht)

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Was dächte der junge Serkan Kaya, sähe er den heutigen Serkan Kaya auf der Bühne?

Eine sehr gute Frage… Der junge Serkan wäre wohl angetan. Weil er einen älteren Serkan sehen würde, der angekommen ist. Und das ist nicht selbstverständlich für ein Migrantenkind, das ich ja bin. Ich bin das Kind türkischer Gastarbeiter. Viele Deutsche wissen das nicht, was man ihnen nicht vorwerfen kann, aber man fragt sich in solch einem Fall immer wieder: Wo komme ich eigentlich her? Wo gehöre ich hin? Ich habe Antworten auf diese Fragen gefunden. Und das fühlt sich sehr gut an.

Sie waren von 2011 bis 2016 der Udo im Lindenberg-Musical „Hinterm Horizont“ in Berlin. Haben Sie eigentlich noch Kontakt zum Original?

Ja. Er hat mir erst jüngst zum Grimme-Preis gratuliert. Und ich musste gerade in den vergangenen Wochen mehrfach an ihn denken, denn Udo gehört aufgrund seines Alters ja auch zur Corona-Risikogruppe. Aber wahrscheinlich hat er über die Jahre so viel getrunken, dass ein solches Virus ihm nicht so viel anhaben kann. (lacht)

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