Gründung vor 90 JahrenSo wurde aus den „sieben Dörfern“ die Stadt Leverkusen

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Die Rheinallee mit Blick auf das Werk. Wiesdorf stand im Schatten, viele wohnten auf der Deponie.

  • Leverkusen ist 90 Jahre alt geworden. Glückwunsch!
  • Wie aus den „Sieben auf einen Streich“ die Stadt Leverkusen wurde, warum Schlebusch sich so sehr gegen die Eingemeindung wehrte, und wie die Stadt am Reißbrett geplant wurde, erfahren Sie hier.
  • Wir blicken zurück auf eine wechselvolle Geschichte.

Leverkusen – Der 90. Geburtstag mit Miss Sophie oder das Dinner for One dürfte eine ebenso einsame Veranstaltung gewesen sein, wie der Geburtstag der Stadt Leverkusen. Mitte der Woche wurde die Stadt 90 Jahre alt und aufgrund der Corona-Pandemie ist das Datum etwas untergegangen.

Im Zeitraffer: Die Landgemeinden Schlebusch, Rheindorf und Steinbüchel waren damals im Zuge einer Gebietsreform in einer Art Vernunftehe in die Stadtgemeinde Wiesdorf eingemeindet worden. Erst 1975 kam durch die kommunale Gebietsreform Opladen hinzu. Mitte der 60er Jahre bereits hatte Leverkusen beschlossen, einen Mittelpunkt, eine City zu bauen. Der schwäbischen Baulöwe Carl Schätzle kam mit ins Boot und die Stadtmitte in Wiesdorf sollte eine Großstadt vom Reißbrett werden. Eine Orgie in Beton mit Tiefgaragen und der Stadtautobahn war das Ergebnis. Und da der Kern nicht über viele Jahre gewachsen war wie in anderen Städten, konkurrieren heute noch die Zentren Schlebusch, Opladen und Wiesdorf um die Gunst der Kunden.

Der Opladener Geschichtsverein (OGV) schreibt zum Geburtstag: „Am 1. April 1930 entstand etwas Neues – auch wenn die Gemeinden, die sich in der Stadt Leverkusen zusammenschlossen, in ihren Siedlungskernen bereits seit Jahrhunderten existierten.“ Bereits am 1. April 1920, also vor 100 Jahren, waren Wiesdorf, Bürrig und Küppersteg zur Stadtgemeinde Wiesdorf vereinigt worden. „Zählt man Manfort als weiteren Stadtteil Leverkusens dazu, entstand am 1. April 1930 eine Sieben-Dörfer-Stadt“, so der OGV.

Name 1930 beschlossen

Die „Sieben auf einen Streich“ sollten nun Leverkusen heißen. Der Name wurde in der ersten Stadtratssitzung am 13. Juli 1930 in Wiesdorf beschlossen. Er erinnerte an den Wermelskirchener Apotheker Carl Leverkus, Erfinder des Ultramarinblau. Er hatte sich in den 1860er Jahren in Wiesdorf am Rhein mit seinem Unternehmen zur Herstellung künstlichen Ultramarins niedergelassen. In Erinnerung an den Familiensitz in Lennep nannte er die neu entstehende Siedlung „Leverkusen“.

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Baulöwe Carl Schaetzle sorgte für viel Beton.

An diesem Standort wurde die Produktion um eine Fabrik für den Beizenfarbstoff Alizarin erweitert. Nach seinem Tod verkauften seine Söhne 1891 die Alizarin-Fabrik und einen Teil des Werksgeländes in Wiesdorf an die „Elberfelder vorm. Friedr. Bayer & Co AG“. Damit war Carl Leverkus' Fabrik der Grundstein des heutigen Standortes der Bayer-AG in Leverkusen. Schlebusch leistete besonderen Widerstand. In einer Karikatur der Karnevalsgesellschaft Dhünberg finden sich die Kontroversen der Eingemeindungsverhandlungen wieder. Schlebusch übernimmt auf dem Bild die Rolle des störrischen Esels. Er kniet vor dem damaligen Wiesdorfer Bürgermeister Heinrich Claes und streckt dem damaligen Kölner Oberbürgermeister Konrad Adenauer sein Hinterteil entgegen.

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„Über den beiden Kontrahenten auf dem Dhünberg steht Wilhelm Marx, der letzte Gemeindevorsteher von Schlebusch“, erläutert der OGV. Und die Unterschrift lautet: „Der alte Sankta Michael im Himmel derbe spricht,/ So ein Eselsvieh wie in Schlebusch sah ich im Leben nicht./ Nach Westen lässt er sich zu Boden reißen/ auf meine Richtung tut es ...ßen/ Dabei macht noch sehr viel Herzeleid, / Daß der Dhünberg bewahrt die Selbstständigkeit!“.

Bei der Stadtgründung 1930 hatte sich Leverkusen verpflichtet, mindestens 15 Jahre im Rhein-Wupper-Kreis zu verbleiben. Am 20. Februar 1933 gingen die Lichter des markanten Bayer-Kreuzes an, schon ganz bald danach wurde es politisch finster.

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Drei Jahre nach der Stadtgründung ging das Wahrzeichen ans Netz.

Seit 1935 gingen die Wirtschaftsaktivitäten stark zurück. Sparten, die im Zweiten Weltkrieg nicht „wehrwichtig“ waren, blieben aus. Immerhin sorgte die Stadt Leverkusen mit Grundstücksankäufen dafür, dass die künftige Stadtentwicklung nach dem Krieg auf einer planerischen Basis stand.

Viel Geld floss in die Kreisumlage und die finanzielle Verpflichtung geriet immer mehr zum Hemmschuh für die kommunalpolitische Entscheidungs- und Bewegungsfreiheit. Wie der frühere Leiter der Statistik in Leverkusen, Gerd Nicolini, erklärt, finanzierte Leverkusen damals in manch einer bergischen Kommune Einrichtungen mit, die der Stadt selbst noch fehlten.

Leverkusen wird ausgegliedert

Als Mitte der 1950er Jahre der Landtag beschloss, Leverkusen auszugliedern, traf der Verlust des größten Nettozahlers den Kreis hart. Die nunmehr kreisfreie Stadt hatte bislang ungeahnten finanziellen Handlungsspielraum. Aber es gab da diesen großen Arbeitgeber, nach dessen Taktschlag die Musik spielte. Die von vielen Stadtbewohnern als „Bayer-Familie“ bezeichnete Verbindung hatte klare Hierarchien.

Der frühere Redaktionsleiter des Leverkusener Anzeigers, Alfred Nasarke, schrieb einmal: „Zuerst war das Werk, dann kam die Stadt – noch lange nicht.“ Bewegung in die Stadtentwicklung kam durch den Stadtmittevertrag Mitte der 1960er Jahre. Leverkusen-City nahm Kontur mit dem architektonisch progressiven Forum an, das jüngst 50 Jahre alt wurde. Die City C wurde gebaut, welche die Leverkusen im Oktober 1969 als „frisch eingepflanztes“ Herz feierten. Rhythmusstörungen gab es immer wieder.

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