Gute EnergiebilanzLeverkusener baut Ökohaus aus Strohballen

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Die Bauweise ist umweltschonend, das Haus wird einem Niedrig-Energie-Standard entsprechen, wenn es fertig ist.

Die Bauweise ist umweltschonend, das Haus wird einem Niedrig-Energie-Standard entsprechen, wenn es fertig ist.

  • Ein Haus aus Strohballen? Marcel Nießen aus Edelrath baut sich gerade ein Haus nur aus Naturmaterialien.
  • Wie das funktioniert, was er sich davon verspricht und ob er Angst vor Mäusebefall oder einer höheren Entflammbarkeit hat, erfahren Sie hier.
  • Wir haben den Naturpionier auf seiner Baustelle besucht.

Leverkusen – Marcel Nießens Grundstück an der Neuenhausgasse war für an ökologischer Technologie Interessierte vor zehn Jahren schon mal interessant.

Damals schüttete er einen riesigen Haufen gehäckseltes Holz in den Garten, einen riesigen Kompost. Über einen als Spirale eingebauten Wasserschlauch sollte der Haufen über Monate nachhaltig Heizwärme fürs Haus erzeugen.

Jetzt geht Nießen das Thema Wärme im Haus mit einer anderen Methode an, die aber auch unkonventionell ist: Er baut ein Strohballenhaus, das vielleicht erste seiner Art in Leverkusen. Strohballenhäuser werden komplett aus den lokal erzeugten und nachwachsenden Materialien Holz und Stroh gebaut.

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Das Stroh kommt vom nahen Leimbacher Hof, Freunde helfen auf der Baustelle und es sind Spezialisten engagiert, die die herkömmlichen Strohballen und Holzbalken zu einem Anbau ans alte Elternhaus zusammensetzen. Das Bauen mit Stroh ist im Bergischen Land von jeher nicht unbekannt, jedes Fachwerkhaus hat eine Menge davon in den Wänden verbaut, als Masse verklebt mit Lehm. Strohballenhäuser werden aber grundlegend anders konstruiert, die Außenwände und die Bodenplatte werden als hohle Holzkonstruktionen gefertigt und mit gepressten Strohballen dicht ausgelegt.

Das funktioniert, weil Strohballen quasi genormt sind – unterschiedlich lang, aber immer 35 Zentimeter hoch. So dick ist dann auch die Strohschicht in der Bodenplatte. Auf Marcel Nießens Baustelle ist man zur Zeit mit diesem Boden-Holz-Kasten beschäftigt. „Der Bodenkasten ist einfach wie eine große Zigarrenkiste aufgebaut, die mit Stroh vollgestopft ist“, sagt der Kölner Bauingenieur Martin Büchler, der sich auf diese Art Bauten spezialisiert hat.

Besondere Atmosphäre

Er schwärmt von der Atmosphäre in Stroh-Häusern, von deren Haltbarkeit und von den Dämmeigenschaften des Naturprodukts, während er die überstehenden Strohhalme mit einer Heckenschere kürzt. Das älteste Strohballenhaus, weiß er, steht in Amerika. Eine Kirche von 1903 im kalten Nebraska. Das älteste bekannte europäische Gebäude in Holz-Stroh-Bauweise steht in Frankreich, ein zweistöckiges Gebäude aus dem Jahr 1921, fast 100 Jahre alt. Es ist bis heute in Gebrauch.

Schimmel, Mäusebefall und Probleme mit Insekten seien die häufigsten Vorurteile, mit denen die Konstrukteure dieser auf ökologisch höchstem Standard stehenden Häuser zu kämpfen hätten, sagt der Bauingenieur Büchler, der im ersten Beruf Zimmermann gelernt hat. Das sei alles nicht problematisch. Mäuse siedelten etwa eher, wo es Nahrung gibt. In heutigem Getreidestroh seien aber fast keine Körner mehr zu finden. Es dürfte für eine Maus auch kein Vergnügen sein, sich durch fest gepresstes Stroh zu beißen, vermutet Nießen. Die Feuergefahr wird als niedrig eingestuft.

Gegen Feuchtigkeit hilft Luft: Der Bodenkasten von Nießens Haus liegt auf zwei Fundamenten. Etwa wie eine Zigarrenkiste, die auf zwei Bleistiften links und rechts aufliegt. Darunter zirkuliert die Luft frei – einen Keller bekommt Nießens Haus also nicht. Dafür hat der Leichlinger Architekt Dennis Harms, ebenfalls ein lokaler Stroh-Fachmann, ausgerechnet, dass der Neubau an der Neuenhausgasse Niedrig-Energie-Standard haben wird. Die Wandkonstruktionen werden als Fertigteile geliefert, sie kommen aus einem kleinen Betrieb in Ostdeutschland.

Nießen arbeitet als Integrationshelfer in der Hugo-Kükelhaus-Schule in Alkenrath, zur Zeit ist er in Kurzarbeit. Er sagt, das neue Haus sei nicht teurer als ein herkömmlicher Bau, die Baustoffe seien günstiger, dafür falle mehr Arbeitslohn an. „Ein Strohballenhaus wie dieses hier ist mittlerweile kein Experiment mehr, sondern anerkannter Standard“, betont Bauingenieur Büchler.

Das war bei dem Mega-Komposthaufen, der vor fast zehn Jahren im Garten lag, anders: Das Garten-Experiment funktionierte, aber nur bedingt, sagt Marcel Nießen, der sich damals als „Spät-Hippie“ bezeichnete. Die mit dem Bio-Meiler erzeugte Wärme reichte nur zum warm Duschen. Dafür gedeiht jetzt Gemüse auf bestem Boden. Nießen: „Wir nähern uns auf 200 Quadratmetern Garten für fünf Erwachsene und drei Kinder dem Status der Gemüse-Selbstversorgung an“, sagt er.

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