KG Rote Funken LeverkusenVoller Einsatz im Hintergrund – die Literatin

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Der karnevalistische Nachwuchs hat's drauf.

Der karnevalistische Nachwuchs hat's drauf.

Leverkusen – Man sollte meinen, ein Literat fristet während der Sitzung ein trauriges, zumindest wenig unterhaltsames Leben. Er steht jenseits des Geschehens, nicht mittendrin. Er muss ernst bleiben, während im Saal gelacht und gefeiert wird.

Und er muss ein waches Auge haben, um stets im Blick zu haben, ob der vorher akribisch ausgeklügelte Zeitplan auch wirklich hinhaut. Im Sitzungskarneval ist der Posten des Literaten derjenige mit Verantwortung.

Das Publikum ist begeistert – schließlich haben viele helfende Hände der KG Rote Funken im Hintergrund daran gearbeitet.

Das Publikum ist begeistert – schließlich haben viele helfende Hände der KG Rote Funken im Hintergrund daran gearbeitet.

Anke Timm gefällt die Rolle. Sie steht an der Garderobe des Forums, mobile Trennwände schirmen sie von den feiernden Narren ab. Im Ohr steckt Hightech: stets erreichbar dank Headset. Vor ihr die überholte Technik: Über einen Röhrenfernseher verfolgt Timm das Geschehen auf der Bühne, die von hier aus sehr weit weg zu sein scheint. In HD-Qualität ist das Bild natürlich nicht.

Auch wenn alles verschwommen erscheint, Timm weiß genau, was gerade im Inneren des Forums abläuft. Gerade kommt Prinz Thorsten I. der Einladung der KG Rote Funken nach, auf der Großen Sitzung aufzutreten. Der nicht immer tonsichere Gesang der Tollität dringt vom Saal ins Foyer, als die Gäste die Türen öffnen.

Wenn es im Saal gut läuft, haben sich all die liebevollen Vorbereitungen gelohnt.

Wenn es im Saal gut läuft, haben sich all die liebevollen Vorbereitungen gelohnt.

Sichtlich geschafft vom Scheinwerferlicht tritt Ingrid Kühne zwischen den Trennwänden hervor. Ein Glas Cola stillt den ersten Durst nach dem Auftritt. Karneval und lustig sein, das schlaucht durchaus. Bevor die Kabarettistin sich setzt, zeigt sie Anke Timm noch schnell eine SMS, die gerade im Postfach eingeht. „Du bist der Knaller“, steht darin.

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Beide Frauen lächeln. Auch für die Literatin ist dieses Lob wichtig. Sie nimmt sich vor, gleich auch den Saal zu betreten. „Um die Stimmung einzufangen“, sagt sie, die seit elf Jahren die Sitzungsprogramme gestaltet und seit 33 Jahren Mitglied der KG Rote Funken ist.

In dieser Zeit habe sich viel geändert, auch in Sachen karnevalistischer Emanzipation. Zotenhafte Witze ziehen auf der Herrensitzung nicht mehr. Die Männer wollen heute mehr Niveau in der Unterhaltung und ließen sich schneller zum Feiern bewegen als noch vor Jahren, sagt Timm. Die Herren gleichen sich an, wobei es noch ein weiter Weg ist, genau wie die Damen noch vor Beginn der Sitzung auf den Tischen zu tanzen. Der Prinz hat jedenfalls getanzt. Selbstbewusst zieht er singend durch die Tischreihen vor der Bühne. Der Kameramann hat Mühe, ihn nicht aus dem Blickfeld zu verlieren. Minutenlang dauert der Auszug des Karnevalsprinzen.

Philosophie am Glas

Ist auch das letzte Mitglied der Prinzengarde gegangen, erscheint die Bühne fast gänzlich leer. Ein einziger Mann, Volker Weininger, soll die Lücke nun füllen. In seiner roten Jacke und mit der Narrenkappe auf dem Haupt hätte man meinen können, er sei einer der Roten Funken. Doch stellt er sich an das Rednerpult, als wäre er die allerwichtigste Person im Saal: der Sitzungspräsident.

Ohne dass er was gesagt hätte, bringt eine junge Frau ein Glas Kölsch vorbei. Der Sitzungspräsident baut sich auf, Philosophie am Glas wird nun geboten. Er plaudert aus dem Nähkästchen, lästert gerne und immer wieder mischt sich ein kleines „Hicks“ in die Rede. „Der Hubert ist noch voller Lebensfreude. Andere kaufen in dem Alter keine grünen Bananen mehr“, sagt er. Das Publikum lacht.

Das größte Erfolgserlebnis des besagten Freundes sei es gewesen, seit 14 Tagen unfallfrei mit dem Auto unterwegs zu sein. Denn zum Alkohol greifen natürlich auch die Kollegen und Bekannten des Sitzungspräsidenten gerne.

Eltern mit einem „Globuli-Köfferchen“

Außer die Eltern in der Nachbarschaft, die aus jedem Kindergeburtstag ein großes Event gestalten würden. Genderneutrale Vogelscheuchen aus Dinkel basteln, das sei die Alternative zum klassischen Topfschlagen, das sich nun keine Eltern aus Angst vor Klagen mehr trauen würden. „Da sag ich: »Macht doch lieber Veganer-Roulette. Zehn falsche Frikadellen und eine richtige dabei«.“ Und zum Knabbern gibt es hinterher Meisenknödel, während die Eltern mit einem „Globuli-Köfferchen“ danebenstehen.

Literatin Anke Timm im Vorstand der KG Rote Funken Leverkusen

Literatin Anke Timm im Vorstand der KG Rote Funken Leverkusen

Es ist genau das, was das Publikum hören will. Wobei der Sitzungspräsident bei den jüngsten Ereignissen im Kölner Karneval natürlich aufgeschreckt und vorsichtig geworden ist. „Also bei dem Witz wären sie im Gürzenich schon aufgestanden“, lallt der Redner und leert ein weiteres Glas Kölsch. Man müsse trinken, bevor der Durst kommt. Das Publikum stimmt ihm zu – und steht tatsächlich auf.

Jubiläum 2021: 111 Jahre KG Rote Funken

Anke Timm macht sich gedanklich eine Notiz: Der Sitzungspräsident kommt an. Ob er auch 2020 im Forum auftreten wird, kann sie heute nicht mehr sagen. Längst kümmert sich die Literatin um die Sitzungen 2021, die für den Leverkusener Verein eine besondere Bedeutung haben werden. In diesem Jahr wird die Karnevalsgesellschaft 111 Jahre alt, was gebührend gefeiert werden soll.

Passend zum närrischen Jubiläum hat sich der Vorstand ein ehrgeiziges Ziel gesetzt. Bis zu den Karnevalstagen will der Verein mindestens 111 neue Mitglieder begrüßen. Angelehnt an der Einkommenssteuererklärung auf dem Bierdeckel liegen im Saal etliche Pappen aus, mit deren Hilfe man ganz einfach bei den Roten Funken eintreten kann. „Einige sind schon ausgefüllt zurückgekommen“, sagt Johannes Sudowe zufrieden, der bei den Roten Funken für den Kartenverkauf verantwortlich ist. Auch er sitzt an der Garderobe und lässt das Geschehen auf sich wirken.

Die Kleinigkeiten, die das Ganze ausmachen

„Wir hatten jedes Jahr eine Steigerung im Programm“, lobt er die Literatin und das Zusammenspiel in der KG. „Es ist eine tolle Möglichkeit, in der Gemeinschaft das Brauchtum zu feiern. Wir sind aber auch nach vorne gerichtet.“ Es sind die Kleinigkeiten, die das große Ganze ausmachen, findet Anke Timm. Wie die Dekoration an der Decke oder das ganz neue Feuerwerk auf der Bühne.

Viele Hände arbeiten bei den Roten Funken im Hintergrund.

http://rotefunken.de/

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