Konferenz in LeverkusenDigitale Arbeit bietet Chancen und weckt Ängste

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Andreas Tressin (links), Geschäftsführer des Arbeitgeberverbands Rhein-Wupper, und dessen Vorsitzender, Wupsi-Chef Marc Kretkowski.

Leverkusen – Digitalisierung ist das Schlagwort des Samstags für einige Arbeitnehmer und Arbeitgeber in Leverkusen gewesen. Sie folgten der Einladung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) und der Volkshochschule in Leverkusen zu einer zweiten Konferenz über „Arbeit und Leben“, diesmal zum Thema „Arbeitswelten im digitalen Umbruch – Herausforderungen und Chancen.“ Die Moderatorin der selbstverständlich digital abgehaltenen Konferenz, Carmen Schmalfeldt von Radio Leverkusen, leitete den Vormittag mit der steilen These ein, die Digitalisierung sei die tiefgreifendste Veränderung der Menschheitsgeschichte.

An diese Idee knüpfend setzten die sozialwissenschaftlich Forschenden Julia Massolle und Marvin Schäfer die Digitalisierung in eine historische Perspektive. Auch Industrie 4.0 genannt, könne die momentan ablaufende radikale Veränderung der Wertschöpfung in der Wirtschaft zur ersten industriellen Revolution zurückverfolgt werden. Zur kurzen Auffrischung: Nachdem einst Arbeit einsparende Maschinen wie der Webstuhl erfunden waren, folgte kurze Zeit später, im 18. Jahrhundert, die Etablierung der Massenproduktion am Fließband. Im dritten Schritt, erst vor 50 Jahren, begannen Elektronik und IT an Einfluss zu gewinnen. Etwa die Speicherprogrammierbare Steuerung, kurz SPS, ermöglichte schließlich die gegenwärtige Implementierung von Cyber-Physischen-Systemen. Konkreter äußert sich diese Entwicklung im Einsatz immer komplexerer Software, Spracherkennung, künstlicher Intelligenz und Robotertechnik. Soweit die gängige wissenschaftliche Einordnung.

Tressin fordert Autonomie

„Digitalisierung ist Herausforderung und zugleich Auftrag. Dem müssen sich die Unternehmen und die Mitarbeiter stellen“, forderte Andreas Tressin als Vorsitzender des Arbeitgeberverbandes der Metall- und Elektroindustrie in der entstandenen Diskussionsrunde. Er wolle jedoch weniger Gesetze dazu sehen. „Lasst es die Betriebe regeln“, lautete seine Devise, mit der er zugleich – und das spiele als neue digitale Herausforderung, wenn auch von anderer Seite betrachtet, immer wieder in die Diskussion ein – zu den aktuellen Corona-Auflagen für Betriebe abschweifte.

Mit seiner Meinung stand Tressin jedoch allein da. Angestellte im Konferenz-Publikum wie auch Maik Gössling als Mitglied des Personalrates der Leverkusener Stadtverwaltung forderten das Gegenteil: mehr Regulierung durch den Gesetzgeber. Gerade kleinere Unternehmen „ohne starke gewerkschaftliche Strukturen“ würden ansonsten nicht erreicht. Auch aus dem Publikum wurde Tressins Kurs als problematisch angesehen. Er lasse den Fachkräftemangel außer Acht, unter Umständen leistungsschwächere Beschäftigte zurück und stelle Arbeitszeit anstelle von Ergebnissen in den Vordergrund.

Es gibt viele Bedenken

Welche Sorgen Beschäftigte bei der Digitalisierung haben, zeigten am Samstag nicht nur wissenschaftliche Studien, sondern auch Umfragen, die von der Organisatorin Anna Kaliga (DGB) eingeflochten wurden. Die zunehmende Forderung nach steigender Qualifizierung der Belegschaft, die steigende psychische Arbeitsbelastung, auch verbunden mit der Flexibilisierung oder Begrenzung der Arbeitszeit. Schließlich fragt sich mancher, ob sein Arbeitsplatz in der „Industrie 4.0“ überhaupt noch gebraucht wird. Ein Rezeot könnte sein, dass die Arbeitgeber ihre Belegschaften früh in den digitalen Umbau des Betriebs einbinden.

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Oberbürgermeister Uwe Richrath, der am Samstag auch in seiner Rolle als Arbeitgeber auftrat, mahnte: „Wir dürfen die Lebensqualität nicht verlieren und auch keine soziale Kompetenz.“ So wie Nina Melches, Gewerkschaftssekretärin der IG Bergbau, Chemie und Energie, und VHS-Leiter Günter Hinken, warb der Sozialdemokrat für ein lebenslanges Lernen. Offenbar Einigkeit herrschte hierüber: dass es enorm wichtig ist, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer neugierig auf die Digitalisierung zu machen. Und das es genauso entscheidend ist, dieses Interesse immer weiter aufrecht zu erhalten.

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