Krise der Rettungsschwimmer in Leverkusen„Keine Zeit, kein Personal, kein Geld“

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DLRG-Rettungsschwimmer im Einsatz am Hitdorfer See. Das Bild stammt aus dem Jahr 2015.

Leverkusen – „Deutschland ist ein Land der Nichtschwimmer geworden“, klagt Stefan Markus, Bezirksleiter der DLRG Leverkusen. Immer weniger Menschen können schwimmen. Das ist gefährlich. Umso wichtiger ist es, dass Rettungsschwimmer zur Stelle sind. Doch der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) fehlen die Kapazitäten, Schwimmer und Rettungsschwimmer auszubilden – auch in Leverkusen. Die Gründe dafür häufen sich und bedingen einander.

Schwimm-Zeiten sind wegen Bad-Schließungen zu knapp

Markus fasst die Lage zusammen: „Wir haben keine Zeit, kein Personal, kein Geld und auch keine Bäder.“ Deutschlandweit schließen immer mehr Bäder – laut DLRG durchschnittlich 80 im Jahr. Dadurch fehlen Schwimm-Zeiten für alle. Die begrenzten Schwimm-Zeiten in Leverkusen müssen mit anderen Vereinen geteilt werden. So können weniger DLRG-Kurse angeboten werden.

Dabei geht es nicht nur um Kurse für Schwimmer, sondern vor allem für Rettungsschwimmer. Sie werden an Gewässern eingesetzt, um im Notfall Menschen aus dem Wasser zu retten. In Leverkusen sichert die DLRG vor allem den Rhein und zugelassene Badeseen wie den Hitdorfer See.

Was heißt eigentlich sicheres Schwimmen?

Wer ein Schwimmabzeichen hat, kann grundlegend schwimmen. Zur Sicherheit sollte aber auf noch mehr geachtet werden. Am wichtigsten sei es, sich selbst einschätzen zu können, sagt Andre Hornig. Nicht nur die Schwimmkenntnisse spielen da mit rein, sondern auch der körperliche und geistige Zustand sowie das Wetter zu dem Zeitpunkt. So weit wie rausgeschwommen wird, muss auch zurückgeschwommen werden.

Auch das Gewässer, in das man geht, sollte man einschätzen können. Zugelassene Badestellen sind nicht nur besser einzuschätzen, sondern auch von Rettungsschwimmern bewacht. Außerdem gilt: wer sicher sein will, muss aufmerksam sein. Das heißt, Strömungen, Hindernisse und andere Schwimmer müssen beachtet werden. Vor allem aber sollen Kinder nicht aus den Augen gelassen werden. Häufig können sie sich selbst nicht richtig einschätzen, deshalb müssen das die Erwachsenen übernehmen.

Um diese Aufgabe übernehmen zu können, muss neben einem Erste-Hilfe-Kurs das Rettungsschwimmabzeichen Silber gemacht werden. Die DLRG ist die einzige Organisation in Deutschland, die das Abzeichen abnehmen darf. Dementsprechend ist die Ausbildung ein Schwerpunkt der Arbeit. Und wenn nicht genügend Schwimm-Zeiten zur Verfügung stehen, verzögert sich diese Arbeit.

Wenig Personal für die Wachposten

Dabei brauche die Organisation dringend aktive Rettungsschwimmer, sagt Andre Hornig, stellvertretender Bezirksleiter. Unter den 850 Mitgliedern in Leverkusen seien nur noch knapp 60 aktiv in der Ausbildung, im Einsatz oder organisatorisch. Das sei nicht genug. Im Sommer hätten Hornig und Markus Schwierigkeiten gehabt, die Wachplätze zu besetzen. Der Personalmangel in den Leverkusener Freibädern hatte dazu auch beigetragen.

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Andre Hornig (v. l.), Stefan Markus und Tobias Gedowski von der DLRG Leverkusen.

Während der Saison hatte zwar nur das Freibad im Wiembachtal geöffnet, der Außenbereich des Calevornia blieb geschlossen, doch die Bäder brauchten zusätzliches Personal und fragten bei der DLRG nach. Rettungsschwimmer der Organisation arbeiten ehrenamtlich, im Wiembachtal konnten sie etwas dazuverdienen. Dafür hatten die Bezirksleiter Verständnis, trotzdem erschwerte es ihnen die Lage.

Ein Hoffnungsschimmer ist jedoch das Jugend-Einsatz-Team (JET), so Hornig. Viele von ihnen würden gerade ihre Silber-Abzeichen machen. Der Nachwuchs sei dann hoffentlich nächstes Jahr einsatzbereit.

Als ehrenamtlicher Verein fehlt das Geld an vielen Stellen

Doch der Verein benötige auch mehr Geld, teilt Markus mit. Das Material wie Rettungsgeräte und Boote koste viel Geld und müsse immer wieder aufgefrischt werden. Neben den Mitgliedsbeiträgen gebe es wenige Einkünfte, weshalb der Verein dringend auf Spenden angewiesen sei. „Ich will nicht sagen, dass wir unsere Arbeit sonst stilllegen müssen, aber wir müssen sie stark einschränken“, warnt Markus. Und das würde weniger Sicherheit an und im Wasser bedeuten.

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Das DLRG/Nivea Kindergartenprojekt soll Kinder spielerisch beibringen, wie sie sicherer baden.

Die aktuellen Krisen sind bei diesen Entwicklungen auch zu spüren. Während der ersten Corona-Lockdowns konnten Kurse teilweise gar nicht stattfinden, danach nur stark eingeschränkt. Das sei noch zwei Jahre später zu merken, meint Hornig. Interessierte, die sich für 2020 für einen Rettungsschwimmerkurs angemeldet hatten, seien jetzt erst fertig geworden, da er immer wieder unterbrochen werden musste.

Auch die Energie-Krise beeinflusse die Lage. Wie bei vielen Privathaushalten und Organisationen bedeutet sie vor allem finanzielle Einbuße. Strom, aber auch Sprit für die Einsatzboote sind nun deutlich teurer. Hornig sieht zumindest den Vorteil, dass die Wachsaison an Seen und Rhein jetzt vorbei ist. Im Winter würde weniger Geld benötigt, da beispielsweise keine Boote mehr eingesetzt werden. „Aber auch nächstes Jahr müssen wir dann schauen, ob wir vielleicht nur noch ein statt zwei Boote einsetzen“, ergänzt Hornig.

Warteliste für Seepferdchen-Kurse sind viel zu lang

Gerade weil die Situation der Rettungsschwimmer so brenzlig ist, ist sicheres Schwimmen wichtig. Doch all diese Einschränkungen führen auch dazu, dass die DLRG nicht genügend Schwimmkurse anbieten kann. Dabei sei das Interesse da, Schwimmen zu lernen. In Leverkusen stehen alleine bei der DLRG 525 Kinder auf der Warteliste, um das Schwimmabzeichen Seepferdchen machen zu können. Das sind runtergebrochen circa fünf Jahre Wartezeit, erklärt Hornig.

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Gemeinsame Übung von DLRG und Bundespolizei auf dem Rhein bei Hitdorf im Jahr 2018

Um Kinder trotzdem zu informieren, bietet die DLRG Leverkusen in Kooperation mit Nivea ein Projekt an. Kindergärten können den Verein dafür anfragen. Spielerisch werden den Kindern dann Rettungsgeräte gezeigt, Baderegeln beigebracht und Gefahren verdeutlicht, erzählt Tobias Gedowski, Beauftragter des DLRG-Event-Teams. So lernen auch Kinder, die noch keinen Platz in einem Schwimmkurs haben, erste wichtige Punkte.

Die DLRG Leverkusen versuche also weiterhin, für sicheres Schwimmen zu sorgen, doch ohne mehr Geld, Schwimm-Zeiten und Rettungsschwimmer bleibt es eine große Herausforderung.

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