Leverkusener Trauerbegleiterin„Es ist schön zu sehen, wie stark Menschen sein können“

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Trauerbegleiterin Brigitte Zöll im Hospiz Bruchhauser Straße.

Leverkusen – Das Büro von Brigitte Zöll in Leverkusen-Steinbüchel wirkt einladend: Durch das Fenster scheint die Märzsonne auf Topfpflanzen, helle Holzmöbel und drei im Kreis angeordnete Korbsessel. Hier, im Hospiz Leverkusen, empfängt die Hitdorferin Menschen, die mit ihr über ihre Trauer reden, die der Verlust von Ehepartnern, Eltern oder Freunden ausgelöst hat. Brigitte Zöll ist Trauerbegleiterin, seit acht Jahren begleitet sie ehrenamtlich Menschen durch ihre Lebenskrisen. Was macht diese Arbeit mit einem Menschen, der permanent vom Tod umgeben ist? Wie verändert sich die Perspektive auf das Leben?

„Man lernt Kleinigkeiten wertzuschätzen: ein sonniger Tag wie heute, die Natur, Begegnungen mit Freunden“, sagt Brigitte Zöll und blickt aus dem Fenster. „Man lernt, dass das alles nicht selbstverständlich ist.“

„Habe mir gewünscht, mit jemanden Neutrales sprechen zu können.“ 

Schon früh in ihrem Leben wurde Zöll mit dem Tod konfrontiert. Als sie 21 war, starb ihre Mutter an Brustkrebs. „Damals habe ich mir gewünscht, dass ich mit jemandem Neutrales sprechen kann.“ Heute ist die 53-Jährige selbst diese Person.

Vor zehn Jahren sieht sie eine Zeitungsannonce des Hospiz. Dort sucht man Sterbebegleiterinnen. Zöll ist interessiert, doch sie zögert zunächst, traut sich die große Verantwortung nicht zu. Erst nachdem sie eine weitere Annonce sieht, meldet sie sich dort und macht eine Ausbildung zur Sterbebegleiterin. Zwei Jahre später bildet sie sich zur Trauerbegleiterin weiter. Heute ist sie Leiterin der Trauerarbeit im Hospiz, nach wie vor ehrenamtlich. „Das Schöne an dieser Arbeit ist, zu sehen, wie stark Menschen sein können. Wie sie ihre Trauer überwinden und zurück ins Leben finden“, sagt Zöll.

Corona veränderte die Trauerarbeit

Als Trauerbegleiterin gehe es darum, die Menschen auf diesem Weg zu unterstützen. „Man muss zuhören können, der Trauer Raum geben. Aber auch versuchen, neue Perspektiven aufzuzeigen.“ Früher, erklärt Zöll, habe man gesagt, der Trauernde müsse den Toten loslassen. „Aber warum sollte man das tun? Das war ja ein wertvoller Mensch“. Stattdessen gehe es in der Therapie darum, dem Toten einen neuen Platz im Leben zuzuordnen, sich an die schönen gemeinsamen Momente zu erinnern und daraus Kraft zu ziehen.

„Trauer“, sagt Zöll „braucht ein Gegenüber. Man muss von ihm oder ihr erzählen können, nur dann wird es besser.“ Dieses Gegenüber fehlte während der Corona-Pandemie oft. „Deswegen wussten die Menschen im Lockdown, als sie niemanden mehr sehen durften, nicht mehr wohin mit ihrer Trauer.“

„Die Sehnsucht andere Menschen zu treffen, war groß“

Viele von ihnen landeten bei Brigitte Zöll. Die Anfragen vervielfachten sich. Für die 32 ehrenamtlichen Trauerbegleiter im Hospiz eine große Herausforderung. Während früher vor allem alte Menschen über 70 bei ihr waren, sind seit Corona auch immer mehr Junge bei ihr. Auch die Nachfrage nach Gruppenangeboten ist gestiegen. „Die Sehnsucht, andere Menschen zu treffen und dabei zu erkennen, dass man mit seinem Verlust nicht allein ist, war groß“, sagt Zöll.

Doch belastbar muss man als Trauerbegleiterin ohnehin sein. Der richtige Spagat zwischen Empathie und Abstand sei zentral: „Mitgefühl“, sagt Zöll „ist wichtig. Aber die Trauer darf nicht zum eigenen Gefühl werden.“ 

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Es sei eine intensive Verbindung, die Zöll mit vielen ihrer Patienten eingeht, das schätze sie. Wie lang die Begleitung dauere, und wie viele Sitzungen es brauche, sei sehr unterschiedlich. „Wir arbeiten da nicht nach Schema F, sondern richten uns nach den Bedürfnissen der Trauernden.“ Zwischen zwei Terminen und mehreren Jahren Trauerarbeit sei alles dabei. 

Dabei achtet Zöll darauf, nicht zum Ersatz für den Toten zu werden. Das sei wichtig. Nicht nur für sie, sondern auch für die Trauernden, denen der Weg in ein selbst bestimmtes Leben gezeigt werden soll.  „Mit der Zeit wandeln sich die Gesprächsthemen. Wenn die Trauernden nicht mehr nur über den Toten, sondern über neue Hobbys oder ihre Nachbarn reden, merke ich, dass es besser wird.“ Der Weg zurück ins Leben ist dann bereitet. Brigitte Zöll hat ihre Aufgabe erledigt.

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