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Leverkusens letzter Metzger„Lernen, dass das Schnitzel nicht aus dem Karton kommt“

Lesezeit 6 Minuten
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Bert Emundts in seinem Laden in Wiesdorf.

  • Bert Emundts ist einer der letzten Metzgermeister Leverkusens.
  • Wo liegen die aktuellen Schwierigkeiten in der Branche? Und warum zerlegt er Schweinehälften als Event?
  • Ein Interview über Burger, Bio und Billigfleisch.

Leverkusen – Fleischer mit Herz und Seele: Der 72-jährige Bert Emundts ist einer der letzten Metzgermeister in Leverkusen. In den 70er Jahren gab es noch 26 produzierende Betriebe, mittlerweile sind nur noch drei übrig geblieben. Ein Gespräch über die Zukunft der Branche, warum er keine Burger mag und er Schweinehälften vor Publikum zerlegt.

Was halten Sie von Produkten, die aussehen wie Fleisch, aber nicht aus Fleisch bestehen, beispielsweise Burger von „Beyond meat“?

Haben Sie das mal probiert?

Nein, diese Marke noch nicht, aber ab und an kaufe ich solche Produkte.

Wissen Sie, wenn ich über Fleisch-Imitationen reden soll, dann kann das nicht gut sein. Ich möchte kein künstlich hergestelltes Produkt essen, wo man mir weismachen will, das würde meinen Gesundheitszustand verbessern. Das ist ein riesen Geschäft, das davon lebt, dass junge Leute darauf reflektieren….

Sie wollten doch bestimmt „reinfallen“ sagen!

Ich sage bewusst nicht „reinfallen“. Wenn Sie mich fragen, wie ich zu Vegetariern stehe: Ich respektiere das. Wissen Sie, jeder Mensch soll nach seinem Heil leben. Ich kann nur sagen: Die Menschen haben heute viel zu wenig Ahnung von den Auswirkungen, wenn man sich auf Dauer vegetarisch ernährt. Was Burger betrifft: Ich bin kein Freund von Burgern, ich bin aus einer anderen Generation. Meine Frau ist die Tage mit mir Burger essen gegangen. Ich sag Ihnen was: Mir war zwei Tage lang schlecht danach. (verzieht das Gesicht) Dieser Burger war eine Matsche von verschiedenen Soßen, Tomaten, Blattsalat, ein durchgeweichtes Brötchen. Das Fleisch liegt da, bei Küchentemperaturen, vielleicht 20 Grad – wohlwollend. Wenn Sie so etwas den ganzen Tag liegen lassen…. Das hat mit meinem Hackfleisch, was ich als Fachmann herstelle, nichts zu tun. Bakteriologisch kann ich so etwas nicht vertreten.

Was ist denn Ihr Lieblingsessen?

Ich esse gerne Schweinebauch. Das schmeckt gut auf dem Grill, gekocht, auch kalt aufs Brot. Ich brauch da nicht immer ein Filet. Ich esse natürlich auch mal gerne Rumpsteak, klar.

Wie hat sich das Kauf- und Kochverhalten der Menschen in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten verändert?

Früher wurde am Montag aufgewärmt, was es am Sonntag gab. Am Dienstag gab es Kohl oder Eintopf, da hat man auch schonmal ein Schweinerippchen dazu gemacht oder ein falsches Kotelett: All dieses Wissen ist verloren gegangen. Wenn man diese Dinge nicht mehr kochen kann, hat man auch das Problem, dass ein Tier nicht mehr komplett verwertet wird. Man kennt nur noch die Edelteile: Schnitzel, Kotelett, Filet. Man fährt nach Köln zum Brauhaus, um eine Schweinshaxe oder ein Hämmchen zu essen, aber man kann es selbst nicht mehr machen.

Ein Kilo Schweinefleisch im Discounter für drei Euro: Ist das Ende der Preisspirale nach unten erreicht oder wird das so weitergehen?

Ich hoffe, dass der Kunde irgendwann erkennt, dass es ein Lebensmittel zum Schleuderpreis nicht geben darf. Wir wollen doch alle ein natürliches Lebensmittel, das hygienisch einwandfrei hergestellt ist und von Fachpersonal verkauft wird und nicht von Leuten, die keine Ahnung haben: Das kostet Geld. Wenn ich das Kaufverhalten der Deutschen mit den Franzosen vergleiche: Die haben einen ganz anderen Anspruch zu kochen. Die kommen in den seltensten Fällen auf die Idee, einfach nur billig, billig, billig zu kaufen.

Was halten Sie von der Biobranche? Könnte das eine Möglichkeit sein, wieder mehr Wertschätzung für das Produkt zu „wecken“?

Hm (überlegt). Ich stehe den Sachen kritisch gegenüber. Weil ich die Wertigkeit dessen, was die „normalen“ bäuerlichen Betriebe leisten, nicht unter Wert schätze. Die Betriebe hier vor Ort machen auch eine ordentliche Arbeit. Und ich muss mich nicht unbedingt einer Werbegruppe anschließen, die mich vermarktet. Wir haben immer wieder erlebt, dass die Leute, die auf dem Land leben und ihr Fleisch schlachten, kein Bio brauchen. Die haben das alles. Der Bauer wird zusätzlich zu den Belastungen, die er hat, zur Kasse gebeten. Das schmälert insgesamt den Profit.

Bio ist für Sie also eine Marketingstrategie?

Ja, das sehe ich so. Keine Frage. Es gibt viele Leute, die der Sache Glauben schenken. Und auf der anderen Seite weiß ich, dass es genügend Betriebe gibt, die sich Bio nennen und neben mir einkaufen. Da muss ich ehrlich sagen: Da kann ich an nichts mehr glauben.

Wie könnte man bei jungen Menschen die Wertschätzung für die Bauern steigern und das Interesse und Verständnis für die landwirtschaftliche Welt wecken?

Die jungen Leute müssen erstmal erkennen, dass ein Schweineschnitzel nicht aus dem Karton kommt. Sondern, dass das ein Tier war, das vernünftig und fachgerecht aufgezogen worden ist, friedlich gelebt hat, vernünftig geschlachtet wurde, unter humanen Umständen – denn das kostet auch Fleischqualität.

Wie stellen Sie sicher, dass Sie Fleisch kaufen, das Ihren Kriterien entspricht?

Indem ich seit 50 Jahren die gleichen Lieferanten habe

Kennen Sie auch die Höfe?

Natürlich. Es ist alles nachvollziehbar, bis in den letzten Stall rein. Jedes Schwein hat ein oder zwei Ohrmarken, es lässt sich alles hundert Prozent nachvollziehen, wo sie aufgewachsen sind und geschlachtet worden sind. Sie wollen ausbilden, finden aber keine Bewerber: Woran liegt das? Die Leute gehen ja gerne den bequemen Weg. Der Fleischer muss morgens früh aufstehen können, er muss belastbar sein und muss jemand sein, der Lebensmittel liebt. Handwerk hat auch immer mit Arbeit zu tun. Die Konsequenzen sind für eine Gesellschaft unverantwortlich: Sie finden bald keinen Handwerker mehr – ob jetzt Bäcker, Fleischer oder Elektriker. Für den Verbraucher bedeutet das, in Zukunft wird es nur noch industriell hergestellte Produkte und weniger Metzgereien geben. Das ist eine sehr schlechte Entwicklung.

Für Sie ist es bestimmt nicht schlecht, wenn die Konkurrenz den Laden dicht machen muss.

Das sehe ich nicht so. Konkurrenz belebt das Geschäft. Ich kann mich da nicht darüber freuen, dass ich quasi fast ein Monopolist bin. Mir geht es darum, dass die Nahversorgung der Bevölkerung gesichert ist. Wir hatten früher viel mehr Bauernhöfe um uns herum. Diese Verbindung zwischen Bauer und Metzger, die es über Jahrhunderte gab, die fehlt jetzt – jetzt gibt es große Zerlegebetriebe, die sammeln das Fleisch ein, die Leute bekommen anschließend ihren Scheck und wissen gar nicht, was mit dem Fleisch passiert.

Wie wird die Branche in zehn Jahren aussehen? Wird es Metzger noch geben?

Auf jeden Fall. Es gibt – verstärkt im süddeutschen Raum – junge Leute, die das Berufsbild auf eine neue und authentische Art und Weise interpretieren, die zeigen dem Kunden beispielsweise, wie das Fleisch zerlegt wird. Das machen wir auch. Letztens hatten wir den Mercedes-Club von Köln hier, mit 40 Autos, dem haben wir gezeigt, wie ein halbes Schwein zerlegt wird. Wo kommt ein Schnitzel her? Wo sitzt das Filet? Was ist der Unterschied zwischen einer Haxe und einem Hämmchen?

Das Interesse der Menschen ist schon da?

Natürlich! 

Bert Emundts hat eine klassische Metzgerausbildung durchlaufen. Mit 22 Jahren hat er sich selbstständig gemacht und betreibt einen Laden in der Dhünnstraße 133 in Wiesdorf. Gebürtig kommt er aus dem Raum Aachen, lebt aber seit 50 Jahren in Leverkusen.

www.emundts.de

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