Nach Explosion in LeverkusenCurrenta leitete Insektengift in den Rhein

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Viele Tonnen Wasser und Schaum wurden am 27. Juli in Bürrig gebraucht, um den Großbrand nach der Explosion zu löschen. Bei der Entsorgung hatte Currenta entgegen erster Behauptungen Probleme.

Leverkusen – Nach der Explosion in Bürrig ist Gift in den Rhein gelangt. Das bestätigte Currenta am Sonntag auf Anfrage. Zur Ursache dafür, dass bis zu 70 Kilogramm des in Deutschland verbotenen Insektengifts Clothianidin in den Fluss gelangten, hieß es: In der benachbarten Kläranlage in Bürrig könne dieser Stoff nicht abgebaut werden. Tatsächlich hatte das Landesamt für Natur, Verbraucher und Umweltschutz im Abwasser des Klärwerks deutlich erhöhte Clothianidin-Werte gemessen. Ursache ist die Explosion und der anschließende Großbrand am Sondermüllofen. An der Unglücksstelle seien die noch vorhandenen Flüssigkeiten aus dem Tank mit dem belasteten Löschwasser aufgefangen und später ins Klärwerk abgelassen worden.

Chempark-Chef Lars Friedrich hatte es auf Nachfragen in der Öffentlichkeit bisher bei der Aussage belassen, das Löschwasser sei aufgefangen und ordnungsgemäß entsorgt worden. Von einer Einleitung giftiger Reste in den Rhein war nicht die Rede. Auch die Wasserwerke wurden nicht alarmiert. In den Niederlanden, wo fünf Millionen Bürger mit aufbereitetem Rheinwasser versorgt werden, sorgt das für Ärger. Zwar gibt es für Clothianidin keinen Grenzwert; Experten des BUND vergleichen den Stoff aber mit Imidacloprid, für das extrem niedrige Werte gelten. Das Lanuv hat einem Bericht zufolge im Abwasser des Klärwerks 120 Mikrogramm Clothianidin gemessen. Das ist das 60.000-fache dessen, was an vergleichbarem Imidacloprid erlaubt wäre. Darüber, ob der Vergleich zwischen Clothianidin und Imidacloprid zulässig ist, machte Currenta keine wertenden Angaben: Es gebe nur Orientierungswerte, die zu jeder Zeit unterschritten worden seien.

Zu viel für einen Abtransport

Auch die gewässerschädliche Perfluoroctansulfonsäure fiel dem Lanuv auf – sie ist typisch für Löschschaum. Dazu hieß es von Currenta, man habe einen Abtransport statt einer Einleitung in den Rhein erwogen. „Das war aufgrund der anfallenden Mengen allerdings nicht möglich.“ Am 27. Juli waren über mehrere Stunden jeweils gut 35.000 Liter Löschwasser pro Minute eingesetzt worden, um den Großbrand auszubekommen. Wegen der Vermischung mit den Chemikalien im Tanklager sei das Abwasser kontaminiert worden. In dieser Gefahrenlage habe sich der Krisenstab dazu entschieden, die aufgefangenen Wassermengen in der Kläranlage zu behandeln, von wo aus sie in den Rhein geflossen seien.

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Darüber sei die Überwachungsbehörde informiert worden. Nur durch diese Maßnahme habe ein Großteil der Schadstoffe aufgefangen werden können. Allerdings seien so auch Stoffe in die Kläranlage gelangt, die dort nicht hätten abgebaut werden können. «Wir bedauern dies, hätten in der damaligen Gefahrenlage aber keine andere Option gehabt, mit der das Wasser nicht in den Rhein gelangt wäre», rechtfertigte sich Currenta.

Gefährlicher Fund in den Niederlanden

Im Juli und August sei erstmals Clothianidin in Proben gefunden worden, berichteten niederländische Wasserwerke. Dort werden rund fünf Millionen Personen mit aufbereitetem Rheinwasser versorgt. Gerard Stroomberg, Direktor des Verbandes der niederländischen Rhein-Wasserwerke, sieht wegen der zeitlichen Übereinstimmung einen Zusammenhang mit der Einleitung in Leverkusen. «Wir wundern uns, dass Currenta diese Stoffe nicht in Anlagen für Sondermüll entsorgt hat», sagte er dazu dem WDR.

Besonders ärgerlich sei, dass Currenta die zuständige Internationale Kommission zum Schutz des Rheins nicht über die Einleitung der Giftstoffe informiert habe. «Wir hätten die Aufnahme von Rheinwasser stoppen können, um unsere Verbraucher zu schützen.»

Currenta teilte mit, das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (LANUV) habe bei seinen Analysen keine Grenz- oder Richtwert-Überschreitungen festgestellt. Von den Behörden sei kein Rheinalarm ausgelöst worden. (mit dpa)

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