Long-Covid-Sportkurs in LeverkusenJupp trifft die Dart-Scheibe plötzlich nicht mehr

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Werfen und fangen auf wackligem Untergrund: Hans-Peter Gierden (v.r) trainiert mit Christina Heck im Hintergrund werfen sich Irene Schemann und Jupp Eigen die Frisbee zu.

Leverkusen – Jupp Eigen spielt leidenschaftlich Darts. „Jetzt treffe ich nicht mal mehr die Scheibe.“ Christina Heck ist 28 Jahre jung und steht mitten im Leben. „Dann konnte ich nur noch den ganzen Tag schlafen.“ Irene Schemann ist mit 82 Jahren topfit. „Aber die Halsschmerzen gehen einfach nicht weg.“

Verbunden durch Long-Covid

Das ungleiche Trio verbindet eines: Sie alle waren an Covid-19 erkrankt und kämpfen bis heute mit den Folgen. Gemeinsam mit den Dreien steht Hans-Peter Gierden auf der Wiese hinter der Herbert-Grünewald-Halle. Sie balancieren auf Luftkissen und werfen sich gegenseitig Frisbees zu. Der Mann, den alle nur HP nennen, ist der Trainer der ersten Long-Covid-Gruppe, die der TSV Bayer Leverkusen vor Kurzem ins Leben gerufen hat.

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Sabine Bauer ist die Ressortleiterin des Reha-Sport beim TSV.

Schon länger gibt es im Verein eine Lungensport-Gruppe, in der auch viele Corona-Genesene trainieren, deren Lunge die Erkrankung nicht gut überstanden hat. „Aber die Krankheit hat so viele verschiedene Folgen, da wollten wir eine eigene Gruppe anbieten“, sagt Sabine Bauer, Ressortleitern der Rehasport-Abteilung. Welche das alles sind, das lernt auch Gierden gerade erst im Detail: „Wir besprechen vor jeder Stunde, was die aktuellen Probleme sind.“ Und die Liste ist lang: Erschöpfung, Konzentrationsprobleme, fehlende Balance und Koordination, körperlicher Abbau durch lange Isolation.

Gleich zwei Mal erkrankt

Die ausgeprägteste Erfahrung mit Covid-19 hat Jupp Eigen. Der 60-Jährige ist nicht nur einmal, sondern bereits zweimal an Corona erkrankt. Beim ersten Mal, im April 2021, hat es seine bereits vorerkrankte Lunge schwer erwischt. „Damals stand ich kurz vor der Intensivstation“, erzählt Eigen. Später ließ er sich doppelt impfen. Und infizierte sich im März dieses Jahres dennoch erneut. Dieses Mal ging die Infektion nicht auf die Lunge, er hatte eigentlich gar keine Symptome. Hier hat ihn die Impfung möglicherweise gerettet. Doch als der zweite Strich auf dem Test verschwand, passierte das gleiche mit seiner Konzentrationsfähigkeit.

Darts als Gradmesser

Nun ist der perfekte Darts-Wurf sicher nicht lebensnotwendig, für Eigen ist es aber ein guter Gradmesser, wie es um seine Gesundheit bestellt ist. Dass seine Konzentration nicht ausreicht, um die Scheibe für die Dauer des Wurfes zu fokussieren und zumindest in irgendeinem Feld zu treffen – Eigen schüttelt den Kopf. „Aber ich merke jetzt, dass es besser wird.“ Die Scheibe kommt wieder in greifbare Nähe.

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Nach sechs Wochen im Long-Covid-Kurs merkt auch Christina Heck Erfolge. „Ich bekomme meinen Alltag wieder geregelt und kann arbeiten gehen“, berichtet die 28-Jährige. Das war nach ihrer Infektion im Februar undenkbar. „Ich war sechs Wochen krankgeschrieben. Während der Infektion ging es mir gar nicht so schlecht. Aber ich konnte einfach nur noch den ganzen Tag schlafen. Ich habe es nicht geschafft, zehn Minuten spazieren zu gehen.“ Schließlich geht sie wieder arbeiten, merkt aber, dass es ihr extrem schwer fällt, sich zu konzentrieren. Im Internet wird sie auf den neuen Kurs aufmerksam.

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Hans-Peter Gierden, HP genannt, leitet die Long-Covid-Sportgruppe beim TSV. 

„Das Schöne ist, dass immer gefragt wird: Wie ist es euch nach der letzten Stunde ergangen? Was hat euch geholfen? Und dass darauf individuell reagiert wird“, sagt Heck. Auch wenn sie mit weitem Abstand die Jüngste ist, motiviert die Gruppe sie. „Es tut auch gut, Erfahrungen auszutauschen und zu sehen, dass man mit seinen Problemen nicht alleine ist.“

Nach der Isolation wieder Lachen können

Darum geht es auch Hans-Peter Gierden: „Zu Bewegung motivieren und Körper und Geist beanspruchen, ohne den Einzelnen zu überfordern. Daran hat auch Irene Schemann Spaß. Ob Memoryspiel mit kurzen Laufeinheiten oder Tennisbälle mit dem Joghurtbecher fangen gegen die Halsschmerzen helfen, die sie plagen, ist ungewiss. In jedem Fall aber hilft der Kurs, die 82-Jährige nach der dreiwöchigen Isolation wieder unter Menschen und zum Lachen zu bringen. Die Sache mit dem Joghurtbecher hat sie in ihrer ersten Stunde auf jeden Fall schon drauf. Und die Namen ihrer Mitstreiter auch.

Der Long-Covid-Kurs beim TSV Leverkusen findet donnerstags von 14.30 bis 15.50 Uhr statt, ein Einstieg ist jederzeit möglich. Der Kurs ist in der Reha-Abteilung des Vereins angesiedelt und richtet sich auch an Nicht-Mitglieder, allerdings muss eine ärztliche Verordnung vorliegen. Genauere Informationen im Internet oder bei Ressortleiterin Sabine Bauer unter Tel: 0214 / 868 00 35.

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