Offener BriefFamilie von Leverkusener Aktivist wirft NRW Hetze vor

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Leverkusen – Die Familie des tödlich verunglückten Leverkusener Bloggers Steffen Meyn hat in einem offenen Brief schwere Vorwürfe gegen die NRW-Landesregierung erhoben. Meyn war bei Filmarbeiten am 19. September während einer polizeilichen Räumung im Hambacher Forst aus etwa 20 Metern von einer Hängebrücke gestürzt und erlag kurz darauf seinen schweren Verletzungen. Das Holz der zwischen zwei Baumhäusern gespannten Traverse, so hatte es die Untersuchung ergeben, war an der Unglückstelle brüchig und hatte daher nachgegeben.

In dem Brief, der namentlich an Ministerpräsident Armin Laschet und Innenminister Reul geschickt wurde, wirft die Familie der Regierung vor, sich pietätlos verhalten und den Tod des Journalisten als Stimmungsmache gegen die Aktivisten benutzt zu haben. „Aussagen von Landespolitikern und das Verhalten von Behörden haben unsere Trauer und unseren Schmerz verstärkt. Und wir möchten nicht stehen lassen, was im Zusammenhang mit Steffens Tod vonseiten der Landesregierung veröffentlicht wurde", heißt es in dem zweiseitigen Schreiben, das auf den 26. November datiert ist.

Gegen Willend der Eltern obduziert

Darin prangern die Hinterbliebenen vor allem die Pietätlosigkeit im Umgang mit dem Toten an. Der Leichnam sei „ohne Begründung“ und „gegen den Willen“ der Eltern obduziert worden, obgleich es keinerlei Hinweise auf eine mögliche Fremdeinwirkung gegeben habe. Diese „völlig überflüssige und rechtswidrige Störung der Totenruhe belastet uns sehr“.

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Die Aussage von Innenminister Reul, die Erbauer der Baumhäuser seien Schuld am Tod des 27 Jahre alten Studenten sei „unerträglich“. Reul habe das Unglück benutzt, um gegen die Baumhausbewohner zu „hetzen“. Seine Behauptung, Aktivisten hätten hämische Bemerkungen über den Tod des Journalisten gemacht, „stellt eine unerhörte und nachweislich falsche Aussage dar“. Trotz „klarer Beweislage“ habe Reul diese Behauptungen auch Wochen nach dem Unglück wiederholt.

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Dass die Gedenkstätte, die im Wald errichtet worden war, aufgrund der Fortsetzung der Räumung schon wenige Tage später wieder entfernt wurde, habe man als „ungeheuer pietätlos uns rücksichtslos“ empfunden. Dass die anschließend wieder errichtete Gedenkstätte nun von RWE-Mitarbeitern erneut entfernt worden sei, „macht uns fassungslos“. Der Essener Energiekonzern hatte die Räumung am vergangenen Samstag in einem Tweet bestätigt und das „Versehen“ bedauert.

Die Familie beklagt, dass die Landesregierung nicht zuerst die Entscheidung des Oberlandesgerichts zum Rodungsstopp und die Ergebnisse der Kohlekommission abgewartet habe, statt die Räumung des Waldes voranzutreiben. Laschet habe es versäumt, vor der Räumung den Dialog mit den Aktivisten zu suchen. Aufgabe der Landesregierung sei es, „intelligente Konzepte zu erarbeiten, um den Beschäftigten im klimaschädlichen Braunkohletagebau eine berufliche Perspektive zu liefern“. Stattdessen aber habe man das Unglück benutzt, um Stimmung gegen die Braunkohlegegner zu machen.

Innenminister Reul reagiert auf Brief

Am Mittwochnachmittag hat Innenminister Reul auf den Brief reagiert. „Ich habe allergrößtes Verständnis für die tiefe Trauer und vielleicht auch Hilflosigkeit der Familie des im Hambacher Forst zu Tode gekommenen Fotografen“, sagte Reul. „Mich hat der viel zu frühe Tod dieses jungen Mannes selbst sehr betroffen gemacht. Er habe nach dem Todesfall den persönlichen Kontakt zur Familie gesucht und auch gefunden.

„Aus diesem Grund möchte ich auf diesen offenen Brief nicht so reagieren, wie man das sonst im politischen Geschäft machen würde - und angesichts der gegen mich persönlich erhobenen Vorwürfe vielleicht auch tun müsste.“ Ministerpräsident Laschet hat sich auf Anfrage nicht geäußert.

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