Prozess gegen LeverkusenerNachbarn sahen Würgemale am Hals der jungen Ehefrau

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Leverkusen – Der zweite Tag vor Gericht war nicht mehr so anstrengend für Bassam H. (Namen geändert). Zum Auftakt des Prozesses am Dienstag war der 40 Jahre alte, vierfache Vater immer wieder in Tränen ausgebrochen. Dabei hatte er sich nicht einmal zur Tat geäußert, sondern nur zu seinem bisherigen Lebensweg. Zur wüsten Attacke auf und den Morddrohungen gegen seine Frau schweigt der Angeklagte.

Am Donnerstag stand daher nicht er im Fokus der Strafkammer unter Vorsitz von Sibylle Grassmann, sondern die Nachbarn in der Bismarckstraße sowie ein Mann, der am 11. Juni kurz vor 19 Uhr zufällig des Wegs kam mit seinem zehn Jahre alten Sohn. Der Passant erinnerte sich lebhaft an die Hilfeschreie einer Frau, die kaum noch Luft bekam und das Flehen von Kindern. „Schrecklich“ sei das gewesen.

Acht Beamte ringen mit dem Ehemann

Zunächst habe er nicht gewusst, woher die Rufe kamen. Dann sei er näher an den Wohnblock heran und habe auf dem Balkon eine Frau gesehen, die plötzlich an einem Strick zurück in die Wohnung gezogen worden sei. Drinnen sei es weiter gegangen: Jedenfalls habe er weiterhin Rufe gehört, „nur gedämpfter“.

Mit einer Nachbarin habe er sich durch Zurufe verständigt: Schließlich habe sie die 110 angerufen, und die Polizei sei auch schnell am Ort des Geschehens gewesen, und zwar massiv. Acht Beamte hat der Passant seiner Erinnerung nach gesehen, dazu kamen Rettungssanitäter, die sich um die attackierte Frau kümmerten. Seine Sicht auf das Geschehen auf dem Balkon sei gut gewesen, unterstrich der Zeuge auf mehrfache Nachfrage der Richterin. Im Protokoll der Polizei war das nicht so deutlich geworden.

Der Angeklagte wird wohl nichts sagen

Die Beobachtungen der Zeugen sind wichtig: Dass der Angeklagte den Hergang der Tat beschreibt, ist nicht zu erwarten. Er soll seine jüngere Frau mit den Händen und zwei Gürteln gewürgt, ihren Kopf auf den Boden geschlagen und sie mit dem Tode bedroht haben.

Zunächst wollte das Gericht aber herausarbeiten, was von außen zu sehen war an diesem warmen Fronleichnamsabend. Mehrere Nachbarn waren durch den lauten Streit aufgeschreckt worden – es war nicht der erste, sagten sie übereinstimmend. Die Frau aus dem benachbarten Haus hatte von ihrem Balkon ebenfalls eine gute Sicht auf das Geschehen, sagte sie. Alarmiert durch laute Rufe und Kindergeschrei sei sie rausgegangen: Zwei Balkons neben ihrem habe die Frau gestanden und sei gefährlich weit über das Geländer gebeugt gewesen. Hinter ihr der Mann. „Ich dachte, der schmeißt die gleich runter.“ Dann habe er die Frau mit Gewalt wieder in die Wohnung verfrachtet.

Frau flieht ins Treppenhaus und wird versorgt

Was dort genau passierte, ist nicht bekannt. Klarer ist die Lage später: Amira hatte sich offenbar aus den Fängen ihres Mannes befreit, war ins Treppenhaus geflüchtet. Drei weitere Nachbarn fanden sie dort auf dem Boden, an die Wand gelehnt, „Sie hatte Atemnot“, sagte einer, der sich auskennt: Er macht gerade eine Ausbildung zum Feuerwehrmann und ist Rettungssanitäter. Er beobachtete auch rote Striemen am Hals der Frau, ebenso wie seine Freundin, eine examinierte Krankenpflegerin.

Die ahnte, wie auch eine weitere Nachbarin, woher diese Würgemale stammten: vom Gürtel des Ehemannes. Der sei gerade in die Wohnung zurückgegangen, als sie sich im Treppenhaus begegneten und habe den Gürtel in die Schlaufen seiner Hose eingefädelt. In diesem Moment habe der Mann einen eher ruhigen Eindruck gemacht. „Mir kam es vor, als fühlte der sich irgendwie ertappt“, sagte eine weitere Nachbarin, als sie von der psychologischen Gutachterin darauf angesprochen wurde.

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Unterdessen versuchte einer der beiden Anwälte von Bassam H., Widersprüche und Unstimmigkeiten in den Aussagen der Zeugen aufzudecken und sie so zu entwerten. Der Frau, die schließlich die Polizei alarmiert hatte, ging das gehörig gegen den Strich: Da müsse man sich ja fragen, ob man in einer solch gefährlichen Situation noch die Polizei alarmieren solle. Für den Passanten war das keine Frage: Die Frau habe sich offenbar in großer Gefahr befunden.

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