Razzia bei FamilienclanVerhafteter Bandenchef aus Leverkusen gab sich als Sultan aus

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Auf der Leverkusener Hauptstraße durchsuchten die Ermittler am Mittwoch ein Café.

Leverkusen – Mitglieder der Leverkusener Großfamilie, die am Dienstag wegen Betrugsverdachts Ziel einer  Razzia war, haben in den vergangenen Jahren bereits vielfach für Negativ-Schlagzeilen gesorgt. Zu den vier per Haftbefehl gesuchten und nun festgenommenen Männern gehörte auch der vermutliche Bandenchef, ein 42 Jahre alter Mann mit einen vielfältigen kriminellen Vergangenheit.

„Sultan Salomon Ismail Minu-Mohamed Sultany-Ialla aus Bahrain“ – unter diesem Fantasienamen soll der Mann bereits vor zwölf Jahren eine vermögende Witwe in Hamburg um 230 000 Euro betrogen haben. Dafür war er vom Amtsgericht St. Georg seinerzeit zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt worden. Der heute 42-Jährige soll  dem Vernehmen nach der älteste Sohn des Oberhaupts der Leverkusener Großfamilie sein.

Der angebliche Sultan aus dem Morgenland hatte dem damals 60-jährigen Opfer vorgegaukelt, sich in einer finanziellen Notlage zu befinden. Zuvor hatte er die Frau mit Liebesschwüren umgarnt und ihr in einem Züricher Luxushotel einen Heiratsantrag gemacht, während daheim in Leverkusen seine Frau und die vier Kinder auf ihn warteten.

Betuchtes Ehepaar um rund eine Millionen Euro betrogen

Der als Betrüger schon damals vorbestrafte Angeklagte hatte diese Vorwürfe bestritten. Die Identität eines „Managers“, der ihn bei den Treffen mit der Witwe begleitet hatte, wollte er in dem Prozess nicht enthüllen, weil er dann „Ärger mit der Sippe“ bekomme, wie einer seiner Verteidiger sagte. Auch im aktuellen Ermittlungsverfahren wird dem 42-Jährigen und seinen Komplizen Betrug vorgeworfen.

Zu den Opfern sollen das Leverkusener Sozialamt und mehrere Banken, aber auch ein ebenso betagtes wie betuchtes Ehepaar zählen, das mit einer erfundenen Notlage allein um rund eine Million Euro erleichtert worden sein soll. Das Finanzamt will nun Steuerschulden bei dem Clan eintreiben für „Einkommen“, das aus Straftaten stammt.

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Die Großfamilie, die sich den Roma zugehörig fühlt und davon berichtete, Angehörige seien im KZ umgekommen, lebt bereits seit den 60er Jahren in Leverkusen. Viele Jahre lang in rund 20 Wohnwagen an den Ufern der Dhünn – mit Wasser aus einen selbst gegrabenen Brunnen. In den 1980er Jahren zog der Clan dann in Wohnungen in Wiesdorf.

Sozialhilfe bei aufwendigem Lebensstil blieb unkommentiert

Die Stadt Leverkusen hatte sich – kritischen Stimmen zum Trotz – entschieden, etwas für die Integration der Familie zu tun. Und zahlte Vermietern hohe Prämien, wenn sie Clan-Angehörige als Bewohner akzeptierten. Aus vielen der bislang Staatenlosen wurden in jenen Jahren Bürger mit deutschem Pass. Nach und nach erwarben einige Familienmitglieder Eigentumswohnungen – woher das Geld dafür und für die Luxusautos und die Designerklamotten stammen könnte, ergab sich schon aus zahlreichen Verurteilungen wegen Betrugs in früheren Jahren.

Die jüngste, über ein Jahr vorbereitete Razzia der Polizei dürfte aber der tiefgreifendste Eingriff in die Strukturen gewesen sein: Immobilien. Luxuswagen, Geld und Schmuck der Beschuldigten wurden beschlagnahmt. Warum etliche stadtbekannte Familienmitglieder über Jahre Sozialhilfe bezogen und die Behörden gleichwohl nicht auf deren aufwendigen Lebensstil reagierten, ist eine Frage, die eine Sprecherin der Stadt Leverkusen am Donnerstag mit dem Hinweis auf „das laufende Verfahren“ nicht beantwortete. (hr, rar)

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