Razzia gegen ClanPolizei nimmt vier Personen fest und beschlagnahmt Waffen und Villa

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Lev Razzia 3 dpa

Die Verdächtigen wurden bei dem Einsatz in Leverkusen festgenommen.

Leverkusen/Düsseldorf – Leverkusen, Ortsteil Rheindorf, die weißgeklinkerte Villa macht einen gepflegten Eindruck. Vor der Tür stehen Bastmöbel und weiße Blumenkübel, eine Palme ziert den Weg zum Eingang. Jetzt ist der ganze Bereich verwüstet. Scherben liegen auf dem Boden, Holzlatten sind aus dem Vordach gerissen. Wo vorher die Tür war, klafft jetzt ein Loch, das mit einem Tuch provisorisch abgehangen wurde. Und Polizei überall auf dem Anwesen, das Mitgliedern des libanesischen Al-Zein-Clans gehört.

Von außen hatte wenig darauf hingedeutet, dass das hübsche Haus mit dem Schieferdach die Zentrale einer kriminellen Bande sein könnte. Am Dienstagmorgen, um sechs Uhr, werden die Nachbarn durch einen lauten Knall aus dem Schlaf geschreckt. Anwohner berichten , es habe Schüsse gegeben und eine Lautsprecherdurchsage der Polizei, die die Leute gebeten hatte, zu Hause zu bleiben.

Das Tor zum Grundstück wurde mit einer Art Panzer aufgerammt, maskierte SEK-Beamte sprengen die Eingangstür und dringen in die Wohnung ein. „Das robuste Vorgehen war zur Eigensicherung der Kollegen erforderlich“, berichtet Einsatzleiterin Heike Schulz. „Wir hatten Hinweise, dass die Tatverdächtigen bewaffnet sein könnten.“

NRW-Polizei sagt Clan-Kriminalität 2017 den Kampf an

Die Einsatzkräfte hatten sich gegen 6 Uhr am Hitdorfer Friedhof versammelt. Spürhunde waren im Einsatz, die auf Datenträger und Geldnoten angesetzt waren. Die weiße Villa von Rheindorf war der Hauptort der Durchsuchungen in Leverkusen, Einsätze liefen aber auch in anderen Gegenden der Stadt.

Die NRW-Polizei hat den Kampf gegen die Clan-Kriminalität seit 2017 erheblich ausgeweitet. Mit dem Großeinsatz von Leverkusen ist den Fahndern erneut ein Schlag gegen eine kriminelle Familie gelungen. Bei den Mitgliedern handelt es sich um einen Verwandtschaftszweig des libanesischen Al-Zein-Clans, der im „Lagebild Clankriminalität“ des Landeskriminalamts gelistet ist. Danach gehören dieser Familie in NRW mindestens 227 Personen an, die Straftaten begangen haben.

In Leverkusen wurden der 46-jährige Clanchef, seine 42-jährige Frau und zwei Söhne des Ehepaars festgenommen. Ihnen wurden bandenmäßiger Betrug, Sozialhilfebetrug, Geldwäsche und Schutzgelderpressung vorgeworfen. Zudem bestehe der dringende Verdacht, dass die Clanmitglieder „über Jahre hinweg zu Unrecht Sozialleistungen in sechsstelliger Höhe bezogen“ hätten. „Man hat im Prinzip versucht vorzutäuschen, dass man geradezu mittellos ist“, sagte Heike Schulz.

Clan soll 400.000 Euro vom Jobcenter kassiert haben

Das Vorgehen war den Behörden jahrelang nicht aufgefallen. Die Familie hatte angegeben, mittellos zu sein und beim Jobcenter in Leverkusen die Unterstützung von drei Bedarfsgemeinschaften angemeldet. Niemand bemerkte, dass die angeblich armen Libanesen in einem schmucken Haus residierten, mehrere Autos besaßen und teuren Schmuck einkauften.

Den Ermittlern zufolge kassierte der Clan von Mai 2015 bis heute in Leverkusen rund 400.000 Euro vom Jobcenter. Der Behörde könne man keinen Vorwurf machen, schließlich sei von der Papierlage her alles in Ordnung gewesen, erklärte Vize-LKA-Chef Thomas Jungbluth am Dienstag in Düsseldorf. Weitere Einnahmen seien durch Drogengeschäfte und Schutzgelderpressung erzielt worden.

Das Familienoberhaupt sei zugleich ein Friedensrichter innerhalb seiner Sippe gewesen, erklärte Jungbluth. Für jedes „Verfahren“ kassierte er eine Schlichtungsgebühr. Wer sich nicht an den Spruch des Clanchefs hielt, habe es mit einem Schlägertrupp zu tun bekommen.

Trickreich und flexibel

Bei der Täuschung der Behörden erwiesen sich die Clanmitglieder als trickreich und flexibel. Um sich ein Bauspardarlehen bei der Bank zu erschleichen, fingierte einer der Söhne über Monate hinweg Gehaltszahlungen von 2900 Euro, die seine Bonität belegen sollten. Der „Lohn“ wurden allerdings von der Familie auf das angebliche Gehaltskonto des damals 21-Jährigen überwiesen.

Als Eigentümer des Hauses in Leverkusen vermietet der Sohn die Wohnung in der Villa an seinen Vater. Die Miete in Höhe von 1900 Euro wurde vom Jobcenter beglichen. Mit Hilfe der Sozialleistungen wurde das Darlehen in Höhe von 500 000 Euro für den Familiensitz abbezahlt.

„Es kann doch nicht sein, dass eine Familie, die Sozialleistungen bezieht, in einer Villa wohnt, die etwa eine Million Euro wert ist und die Steuerzahler dafür aufkommen. Tut mir leid, da platzt mir der Kragen“, sagte Einsatzleiterin Heike Schulz.

„Ein klassisches Modell von Geldwäsche“

Die Einnahmen aus den kriminellen Machenschaften wurden unter anderem in Geschäftsbeteiligungen investiert. „Ein klassisches Modell von Geldwäsche“, erklärt LKA-Fahnder Jungbluth. Die Einnahmen seien in Barbershops, Autoverleih-Firmen und in den Vertrieb von Medizinprodukten geflossen. Ein lukratives Geschäft. Bei der Durchsuchung in Leverkusen wurden 290.000 Euro in bar sichergestellt. Bis zum Abend wurden Haus und Grundstück mit den Spürhunden weiter durchsucht. Heike Schulz erklärte: „Es kann sein, dass im Boden oder in Zwischenräumen noch Geld versteckt ist.“

In dem Haus in Leverkusen hatten zehn Clan-Mitglieder gewohnt, fünf wurden bei der Razzia am Dienstagmorgen angetroffen. Die Festgenommenen waren laut Polizei von dem Zugriff überrascht und leisteten keinen Widerstand. Das Haus wurde beschlagnahmt, ebenso wie ein Mercedes-Vito und zwei Quads. Im Zusammenhang mit den Ermittlungen wurden auch Wohnungen in Düsseldorf, Solingen, Leichlingen, Langenfeld Bochum, Essen, Duisburg, Krefeld, Willich, Mönchengladbach, Krefeld, Neuss und Köln durchsucht. In der Domstadt ermittelt die Polizei gegen ein Mitglied des Clans, das Darlehen für kriminelle Zwecke gewährt hatte.

Villa des Clans wurde beschlagnahmt

Auch die mutmaßlich mit Geld aus Straftaten finanzierte Villa in Leverkusen wurde beschlagnahmt. Das Anwesen sollte noch am selben Tag als beschlagnahmt im Grundbuch gekennzeichnet werden, um eine Überschreibung der Villa an andere zu verhindern. Vermögensarreste für 790.000 Euro wurden angeordnet. Gegen einen der Beschuldigten laufe außerdem ein weiteres Ermittlungsverfahren in Duisburg, hieß es.

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In diesem Zusammenhang waren am Dienstag auch Objekte unter anderem in Duisburg und Gelsenkirchen durchsucht worden. Wegen Geheimhaltungsvorschriften machten die Ermittler keine weiteren Angaben zu dem Verfahren.

NRW-Justizminister Peter Biesenbach (CDU) zeigte sich erfreut: „Steter Tropfen höhlt den Stein! Erneut darf ich ZeOS, der Zentral- und Ansprechstelle für die Verfolgung Organisierter Straftaten, zu einem aktuellen Erfolg im Kampf gegen Clankriminalität gratulieren“, sagte er dem „Kölner Stadt-Anzeiger.“

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