Steuer-ParadiesLeverkusen halbiert Gewerbesteuer – und will trotzdem mehr einnehmen

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Zusagen großer,  global agierender Unternehmen aus dem Chempark sind die Grundlage für die geplante Gewerbesteuersenkung, die der Stadt auf Dauer mehr Geld einbringen soll. (Archivbild)

  • Der Stadtrat in Leverkusen hat wie geplant beschlossen, seine Gewerbesteuer um knapp die Hälfte zu senken – und will trotzdem mehr einnehmen.
  • Wie das funktionieren soll? Alle Hintergründe zum eingebrachten Haushalt 2020 lesen Sie bei uns.

Leverkusen – Die Stadt macht ernst: Leverkusen will den Gewerbesteuerhebesatz im kommenden Jahr von 475 auf dann 250 Prozentpunkte absenken und somit nahezu halbieren. Das sieht der Haushaltsplanentwurf für 2020 vor, den Oberbürgermeister Uwe Richrath und Stadtdirektor und Kämmerer Markus Märtens am Montagnachmittag im Stadtrat einbrachten und für den sich in dieser zentralen Frage bereits eine breite Mehrheit abzeichnet.

Grundlage für die Annahme, dass diese massive Steuersenkung nicht zu Mindereinnahmen der Stadt führt, sondern dass im Gegenteil sogar deutlich steigende Einnahmen zu erwarten seien, sind dokumentierte „vertrauliche Sondierungsgespräche mit potenziellen Firmen, deren Steuerkraft eine relevante Größe für die Umsetzung der Steuersenkung in Leverkusen haben“, wie Märtens es in seiner Haushaltsrede umschrieb.

Dass diese Unternehmen wohl im Chempark zu finden sind, blieb ungesagt, man verweist korrekterweise auf das Steuergeheimnis. Wohl aber müssen die Zusagen so verbindlich sein, dass auch die Bezirksregierung Köln, die im Auftrag des Landes das Finanzgebaren der Stadt überprüft und seit Monaten in die Steuerüberlegungen eingebunden ist, ihre Zustimmung signalisiert hat. „Der Weg, den wir hiermit einschlagen, ist sehr mutig. Aber wir verlassen uns nicht nur auf das Prinzip Hoffnung“, so Märtens. Die Grundlagen des Haushaltsplans seien „gut und solide gerechnet“.

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Mit einem erstaunlichen Ergebnis: Obwohl der Hebesatz nahezu halbiert wird, geht die Stadt nicht von sinkenden Gewerbesteuereinnahmen aus, sondern von deutlich steigenden. Nach dem Tiefpunkt mit 25,4 Millionen Euro im Jahr 2014 und etwa 120 Millionen im laufenden Jahr, sollen die Einnahmen im nächsten Jahr bei 135 Millionen Euro liegen, 2021 gar bei 170 Millionen mit weiter steigender Tendenz. „Das ist keine Hexerei, sondern Ergebnis eines plausibilisierten Vorgehens“, beteuert Märtens. Alles weitere ist – Steuergeheimnis. Und mit Seitenblick auf das Modell Monheim gesagt. Der Nachbarstadt gelang es beispiellos, ihre Gewerbesteuereinnahmen seit 2011 bei sinkendem Hebesatz nahezu zu vervierfachen.

„Weltweiter Steuerwettbewerb“

Dass dies am traditionellen Industriestandort Leverkusen ebenfalls funktionieren wird, davon gibt sich Rathauschef Uwe Richrath fest überzeugt. „Wir leben in einer globalisierten Welt, in der Unternehmen weltweit agieren“, sagte er im Rat. Die Stadt befinde sich seit Jahren „in einem regionalen, überregionalen und sogar weltweiten Steuerwettbewerb“. Mit dem niedrigeren Hebesatz werde Leverkusen den im internationalen Vergleich wichtigen Wert von unter 30 Prozent Unternehmensbesteuerung erreichen. „Das stärkt alle Bestandsunternehmen im internationalen Wettbewerb und verbessert das Investitionsklima. Insbesondere ansässige Unternehmen werden so in die Lage versetzt, ihre Gewinne wieder dort zu versteuern, wo sie erwirtschaftet werden und wo die kommunale Infrastruktur genutzt wird.“

Darüber hinaus trage ein solches Vorgehen dazu bei, Arbeitsplätze zu sichern. Die Gewerkschaft IGBCE habe dies bereits als „das richtige Signal zur Stärkung des Industriestandortes Leverkusen“ begrüßt. Richrath: „Die verbesserten steuerlichen Rahmenbedingungen bieten gute Chancen für neue Unternehmensgründungen, mehr Beschäftigung und zusätzliche Steuererträge.“ Davon profitierten alle Bürger, denn die Stadt gewinne langfristig wieder mehr Gestaltungsspielraum. Eine besondere Aufgabe bei dieser Kehrtwende in der städtischen Steuer- und Wirtschaftspolitik komme dabei der städtischen Wirtschaftsförderung Leverkusen (WfL) zu. Diese solle sich noch intensiver um Flächenmanagement und Unternehmensakquise kümmern.

In Zeiten der digitalen Wirtschaft sei attraktiver Büroraum noch wichtiger geworden. Dienstleistungsstandorte in zentraler Lage würden jetzt in Leverkusen ausgebaut, so in der Neuen Bahnstadt Opladen, auf dem Postgelände und dem Standort der früheren „Bullenklöster“ in Wiesdorf. Gerade östlich der Niederfeldstraße werde ein hochwertiger Gewerbestandort speziell für junge, innovative Unternehmen der Kreativwirtschaft entstehen. Wichtig sei, dass solche Angebot mit einer Neuausrichtung der Mobilität einhergingen, um einem drohenden Verkehrsinfarkt nachhaltig zu begegnen. Insgesamt soll der Haushalt 2020, für den die Stadtspitze erneut strikte Ausgaben-Disziplin ausgerufen hat, mit einem leichten Überschuss von 1,6 Millionen Euro abschließen und diese Tendenz auch in den folgenden Jahren beibehalten.

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