Lieferant für KönigeSchlebuscher Geschäft „Nähszene“ setzt auf nachhaltige Stoffe

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Dirk Müller

Leverkusen – Während das Bewusstsein für Nachhaltigkeit wächst, wird auch über Fast Fashion immer mehr diskutiert. Die oft sehr günstigen Kleidungsstücke aus Massenproduktion sorgten schon häufig für Negativschlagzeilen. Da verwundert es nicht, dass das Interesse am Selbernähen und nachhaltigen Stoffen zunimmt. Dirk Müller, Inhaber des Geschäfts Nähszene in Schlebusch setzt schon seit Jahrzehnten auf Materialien, deren Herkunft er kennt.

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70-jähriges Jubiläum feiert der Familienbetrieb in diesem Jahr. Schon als Vierjähriger ging der Wahl-Leverkusener, der sich vielmehr als Europäer versteht, mit seinem Vater auf Reisen. Damals wie heute besucht er Produktionen für Rohmaterialien von Textilien vor Ort, um sich ein Bild zu machen. Schurwolle importiert er direkt aus Italien, Flachgewebe aus Belgien. Die eingekauften Stoffe lässt er im Anschluss bedrucken.

Seide bezieht Müller aus Brasilien, wo Raupen auf durch Fracking entstandenen Brachflächen aufgezogen werden. Sogar Königshäuser zählen laut seiner Aussage zu seiner Kundschaft. Für so hochwertige Stoffe bietet der Laden auch extra Nähmaschinen und Kurse an.

Dirk Müller beobachtet an seiner Kundschaft, dass sie vermehrt aus Berufen komme, in denen man am Ende des Tages kein fertiges Produkt oder nicht unmittelbar ein abgeschlossenes Tagwerk sehe, als Beispiel nennt er eine Bankangestellte: „Am Nähen haben die Leute Spaß und man hält hinterher etwas in der Hand.“

Nähen ist wieder beliebt

Unter Müttern, die für ihre Kinder Kleidung nähen, ist die Nachfrage besonders nach nachhaltigen Stoffen groß. Auch Ilse Holterhöfer, Angestellte im Wiesdorfer Geschäft Stoffknirps berät häufig „werdende Muttis“ – wie sie ihre Kundinnen liebevoll nennt –, die mit dem Nachwuchs anfangen, darauf zu achten, was sie an die Haut ihrer Familie lassen wollen und was nicht – wie giftige Textilfarben. Labels sollen den biologischen Anbau etwa von Baumwolle garantieren, in Stoffen mit Polyesteranteil wird Plastik recycelt und Fasern tierischer Herkunft stehen für Langlebigkeit und Natürlichkeit.

Dirk Müller aber setzt auf seine eigene Begutachtung der Waren und ihrem Produktionsumfeld. Er rechnet den Anteil an biologischer produzierter Baumwolle am Weltmarkt – drei Prozent nach seiner Aussage – gegen die Menge der derartig gekennzeichneten Endprodukte: Eine Diskrepanz sei zu identifizieren.

In seinen fünf Filialen in NRW und im Online-Shop ist auch ein etwas rauerer, upgecycelter Stoff aus Baumwolle mit 45 Prozent wiederverwendetem PET Anteil gefragt. Auch über den Weg, den die Materialien zurückgelegt haben – nicht selten über mehrere Kontinente – lohnt es sich nachzudenken, wenn man nachhaltig unterwegs sein möchte.

Während in unseren Breiten zwar Hanf und Leinen gedeihen, stellt hingegen die Tierhaltung zur Wollgewinnung ein Problem da. „Es macht Sinn, die Tiere da zu lassen, wo sie ursprünglich lebten“, rät Müller, der in seiner Freizeit Jäger ist – und sucht nur hochwertiges Haar für seine Schurwolle. Kaschmir importiere er aus der Mongolei. Und wer einmal mit dem Experten spricht merkt schnell, dass ihm der Zusatz „Schur-“ wichtig ist, denn nur diese Wolle kommt auch vom lebenden Tier, ein Naturprodukt also. Wiederum kann gerade seine tierische Herkunft als problematisch erachtet werden. Was einen Stoff zu einem Nachhaltigen macht, hängt also stark von den eigenen Ansprüchen ab.

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