Teure Energie, kein Material, kein PersonalLeverkusens Handwerk rutscht in die Krise

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Baustelle Handwerk Leverkusen

Der Mangel an Personal ist im Handwerk die größte Baustelle. (Archivbild)

Leverkusen  – Mal fehlt im Bad die Fliese aus Italien, mal im Keller die Pumpe oder das Abzweigrohr, mal der Gardinenstoff. Marcus Otto kennt den Mangel gut. Der Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft erwartet einen schwierigen Winter, mindestens.

Denn in den Betrieben kommt gerade eins zum anderen: Lieferprobleme an den unterschiedlichsten Stellen verzögern die Arbeiten – „und so lange kann ein Handwerker eben auch keine Rechnung schreiben“. Dann die immer noch nicht kalkulierbaren Energiekosten, trotz des beschlossenen Gaspreisdeckels. Schließlich: der Mangel an Personal. Der sei „das alles überwölbende Thema“, weil er die Betriebe dauerhaft einschränken wird.

LEV Marcus Otto

Marcus Otto (links) sieht das Handwerk mit einem Strauß von Problemen konfrontiert.   

„Viele Betriebe könnten viel stärker wachsen, wenn sie denn die Leute bekämen“, weiß Otto. Denn es gibt sie noch, die Boom-Branchen, auch wenn sich im Moment ein Knick abzeichnet. Die Zahl der Aufträge gehe zurück, „es flacht schon ab“. Das hört Otto aus vielen Unternehmen: Der Ukrainekrieg mit seinen vielfältigen wirtschaftlichen Folgen schaffe auch bei den Kunden viel Unsicherheit. „Haushalte, die aufs Geld gucken müssen, schieben jetzt nichts mehr an.“ Das neue Bad, die neue Garageneinfahrt – so etwas werde aufgeschoben.

Dämmen geht noch

Gemacht werde allenfalls noch, was Gas oder Öl spart oder es ersetzt. „Alles, was mit Energiesparen und Nachhaltigkeit zu tun hat, ist noch gefragt.“ Otto zählt die Gewerke auf: Sanitär/Heizung, Klima, Elektronik, Metallbauer, die Fenster herstellen und Konstruktionen für die Fassadendämmung, Dachdecker, die Solarkollektoren anbauen, Tischler für Holzfenster und dichtere Haustüren, Zimmerer. 

Der private Neubausektor leide stark unter zwei Problemen: den unkalkulierbaren Energiekosten und der Zinserhöhung. Otto gibt ein Beispiel: „Ein Baudarlehen hat vor dem Ukrainekrieg noch 1,2 Prozent Zinsen gekostet – jetzt sind es um die 3,5.“ Für eine Privatperson, die ein Haus bauen will, kann das den entscheidenden Unterschied machen. „Da wartet man jetzt lieber ab“, hat Otto beobachtet. 

Mancher Bauträger hat Probleme

Für Bauträger, die mit festen Preisen kalkulieren, ist das Risiko noch ungleich höher. „Ich höre, dass viele nichts mehr anpacken“, sagt der Geschäftsführer der Handwerkskammer Bergisches Land/Leverkusen. Nicht jeder verfüge über die Kapitaldecke, um einen Fehlschlag auszuhalten.

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Für die Handwerksbetriebe ist dieses Geschäft aber auch schwierig geworden. Zu den Lieferengpässen kommen unkalkulierbare Preise: Mancher Lieferant verlange plötzlich das Doppelte oder Dreifache. Das passt in keine Kalkulation. „Wir empfehlen jetzt Preisgleitklauseln in den Verträgen“, nennt Otto ein Rezept. „Das ist jetzt absolut üblich.“ 

Die öffentliche Hand sei allerdings nicht immer ein guter Ersatz für private Investoren, urteilt Otto. Kommunen kennen nur ein Kriterium: den niedrigsten Preis. „Das lohnt sich für viele Handwerksbetriebe schon deshalb nicht, weil es so aufwendig ist, sich an einer öffentlichen Ausschreibung zu beteiligen“. Also viel Aufwand für wenig Ertrag.  

Im Vergleich zur Corona-Krise sieht der Handwerks-Lobbyist in der Summe mehr Probleme. Und wenig Handlungsspielraum. „Gegen Corona konnten wir noch etwas ausrichten. Gegen diesen Krieg sind wir machtlos.“

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