Tierschutzzentrum Leverkusen100 Kaninchen aus Wohnung gerettet

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Das ist eines der „Gehege“ in der Kaninchenwohnung mit abgefutterten Jalousien: Die Bewohner haben selbst den Ernst der Lage erkannt und Hilfe geholt. Bild: Tierschutzzentrum

Das ist eines der „Gehege“ in der Kaninchenwohnung mit abgefutterten Jalousien: Die Bewohner haben selbst den Ernst der Lage erkannt und Hilfe geholt. Bild: Tierschutzzentrum

Leverkusen – 100 Kaninchen haben die Freiwilligen vom Tierschutzzentrum aus der Wohnung eines Leverkusener Paars geholt. Ein Fall von Tiersammelsucht, oft auf Englisch „animal hoarding“ genannt. Jetzt brauchen die Kaninchenretter selbst Hilfe. Das Unternehmen dauerte den ganzen Samstag: In einer seit längerem geplanten, groß angelegten Aktion rückten Ehrenamtler vom Tierheim Leverkusen in der Wohnung des Paars an und trugen die Kaninchen aus dem Haus. Die Käfige hatten sie mitgebracht. Die Tiere – die Rasse heißt „Widder“ – seien in einem erbärmlichem Zustand gewesen, sagte die an der Rettung maßgeblich beteiligte Kaninchenexpertin Tanja Hoppmann. Sie lebten in der ganzen Wohnung: auf dem Boden, in der Küche, in selbst gezimmerten Verschlägen, selbst im Bett. Überall lag Kot, Urin bedeckte den Boden fast komplett. Viele Tiere sind krank.

Der Mann, der mit seiner Partnerin ohne Kinder in der Wohnung lebt, hatte selbst den Ernst der Lage erkannt, sich ein Herz gefasst und im Tierschutzzentrum um Hilfe gebeten. Dort war man froh, denn, so Tierheim-Chef Kortschlag: „Wir konnten die Angelegenheit so ohne Beteiligung des Veterinäramts lösen. Sonst wäre eine größere Amtsvorgang ausgelöst worden.“ Man merke, dass die beiden einsichtig und zur Mitarbeit bereit seien, sagt Kortschlag: Noch Samstagnachmittag nach dem Ende der Aktion hätten sie Nachzügler gebracht, die sie selbst noch gefangen hatten. In der verwinkelten Wohnung hatten sich ein paar versteckt.

Tiersammelsucht sei kein einfaches psychisches Problem, sagt Tanja Hoppmann. Den Tieren werden zum Teil schlimme Qualen durch die Haltung zugemutet, dennoch glaubten die Menschen, die Massentierhaltung in Wohnungen betreiben, dass sie die Tiere liebten. Die Rückfallquote liege bei nahezu 100 Prozent. „Wir wissen nicht, ob wir alle retten können“, sagt Tanja Hoppmann. Nachdem alle Nager im Zentrum an der Reuschenberger Straße untergekommen sind, zeige sich, dass die Verletzungen mancher Tiere so schwer seien, dass ihr Ende vorbestimmt zu sein scheine, sagt Gerd Kortschlag.

Kaninchen neigen dazu, sich zu jagen und zu beißen, wenn sie beengt leben. Dazu komme, so Tanja Hoppmann, dass sich die Tiere inzestuös vermehrt hätten, viele hätten Probleme wegen dem genetischen Einheitsbrei, der in der Gruppe herrsche.

Alle 100 Tiere stammen von nur wenigen Vorfahren ab, wenn nicht gar von einem Paar, das lasse sich nicht mehr nachvollziehen, sagte Kortschlag. Unter den geretteten Hopplern sind ungeheuer viele trächtige Häsinnen, auch bei ihnen erwarten die Helfer Fehlbildungen: Die sprichwörtliche Vermehrungsfreude von Kaninchen ist dem Leverkusener Paar über den Kopf gewachsen. Und jetzt macht die Zeugungsfähigkeit des Kaninchens dem Tierschutzzentrum große Probleme.

Allein sechs Ehrenamtlerinnen kümmerten sich gestern um die Tiere. Diese sind inzwischen nach Geschlechtern getrennt, viele werden behandelt. Die Rammler, die ein eigenes Zimmer im Tierschutzzentrum bewohnen, sollen kastriert werden. Die Massenkastration wird teuer für den Verein werden, der deshalb um Spenden bittet, um die Tierarztrechnungen bezahlen zu können. Auch säckeweise Mohrrüben werden nun benötigt, damit die Karnickel satt werden. Auch hier sind Spenden nötig – aber nach Absprache mit den Tierschützern. Ganz wichtig: Es werden Kaninchenfreunde mit Gehege gesucht, die einige von den 100 Tieren aufnehmen.

Das Paar, das nun seine Wohnung peinlichst reinigen muss, soll eine Handvoll Tiere zurückbekommen. Aber höchstens vier oder fünf – und alle garantiert kastriert.

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