Unternehmer sind besorgt„Die Stimmung trübt sich weiter ein“

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Auch in der Leverkusener Wirtschaft ist der Optimismus der vergangenen Jahre verflogen.

Auch in der Leverkusener Wirtschaft ist der Optimismus der vergangenen Jahre verflogen.

  • Andreas Tressin ist Geschäftsführer des Arbeitgeberverbandes der Metall- und Elektroindustrie Rhein-Wupper.
  • Im Interview spricht er über wirtschaftliche Aussichten, Fachkräftemangel und komplizierte Tarife.

Leverkusen – Creditreform und IHK sprechen von einer deutlich schlechteren Stimmung in der Wirtschaft, vor allem in der Industrie. Wie steht es bei Metall und Elektro?

In der Tat, die Stimmung in der Wirtschaft trübt sich leider weiter ein: Der Industriemotor im gesamten Jahr 2019 stotterte doch sehr bedenklich. So hatten unsere Betriebe in der Metall- und Elektrobranche vor allem im Automotive-Bereich Auftragsrückgänge von um die zehn, vereinzelt sogar bis zu 15 Prozent zu beklagen. Insgesamt scheinen die Unternehmen so gerade noch mit einem blauen Auge davon zu kommen, obwohl die Bilanzen noch nicht geschrieben sind. Es zeichnet sich aber ab, dass die Gewinne in den Keller gerutscht sind; einige wären schon mit einer schwarzroten Null zufrieden.

Wie sind unter diesen Umständen die Perspektiven?

Arbeitgeber-Lobbyist

Andreas Tressin führt als Geschäftsführer den Arbeitgeberverband der Metall- und Elektroindustrie sowie die Unternehmerschaft Rhein-Wupper, die alle Branchen vertritt. Die Verbände sind unter anderem im Wuppermann-Bildungswerk engagiert, wo Jugendliche eine Ausbildung bekommen, die anderswo nicht zum Zuge gekommen wären. In Manfort werden außerdem Ausbildungsinhalte vermittelt, die in kleinen Betrieben nicht darstellbar sind. (tk)

Die Unternehmen blicken pessimistisch auf das kommende Geschäftsjahr. Fast ein Drittel rechnet mit weniger Aufträgen; nur ein Viertel erwartet einen Produktionszuwachs. Auch die Entwicklung in der Metall- und Elektroindustrie gibt noch keinen Anlass zur Entwarnung. Produktion und Auftragseingänge liegen nach wie vor im Minus, die aktuellen Daten liefern noch keine Aussicht auf Besserung. Viele wären schon zufrieden, wenn man die Auftragsniveaus aus diesem Jahr halten würde.

Insgesamt sind valide Prognosen derzeit sehr schwer. Die Stichworte sind Digitalisierung, Transformation, E-Mobilität und Handelsbarrieren. Alle fragen sich: Was ist davon bezogen auf ihr Geschäftsmodell „Konjunktur“, was „Struktur“. Richtig ist, dass von allen vorgenannten Punkten jeder betroffen sein wird; es geht nur um „mehr“ oder „weniger“.

Wie sicher sind dann die Jobs?

Die Unternehmen versuchen, aktuell alle Kräfte zu halten und möglichst betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden. Aber die Anfragen zu abgesenkten Arbeitszeitmodellen mit den jeweiligen tariflichen Optionen, zur Kurzarbeit und Fördermaßnahmen bei Qualifizierungen haben deutlich zugenommen. Für Weiterbildung gibt es Zuschüsse, auch zum Entgelt. Das gilt übrigens für jede Form von Qualifizierung. Da geht es nicht nur um Abschlüsse. Aus der letzten Krise kennen wir Kurzarbeit. Da wäre aber wichtig, die Kosten zu senken, indem die Sozialbeiträge wieder erstattet werden. Und die Bezugsdauer muss wieder auf bis zu 24 Monate zu verlänger werden.

Bei so viel Unsicherheit. Wird noch investiert?

Aus der Beratungspraxis wissen wir, dass sich die Unternehmen im Moment eher zurückhaltend zeigen. Schuld daran aber ist dabei nicht allein die Weltwirtschaft oder die Herausforderungen aus der Digitalisierung, sondern sind in erster Linie die steigenden Arbeits- und Energiekosten in Deutschland. Darüber hinaus haben wir mit einer Unternehmenssteuerlast von über 30 Prozent eine zu hohe Quote im Vergleich zum OECD-Durchschnitt von 25 Prozent. Ein unhaltbarer Zustand im internationalen Konkurrenzkampf. Allein die EEG-Umlage ist mittlerweile in Deutschland so hoch wie der gesamte Strompreis in den USA. Auch die Regulierungen am Arbeitsmarkt und bürokratische Genehmigungsverfahren sind mehr als nur ein Ärgernis. Die zusätzlich noch zu erwartenden Belastungen zum Klimaschutz sind dabei noch gar nicht eingepreist. Die Bundesregierung sollte endlich den Kurs wechseln: von einer Verteilungspolitik zu einer investitionsfreundlichen Angebotspolitik.

Trotzdem rufen die Unternehmen nach Fachkräften.

Ja, der Fachkräftemangel stellt vor allem für die kleineren und mittleren Betriebe hier in der Region das größte Geschäftsrisiko dar. Das Institut der deutschen Wirtschaft hat ja schon Alarm geschlagen: Ende April waren in den naturwissenschaftlich-technischen bundesweit 478 300 Stellen zu besetzen. In der Metall- und Elektroindustrie arbeitet jeder vierte mittlerweile in einem Mint-Beruf. Der Bedarf hat sich in fünf Jahren mehr als verdreifacht. Unsere Firmen finden ganz einfach keine Anlagenmechaniker, keine Fachkraft für Metalltechnik, keine Fertigungsindustriemechaniker, keine Metallbauer, Zerspanungsmechaniker oder Mechatroniker, ganz zu schweigen die Bereiche Informatik und Elektrotechnik, die jetzt ganz wichtig werden in Zeiten der E-Mobilität und der Digitalisierung. Dann die Demografie: Das Durchschnittsalter in den Betrieben liegt zwischen 45 und 48 Jahren, gut jeder Zweite ist über 50.

Was ist zu tun? Einwanderung?

Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz für Leute von außerhalb der Europäischen Union tritt nächsten März in Kraft. Es ist überfällig. Aber wichtiger ist, alle inländischen Potenziale zu heben. Für uns heißt das: Wir werden beim Übergang „Schule und Beruf“ noch klarer sagen, wie attraktiv die Arbeitsbedingungen in der Industrie sind.

Voriges Jahr wurde wie selten über den Tarif gestritten. Haben sich die Wogen geglättet?

Das kann man nicht sagen. Der Tenor lautet: Viel zu teuer, viel zu kompliziert und alles andere als betriebsnah. Zunächst die Erhöhung der Entgelte von 4,3 Prozent, dazu noch die acht Tage Anspruch auf zusätzliche freie Tage, wenn es privat erforderlich ist: Das sind noch einmal gut zwei Prozent. Damit haben sich unsere Mitgliedsfirmen im internationalen Wettbewerb nochmals erheblich verschlechtert. Es gab deshalb tarifliche Sonderregelungen in manchen Unternehmen.

Gewehrt haben sich die Arbeitgeber vor allem gegen das Recht auf zusätzliche Freizeit. Das spart doch Geld, oder?

Die Regelungen erweisen sich aber als nicht praxistauglich. Der betriebliche Organisations- und Kommunikationsaufwand ist zu groß: Es ist oft nicht möglich, alle Einzelinteressen zu befrieden und gleichzeitig die Produktionen flexibel und damit produktiv aufrecht zu erhalten. In kleineren und mittleren Betrieben sind die Regelungen schlicht nicht umsetzbar. Fakt ist doch: Den Takt geben die Kunden vor.

Firmen mit wenig Auslastung haben auch nichts von den acht freien Tagen für ihre Mitarbeiter. Es wird übersehen, dass die Freizeitgewährung immer auch Geld, und damit Liquidität kostet, ohne dass Wertschöpfung generiert wird.

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