Pro-Putin-GruppeLaut Verfassungsschutz greift Aufbruch Leverkusen Menschenwürde an

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Impfgegner auf einer Demonstration in Opladen.

Mit der Corona-Politik unzufriedene Menschen marschierten im vergangenen Winter mit Rechtsextremen durch Opladen.

Leverkusen – Einem einzigen Leverkusener widmet sich der am 13. April erschienene Verfassungsschutzbericht NRW: dem Opladener Rechtsanwalt Markus Beisicht. Der Verfassungsschutz schreibt, dass dessen Gruppierung Aufbruch Leverkusen e.V. mit ihren Aussagen und Forderungen die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte missachte, insbesondere die Menschenwürde und das Diskriminierungsverbot. Sie vermittele ein negatives Menschenbild über bestimmte Minderheiten, welches ausschließlich an deren Nationalität oder Religionszugehörigkeit anknüpfe. Der Aufbruch greife sowohl mit der Wortwahl als auch mit Argumentationsmustern die Menschenwürde an und sei deshalb nicht mit dem Grundgesetz vereinbar.

Der Opladener Rechtsanwalt Markus Beisicht (ehemals Pro-NRW, heute „Leverkusener Aufbruch“) ist zwar nicht selbst Vorsitzender des Vereins, er gibt sich auf den von ihm kontrollierten Internet- und Social-Media-Seiten aber ausnehmend russlandfreundlich.

Leverkusener Anwalt fordert Ende der Sanktionen gegen Russland

Er fordert zum Beispiel das Ende der Sanktionen gegen Russland. Der Rechtsextreme schreibt von Frieden, der Rücknahme der Sanktionen, die nach der russischen Aggression beschlossen worden sind. Klare Worte zum russischen Angriffskrieg in der Ukraine waren bisher nicht zu finden.

In der Kanzlei des „Leverkusener Aufbruch“, so steht es auf dessen Facebook-Seite, sei ein Verein „Die Brücke zwischen Deutschland und Russland“ gegründet worden. Auf einem Bild sieht man zehn Personen sitzen, vermutlich die Vereinsgründer, einige haben Plastikbecher in der Hand.

Vereinigung holte in Leverkusen 1,4 Prozent bei Kommunalwahl

Im Leverkusener Stadtrat spielt der „Aufbruch“ eine unbedeutende Rolle. Bei der Kommunalwahl 2020 holte die Vereinigung mit der Führungsfigur Markus Beisicht mit 1,4 Prozent Anteil den letzten Platz – weit hinter der AfD. Auch als Oberbürgermeisterkandidat landete er auf dem letzten Platz.

Dennoch reagierte der russische Staat auf die Vereinsgründung der Gruppe in der Opladener Kanzlei. In einem Posting auf der Facebook-Seite des „Aufbruchs“ wird berichtet, dass sich Beisicht samt einer kleinen Delegation auf Einladung in der russischen Botschaft in Bonn zu einem Gedankenaustausch aufgehalten habe. Beisicht bestätigt die Einladung und Gespräche mit dem Generalkonsul auf Anfrage.

Es sei eine persönliche Einladung gewesen, als Gründe nennt er unter anderem Anträge des „Aufbruchs“ im Leverkusener Stadtrat, die sich zum Beispiel gegen das Verbot russischer Staatsmedien (RT, Sputnik) richteten. Beisicht sagt, er sehe sich da in der Tradition von Willy Brandt und Gerhard Schröder. Ein unpassender Vergleich: Die beiden Sozialdemokraten beobachtete der Verfassungsschutz nicht, anders als Beisicht und den „Aufbruch“.

NRW-Verfassungsschutz beobachtet Aufbruch Leverkusen e.V.

Unklar ist, was die Russen bezwecken, wenn sie sich mit der Leverkusener „lokalen rechtsextremistischen Splittergruppe“ (Zitat NRW-Verfassungsschutzbericht 2022) aus Opladen abgeben, deren Youtube-Videos manchmal keine 30 Aufrufe erreichen.

Bekannt ist, dass Russland im Netz die Destabilisierung oder gar die Zersetzung demokratischer Gesellschaften betreibt, auch der deutschen. Laut Verfassungsschutz bezeichnet sich der „Aufbruch Leverkusen“ selbst als „Fundamentalopposition“. Das Attribut hat sich die Gruppe zuerst durch Islam- und Fremdenfeindlichkeit eingehandelt. 

Der Neonazi Alexander Kurth mit einer Kamera auf der Demo in Opladen.

KSTA vom 19.01.2022: Der Neonazi Alexander Kurth (mit Kamera) auf der Demo in Opladen.

Im vergangenen Winter hat der „Aufbruch“ die Corona-Protestszene in Opladen angeführt. An den Protesten hat sich auch der Neonazi Alexander Kurth an Beisichts Seite beteiligt. Nicht jeder Demonstrant in Opladen mag ein offen rechtsextremes Weltbild gehabt haben. Das lässt sich nicht überprüfen. Aber: Wer wollte, konnte wissen, wer die Reden hielt und wer die Demonstration anführte.

Corona-Protest-Klientel wird von Rechtsextremisten bei der Stange gehalten

Die Vermischung von Corona-Kritikern und Rechtsextremen in Opladen wirkte schon vergangenen Winter vorbereitet: „Alle sind willkommen“, stand auf einem Button, den Beisicht bei einem der Corona-Proteste auf der Goethestraße im vergangenen Winter trug. Dass er mit „jeder“ hauptsächlich sich selbst und seinesgleichen, also Rechtsextreme, gemeint hat – der Verdacht liegt nahe. Beim „Aufbruch“ vermischt man mittlerweile die an sich grundverschiedenen Themen Corona und die Energiekrise. Manche Facebook-Postings des „Aufbruchs“ grenzen ans Lächerliche: Amtsarzt Martin Oehler, der in den Ruhestand geht, sei verantwortlich für die gnadenlose Umsetzung der Corona -Zwangsmaßnahmen, heißt es am 24. März; er habe die Leverkusener Bürger einer offensichtlichen Corona-Diktatur unterworfen.

Auch auf einer Demonstration am Sonntag, 4. September 2022, in Köln, laut Beisicht angemeldet von der Pro-Putin-Aktivistin Elena Kolbasnikova, war das zu beobachten: Dort gingen Beisicht und andere Rechtsextreme gemeinsam mit Russland-freundlichen Sanktionsgegnern, Corona-Maßnahmen-Gegnern, Nato-Gegnern und mindestens einem Verschwörungs-Anhänger („großer Reset“) auf die Straße.

Menschen bei einer Demonstration neben dem Kölner Dom.

Anwalt Markus Beisicht (3.v.l.) als Teilnehmer einer pro-russischen Kundgebung in Köln. 

Sind es die „Aufbruch“-Webseiten, für die sich der russische Konsul interessiert? Corona hat dort weiterhin Platz, tritt aber ein wenig in den Hintergrund, stattdessen häufen sich die Russland-freundlichen Mitteilungen: Man postet jetzt viel gegen Sanktionen, will „niedrigere Gaspreise“. Nach Beisichts Überzeugung sei das nur mit Russland machbar.

Mit der Wende, die beim „Aufbruch“ jetzt sichtbar ist, geschieht in Leverkusen genau das, was NRW-Innenminister Herbert Reul, Soziologen und Politikwissenschaftler beobachten und wovor sie warnen: Corona-Protest-Klientel wird zielstrebig von Rechtsextremisten bei der Stange gehalten und in eine neue Richtung geleitet.

„Leverkusener Aufbruch“: Kommentator auf Facebook-Seite ruft zu Gewalt auf

Ein Baustein dazu ist die Ablehnung seriöser Medien und der Politik. Das reicht in der Rechtsaußen-Blase Opladens bis zur blanken Hetze. Auf der Facebook-Seite des „Aufbruch“ postet ein Kölner unter einem Posting zu Heizkosten vom 3. August einen Sinnspruch: „Jeder bekommt irgendwann seine gerechte Strafe. Und wenn es bei euch Gutmenschen, Politikern und Medienhuren soweit ist, stehe ich in der ersten Reihe und applaudiere!“

Dazu befragt, distanziert sich Beisicht von diesem Kommentar, er schreibt: Falls er ihn finde, werde er ihn löschen. Fünf Tage nach dieser Ankündigung stand er immer noch auf der Seite, inzwischen ist er gelöscht.

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Der „Aufbruch“ könnte noch mehr löschen: Ein Kommentator auf der Facebook-Seite des „Leverkusener Aufbruch“ ruft direkt zu körperlicher Gewalt auf; er schreibt in Bezug auf ein Posting vom 24. August zum Leverkusener Finanzausschuss: „Langsam wird es Zeit, denen mal zu zeigen, wo der Hammer hängt, bin fürs Faustrecht, Politiker ohne Scham das Volk Ausbeuten, was hat uns die Vergangenheit gelernt? Irgendwann ist Schluss mit lustig, was sind das Verbrecher am Volk.“ 

Das klingt gefährlich, aber auch Beisicht selbst lebt mit der Gewalt. Zweimal wurde die Tür seiner Kanzlei mit roter Farbe bespritzt. Einmal bekannte sich ein „Kommando Ernst Oberdörster“ zu dem Farbanschlag. Auch das ist im neuen Verfassungsschutz-Bericht erwähnt: im Kapitel Linksextremismus. 

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