Von Schulmassakern und Hähnen träumen

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Line Hünken möchte Schauspielerin werden. Am Samstag trat sie mit einem Monolog beim Jungen Theater Leverkusen auf die Bühne.

Line Hünken möchte Schauspielerin werden. Am Samstag trat sie mit einem Monolog beim Jungen Theater Leverkusen auf die Bühne.

Line Hünken läuft entspannt nach vorne und reicht einem Zuschauer ihre Tasse und eine Tüte mit den Worten „Halten Sie mein Mittagessen kurz“. Dann schleppt sie einen Tisch und einen Stuhl in die Mitte des Raumes, auf den sie sich kurze Zeit später setzt. Langsam packt sie eine Laugenstange aus der Tüte. „Ich wollte immer, dass etwas passiert“, sagt Hünken – in der Rolle des Mervyn aus dem Stück „Eine Enthandung in Spokane“ von Martin McDonagh – und schaut nachdenklich ins Publikum.

Immer habe sie sich eine Messerstecherei gewünscht oder eine Schießerei an der eigenen Schule, um sich dann als Heldin mutig für die anderen opfern zu können. Mit dem gebrochenen Bein hätte sie versucht, die Tür des Klassenraums zuzuhalten. Dabei wäre es ihr sogar egal, ob sie sterbe. Solange sie etwas Mutiges tue. Schließlich schaut sie ins Publikum und fragt: „Wie bin ich denn jetzt auf ein Schulmassaker gekommen?“ Dann wird es dunkel, bevor der nächste Monolog aus einem anderen Stück beginnt.

Hünken lässt sich seit wenigen Monaten beim Jungen Theater Leverkusen ausbilden. Mit aktuell elf weiteren angehenden Schauspielern bereitet sie sich darauf vor, sich auf ein Hochschulstudium im Bereich Schauspiel oder Regie zu bewerben. Dazu setzen die angehenden Schauspieler sich mit verschiedenen Monologen auseinander, die sie bei ihrem Vorsprechen an einer Schauspielschule aufführen wollen. „Mal dauert das mehrere Wochen. Wenn die Rolle einem sehr nah ist, nur wenige Stunden“, sagt Claudia Sowa, die das junge Ensemble unter anderem mit Petra Clemens betreut. Acht der angehenden Schauspieler zeigten am Samstagabend einige ihrer ausgewählten Monologe unter dem Motto „Hier steh ich nun ich armer Tor und rezitiere Faust“ vor Publikum.

Den Abend organisierten die Nachwuchsschauspieler selbst: Die Darsteller bauten sich sogar ihr eigenes minimalistisches Bühnenbild selbst auf. Wie sie die Monologe und Rollen auswählen? „Die Texte haben jeweils zu meiner Stimmung gepasst“, erzählt etwa Hünken. Um findig zu werden, helfe allerdings nur viel lesen.

Die Darsteller hatten sich für Monologe aus ganz unterschiedlichen Stücken entschieden. So hatte sich Tara Alana Alsleben beispielsweise die Rolle der Prinzessin Salome aus Oscar Wildes gleichnamigem Einakter vorgenommen. Mit ihrem Auftritt als zurückgewiesene Prinzessin, die den Kopf des Jochanaans forderte, begeisterte sie das Publikum. Nur stand natürlich kein abgehackter Kopf vor ihr, sondern ein Granatapfel. Von einem etwas moderneren Stück ließ sich hingegen Henri Mertens inspirieren. Er wählte in einem seiner Monologe die Rolle des Andris aus Max Frischs „Andorra“.

Nicht nur in menschliche Rollen schlüpften die Schauspieler des Jungen Theaters. Samson Fischer versetzte sich mit einem selbstgeschriebenen Monolog lieber in die Lage eines Huhns und sorgte beim Publikum mit seinem Auftritt für zahlreiche Lacher. Gackernd kam der Schauspieler auf die Bühne und sprach über Träume, die ein Huhn wohl haben könnte. „Ich habe die Scheiße hier so satt. Ich lege jeden Tag ein Ei, nur damit irgendwelche Leute sich vollfressen können“, beschwerte er sich – und legte prompt ein Ei. Im Anschluss träumte er von Paris und einer Romanze mit einem Hahn. Doch aus der Reise werde ja doch nichts, schließlich verstehe sein Gackern ja niemand.

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