War der Staatssekretär befangen?Baufirma Porr ist bei A1-Rheinbrücke aus dem Rennen

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Die Rheinbrücke in Leverkusen

  • Der Wechsel von einem Mitarbeiter von Porr ins NRW-Ministerium zieht Kreise. War Staatssekretär Schulte befangen? Es gibt deutliche Kritik.
  • Derweil sind Details zum Sachstand bei der neuen Ausschreibung im Düsseldorfer Landtag ans Licht gekommen. Bis Ende des Jahres will das Land den Auftrag vergeben haben: Warum hat Porr seine erneute Bewerbung zurückgezogen?
  • Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Leverkusen/Düsseldorf –  Gute Nachrichten zur Leverkusener Rheinbrücke gab es in den vergangenen Monaten selten. Und auch am Mittwoch behält sich Kathrin Draheim-Bohemann von Straßen NRW im Verkehrsausschuss des Landtags das Beste bis zum Schluss auf. Man werde den Zuschlag für den Weiterbau der Brücke noch in diesem Jahr erteilen, sagt die Direktorin des Landesbetriebs am Ende einer zweistündigen Anhörung.

Dort mussten mehrere Experten den Abgeordneten noch einmal erklären, was bei dem 364 Millionen Euro teuren Bauprojekt, das am 24. April mit der Kündigung des Generalunternehmers Porr Deutschland mit einem Paukenschlag im Stillstand endete, alles schiefgelaufen ist. Grund für die Kündigung waren erhebliche Mängel bei den in China gefertigten Stahlteilen, die der Landesbetrieb als irreparabel eingestuft hatte. Inzwischen sind weitere wichtige Fragen geklärt.

Der Landesbetrieb hat den Auftrag für den Weiterbau Anfang Mai neu ausgeschrieben. Wie ist der Stand?

Nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ haben sich drei Bietergemeinschaften beworben. Unter ihnen auch das gekündigte Bauunternehmen Porr, diesmal mit dem österreichischen Mutterkonzern und nicht mit dem deutschen Ableger. Es hat aber zurückgezogen. Im Unterschied zum ersten Verfahren, bei denen ein Generalunternehmer gesucht wurde, der die Verantwortung für das gesamte Projekt übernimmt, sieht die Neuausschreibung vor, dass das Land einen direkten Zugriff auch auf den Stahlbauer hat. Porr soll seine Bewerbung inzwischen zurückgezogen haben, so dass die Entscheidung zwischen den verbliebenen Bietern fallen wird. Ausschlaggebendes Kriterium ist allein der Preis.

Das stößt beim Sachverständigen Helmut Hesse, der im Auftrag der Bürgerinitiativen die Kombilösung mit kleiner Brücke und dem langen Tunnel unter dem Rhein geplant hatte, auf heftige Kritik. „Das Land macht den gleichen schweren Fehler wie bei der ursprünglichen Ausschreibung“, sagt Hesse. „Ein qualitativ besser geeignetes Angebot kann so nicht zum Zuge kommen.“ Es sei Zeit zum Innehalten und über neue Lösungen nachzudenken.

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Gibt es schon eine Einigung mit der Porr AG über die Kündigung oder wird es zu einem Rechtsstreit kommen?

„Wir haben in nichts eine Einigung erzielt“, sagt Rechtsanwalt Andreas Berger von der Kanzlei Kapellmann und Partner, die Straßen NRW vertritt. Was die Frage der Qualität der Stahlbauteile angeht, sei man nach genauer Untersuchung sicher: „Sie sind alle mangelhaft.“ Das sei im Hinblick auf die juristische Auseinandersetzung wichtig. Sollte das Land mit seiner Kündigung aus „wichtigem Grund“ Recht bekommen, müsste die Porr AG nur für die bereits geleisteten Arbeiten bezahlt werden. Auch die Kosten für die Neuausschreibung könnte das Land dann einfordern. „Ob es am Ende unzumutbar war, das Vertragsverhältnis zu beenden, ist eine Bewertungsfrage“, so Berger. „Man muss einen wichtigen Kündigungsgrund auch beweisen. Wir sind bestmöglich vorbereitet.

Wie sieht das schlechteste Szenario für das Land aus?

Laut Gutachter Hesse könnten sich die Baukosten fast verdoppeln. Er beziffert den Schaden für den Bauherrn auf 298 Millionen Euro. Der setzt sich zusammen aus den durch die Kündigung erhöhten Baukosten von 130 Millionen Euro, 150 Millionen, die noch an Porr gezahlt werden müssten, 13 Millionen Euro für entgangene Gewinne der Porr AG und fünf Millionen Euro für Gutachten und andere Fremdleistungen des Landesbetriebs Straßen NRW.

Die Landtagsopposition hält einen Staatssekretär in Sachen Porr für befangen. Warum?

Staatssekretär Hendrik Schulte war vor seinem Wechsel ins Verkehrsministerium acht Monate bei Porr in leitender Position beschäftigt. Rechtsanwalt Hendrik Schilder von Kapellmann und Partner hält das für unproblematisch, „weil er weder bei der Porr AG noch aufseiten des Landes in die Vergabe eingebunden war.“ Hendrik Schulte habe von der Kündigung weder Vor- noch Nachteile. Zu einer anderen Auffassung kommt Ulrich Battis von der Humboldt-Universität Berlin. Dieser nahtlose Übergang sei ein Musterbeispiel, wie schwer man sich in Deutschland mit Compliance und Korruptionsprophylaxe tue.

Es gebe Verbotsvorschriften für Minister und Beamte, die nicht nahtlos den Schreibtisch wechseln dürfen. Hendrik Schulte sei von einer führenden Position bei Porr direkt in eine führende Stellung im Verkehrsministerium gewechselt. Das widerspreche deutschem Recht, europäischem Recht und dem Völkerrecht.

„Ich unterstelle nicht, dass Schulte befangen war“, sagt Battis im Verkehrsausschuss. Personen, die möglicherweise in Rechtskonflikte geraten könnten, dürften aber nicht direkt anderweitig tätig werden. Auch, wenn das für das Verfahren keine Rolle spiele, liege „ein eminenter Rechtsfehler“ vor. „Man könnte auch sagen, dass im Verkehrsministerium in Düsseldorf der Balkan anfängt.“

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