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Unglücke in ChemieparksSchon 1980 starb ein Leverkusener Arbeiter bei einer Explosion

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Leverkusen Explosion 1980 (1)

Am 15. Juli 1980 starb ein 32 Jahre alter Arbeiter bei einer Explosion im Leverkusener Chemiepark.

Leverkusen – Die schwere Explosion in der Sondermüllverbrennungsanlage des Leverkusener Chemparks ist mit sieben Toten und Dutzenden teilweise schwer Verletzten einer der verheerendsten Unfälle der chemischen Industrie in der Region. Der einzige ist es nicht: Immer wieder kommt es der Region, die zu den wichtigsten Chemie-Standorten Europas gehört, zu tödlichen Unglücken.

Ältere Leverkusener dürften sich am Dienstag an den 15. Juli 1980 erinnert haben: Schon damals erschütterte eine Detonation in einer Müllverbrennungsanlage des Chemieparks die Stadt. Aus unbekannten Gründen kam es zur Explosion in der Bayer-Deponie. Durch die Wucht der Explosion wurde eine Wand der Verbrennungsanlage völlig zerstört. Noch in 800 Metern Entfernung ließ die Druckwelle Tausende Fensterscheiben bersten.

32 Jahre alter Kranführer kam ums Leben

Ein 32 Jahre alter Kranführer kam bei dem Unglück ums Leben, acht weitere Personen wurden verletzt. Die kilometerhohe Rauchwolke war noch aus weiter Entfernung zu sehen. Eine gesundheitliche Gefahr für Menschen und Tieren soll laut offiziellen Angaben damals aber nicht bestanden haben. Es gab aber auch einen bedeutenden Unterschied zur neuerlichen Katastrophe: So wurden damals in der Deponie bloß normale Industrieabfälle gelagert, keine toxischen Stoffe.

Ein weiterer Störfall ereignete sich im Januar 2010. In einem Gebindelager mit Produktionsabfällen war ein Brand ausgebrochen, der erst nach mehreren Stunden gelöscht werden konnte. Aschepartikel regneten über Rheindorf nieder. Wie schon beim ersten Störfall bestand angeblich keine Gefahr für Gesundheit und Umwelt.

Ein Großbrand in einer Umfüllanlage für Siloxane und Lösungsmittel ereignete sich in Leverkusen im November 2016. Dichte Rauchschwaden zogen über den Rhein auf die nördlichsten Kölner Stadtteile zu. Die Bevölkerung wurde über Sirenenalarm gewarnt und aufgefordert, die Häuser nicht zu verlassen, Fenster und Türen zu schließen. Der Schiffsverkehr auf dem Rhein wurde eingestellt. Luftmessungen ergaben später, dass keine Gefahr durch Gase gedroht hatte.

Ein Betriebsunfall anderer Art

Ein Betriebsunfall anderer Art ereignete sich im März 2018 als im Rahmen einer Übung versehentlich eine Meldung über eine Explosion im Chempark mit mindestens fünf Verletzten von Currenta an mehrere hundert Empfänger bei Feuerwehr, Rettungsdiensten und Medien verschickt worden war. Eine technische Panne.

Aber auch in anderen Chemieparks in der Region rund um Köln kommt es immer wieder zu Unfällen. Die – nicht annähernd vollständige – Liste ist lang: So stürzten im Juli 2018 im Chemiepark Hürth-Knapsack zwei Mitarbeiter einer Servicefirma aus 18 Metern Höhe in die Tiefe. Der Arbeitsunfall passierte bei der Reinigung eines Kessels des Ersatzbrennstoffkraftwerks. Ein Mann starb, der andere überlebte schwer verletzt.

Vier Jahre zuvor war ebenfalls im Hürther Chemiepark ein 38 Jahre alter Arbeiter ums Leben gekommen, als er von einem Gerüst fiel. Und im Jahr 2004 verunglückte dort ein Mann tödlich, als er vom Dach eines Silos 25 Meter in die Tiefe stürzte.

Ein knoblauchartiger Geruch machte sich breit

2014 trat in einem Betrieb der Agrarsparte von Bayer im Chemiepark Knapsack der Stoff Methylphosphin in einer Höhe von 34 Metern aus und entzündete sich sofort an der Luft. Die Flammen griffen auch auf Kunststoffleitungen und Ummantelungen über. In den umliegenden Stadtteilen Kendenich und Fischenich machte sich ein knoblauchartiger Geruch breit. Gesundheitsgefährdend sei dieser nicht gewesen, teilte die Einsatzleitung des Chemieparks damals mit.

In der Rheinland-Raffinerie von Shell in Wesseling kam es ebenfalls in der Vergangenheit wiederholt zu gefährlichen und mitunter tödlichen Zwischenfällen. So stieg wegen eines Brands in einer Anlage von Kunststoff-Vorprodukten im Mai 2015 eine riesige Rauchsäule über der Raffinerie auf. Erst nach sieben Stunden war das Feuer gelöscht. Ein Jahr zuvor war ein Mitarbeiter einer Fremdfirma bei Wartungsarbeiten an einem Kamin aus 170 Metern in den Tod gestürzt.

2018 starb ein 57-jähriger Arbeiter, als er bei Shell Rohrleitungsarbeiten in einem Tankfeld ausführte. Eine Druckluftleitung barst und verletzte den Mann schwer am Kopf. Er erlag den Verletzungen im Krankenhaus.

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Weder Verletzte noch Tote, dafür aber großes Entsetzen angesichts der Umweltverschmutzung gab es im Februar 2012: Shell-Mitarbeiter stellten fest, dass in einem Kerosin-Tank weniger Flüssigkeit ankommt als aus einem anderen Tank abfließt. Der Grund war ein fingernagelgroßes Loch in einer Leitung aus dem Jahr 1942. Durch dieses waren eine Million Liter Kersoin unbemerkt ins Erdreich versickert und hatten dort einen Kerosin-See so groß wie sechs Fußballfelder gebildet.

Ein ähnliches Bild ergab sich im April 2020: Damals wurde bekannt, dass in den neun Monaten zuvor durch eine korrodierte Leitung etwa 300 Tonnen leichten Gasöls ins Erdreich geflossen waren. Von der Verunreinigung des Grundwassers waren etwa 13.000 Quadratmeter Boden betroffen. Schuld waren laut Gutachten offenbar Bauarbeiten im Jahr 2010, durch die das Mantelrohr beschädigt wurde. Jahre entstand ein 1,5 Millimeter großes Loch, durch das das Öl monatelang unbemerkt im Boden versickerte.

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