Mallorca-AffäreNächste CDU-Ministerin gerät unter Druck und gesteht Fehler ein

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Scharrenbach

Bau-, Kommunal- und Heimatministerin Ina Scharrenbach war ebenfalls Gast bei der Geburtstagsfeier von Christian Esser am 23. Juli.

Düsseldorf – Nach der „Mallorca-Affäre“ um die zurückgetretene NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) stellt sich jetzt die Frage, wie vertrauensvoll Kabinettsmitglieder und Parteifreunde mit NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst kommunizieren. Die NRW-Staatskanzlei hatte dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ erklärt, Wüst habe erst durch die Enthüllungen der vergangenen Woche von dem umstrittenen Ministertreffen anlässlich einer Geburtstagfeier in der Hochphase der Flutkatastrophe erfahren.

Eine Aussage, die die SPD im Düsseldorfer Landtag zu neuen Nachfragen veranlasst. „Im Umkehrschluss kann das nur eins bedeuten: Sowohl Kommunalministerin Ina Scharrenbach als auch Europaminister Stephan Holthoff-Pförtner haben dem Ministerpräsidenten nicht die Wahrheit gesagt“, so Stefan Kämmerling, Obmann der SPD im Flut-Ausschuss.

Heinen-Esser hatte ihr Amt am vergangenen Donnerstag niedergelegt, nachdem der „Kölner Stadt-Anzeiger“ berichtet hatte, dass sie wenige Tage nach der Flutkatastrophe im Juli 2021 mit weiteren CDU-Regierungsmitgliedern auf Mallorca den Geburtstag ihres Ehemannes gefeiert hatte.

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„Unangemessene Sause"

Unabhängig von der „unangemessenen Sause" nimmt die SPD jetzt auch die Kommunikation nach der Feier ins Visier. Denn seit  Ende Februar dieses Jahres, als die Noch-Umweltministerin vor dem Hochwasser-Untersuchungsausschuss vernommen wurde, hätten die Minister wissen müssen, dass „da eine falsche Erzählung in der Welt war“, so Kämmerling. Heinen-Esser hatte zunächst als Grund für ihren Aufenthalt auf Mallorca angegeben, sie habe ihre damals 15-Jährige Tochter von der Insel zurückholen müssen.

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In der vergangenen Woche war dann ans Licht gekommen, dass sie die nordrhein-westfälische Heimatministerin Ina Scharrenbach und den NRW-Europaminister Stephan Holthoff-Pförtner zu einer Geburtstagsparty auf der Insel eingeladen hatte. Wüst aber wusste bis zur Veröffentlichung  in dieser Zeitung nichts von der Zusammenkunft, wie er sagt. „Mit dem Vertrauensverhältnis in dieser Landesregierung kann es nicht mehr weit her sein“, spekuliert SPD-Obmann Kämmerling. Pikant sei zudem, dass mit dem Europaminister ein Kabinettsmitglied, das in der Staatskanzlei seinen Sitz hat, direkt in die Affäre verwickelt sei. „Schwer vorstellbar, dass da keinerlei Informationen geflossen sein sollen", so Kämmerling.

Der Ministerpräsident soll von nichts gewusst haben

Holthoff-Pförtner bestätigte am Montag die Version der Staatskanzlei, dass Wüst nichts von dem Treffen auf Mallorca gewusst habe. „Minister Dr. Stephan Holthoff-Pförtner hat den Ministerpräsidenten über seine Reise nach Mallorca nicht informiert, da es sich um eine rein private Reise handelte“, erklärte ein Sprecher. Und Holthoff-Pförtner fügte hinzu: „Da ich in der Zeit vollumfänglich arbeitsfähig und immer erreichbar war, ergab sich keine Notwendigkeit, eine solche Reise beim Ministerpräsidenten anzuzeigen.“

Durch die Mallorca-Affäre ist auch das Verhalten von NRW-Kommunalministerin Ina Scharrenbach in den Blickpunkt geraten. Die hat mittlerweile eingeräumt hat, dass die Teilnahme an der Geburtstagsparty wenige Tage nach der Flutkatastrophe falsch gewesen sei. „Es tut mir sehr, sehr leid und ich entschuldige mich dafür“, so Scharrenbach.

Warum sie denn die Details um die Feier im Juli vergangenen Jahres nicht schon früher selbst öffentlich gemacht hat und jetzt erst auf die Enthüllungen reagiert, wollte der „Kölner Stadt-Anzeiger“ jetzt wissen. „Rückblickend ist man immer schlauer: Ja, das hätte ich tun sollen“, räumte die Ministerin ein.

Scharrenbach schließt Rücktritt aus

Auch den Ministerpräsidenten habe sie nicht informiert. Scharrenbach war „bei voller Dienstfähigkeit“ zwei Tage auf Mallorca, wie sie sagt. Eine Reise „mit einer Dauer von drei Tagen oder weniger als drei Tagen“ müsse entsprechend langjähriger und legislaturübergreifender Praxis“ zwar nicht angemeldet werden, ließ sie auf Anfrage mitteilen. Doch auch hier gelte: „Ich hätte das tun sollen, den Ministerpräsidenten und die Öffentlichkeit früher informieren.“ Zurücktreten werde sie deshalb jedoch nicht.

In CDU-Kreisen heißt es, die Chancen von Scharrenbach, einem künftigen Kabinett anzugehören, seien „nicht gerade gestiegen“. Die Ministerin, die Vorsitzende der einflussreichen Frauen-Union, steht nach Wüst auf dem zweiten Listenplatz der NRW-Landesliste für die Landtagswahl. Damit hat sie gute Chancen, in den Landtag einziehen zu können, auch wenn sie ihren Wahlkreis in Kamen nicht direkt gewinnen sollte.

Machtkampf in der NRW-CDU

Im Sommer 2021 tobte in der NRW-CDU hinter den Kulissen ein Machtkampf um die Nachfolge des damaligen NRW-Ministerpräsidenten Amin Laschet (CDU), den Wüst letztlich für sich entschied. Teile der Partei hatten den Plan, Scharrenbach statt Wüst zu Nummer eins der CDU bei der Landtagswahl zu machen. In CDU-Kreisen wird vermutet, dass die Optionen, wie Scharrenbach inthronisiert werden könnte, auch bei der Geburtstagsfeier auf Mallorca  durchdekliniert worden sind.

In der Frauen-Union gab es Vorbehalte gegen Wüst, weil man glaubte, der Münsterländer sei zu provinziell und zu konservativ. Angeblich soll auch Laschet mit der „Variante Ina“ sympathisiert haben. Die scheiterte am Ende daran, dass Scharrenbach nicht über das Landtagsmandat verfügte, um Laschet nach dessen Wechsel nach Berlin direkt beerben zu können. Sie hätte nur über eine Übergangslösung im Ministerpräsidentenamt zur Spitzenkandidatin gekürt werden können.

Nach dem Desaster von Laschet bei der Bundestagswahl setzte sich in der NRW-CDU aber der Wunsch nach einer klaren Lösung durch. Niemand stand der Sinn nach einem offenen Konflikt zwischen Wüst und Scharrenbach. Die Kommunalministerin stellte ihre Interessen vorerst zurück und wurde mit dem Listenplatz zwei belohnt. Möglicherweise wurde ihr auch ein wichtigerer Posten in einem künftigen Kabinett in Aussicht gestellt.

„Das macht den Hendrik parteiintern noch stärker“

„Die Wüst-Kritiker haben sich durch ihr Mallorca-Treffen ins politische Abseits manövriert“, sagte ein Mitglied des CDU-Landesvorstands unserer Zeitung. Und fügte hinzu: „Das macht den Hendrik parteiintern noch stärker.“ Große Sorge bereitet den CDU-Strategen, dass die Partei durch weitere Enthüllungen noch tiefer in eine Glaubwürdigkeitskrise gestürzt werden könnte. Am 22. April wird Heinen-Esser erneut vor dem Flut-Ausschuss vernommen. Die SPD behält sich vor, auch Scharrenbach noch einmal als Zeugin vorzuladen.

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