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Marode Brücken in NRWSo viel Schaden richtet ein einzelner Lkw an

Lesezeit 3 Minuten
Nordbrücke Bonn

Die Nordbrücke in Bonn ist sanierungsbedürftig. (Archivbild)

  • Zwei Drittel der 1119 Autobahnbrücken in NRW müssen ersetzt werden.
  • Bund und Land investieren in diesem Jahr eine Rekordsumme in das Straßennetz.
  • Ein Lkw richtet auf einer Brücke so viel Schaden an wie 60.000 Pkw.

Köln – Von den 1119 Autobahnbrücken in NRW müssen knapp zwei Drittel ersetzt werden. Das erklärte Elfriede Sauerwein-Braksiek, Direktorin des Landesbetriebs Straßen NRW bei der Konferenz „Brücken.Zukunft.NRW“, die am Dienstag in Köln stattfand.

Eine Ursache für den schlechten Zustand der Bauwerke sei die Zunahme der Schwertransporte. „Vor acht Jahren erreichten uns 80.000 Anträge auf Genehmigungen von Schwertransporten, heute hat sich die Anzahl mit 200 000 pro Jahr mehr als verdoppelt“, sagte Sauerwein-Braksiek. Ein Lkw richte den gleichen Schaden auf den Straßen an wie 60.000 Pkw. Viele Brücken seien vor 50 Jahren für eine wesentlich geringere Belastung geplant worden.

Bund und Land investieren in diesem Jahr mit 1,36 Milliarden Euro so viel Geld in das NRW-Straßennetz, das ist so viel wie noch nie zuvor. Aktuell werden 45 Prozent der kürzeren Baustellen auf staugefährdeten Strecken nachts abgewickelt, die Anzahl der Wochenendbaustellen erreichte einen neuen Höchststand. Ein Drittel aller Bundesmittel für den Straßenbau fließen nach NRW.

Alles zum Thema Hendrik Wüst

Kommunen fehlen Planer

Große Sorge bereitet den Experten der Zustand der kommunalen Brücken. „Vielen Kommunen fehlen die Haushaltsmittel, um die in Jahre gekommenen Bauwerke instand zu setzen“, sagte Karsten Dietscheid, Sprecher des Arbeitskreises Kommunaler Ingenieurbau NRW. Regina Thümmler, Leiterin des Bereichs Tiefbau beim Kreis Recklinghausen, erklärte, sämtliche Querungen über die Lippe wiesen Schäden auf. Eine Brücke musste aus Sicherheitsgründen bereits gesperrt werden. „Durch die Baustellen auf den Fernstraßen weicht viel Verkehr auf die Nebenstrecken aus“, sagte die Diplom-Ingenieurin dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Viele Kommunen fehlten die Planungskapazitäten, um den Sanierungsstau abbauen zu können.

Bodo Middeldorf, Verkehrsexperte der FDP im Landtag, erklärte, alle Parteien hätten das Problem der alternden Infrastruktur in der Vergangenheit unterschätzt. „Das fällt uns jetzt vor die Füße“, sagte der Liberale. Auch beim Personal sei über Jahre hinweg zu viel gespart worden. Der Landesbetrieb Straßen NRW will mittelfristig 200 neue Ingenieure einstellen.

Attraktives Arbeitsumfeld

Weil das Land keine üppigen Gehälter zahlen kann, sollen die Fachleute durch attraktive Arbeitsbedingungen angelockt werden. „Für Frauen dürfte es zum Beispiel attraktiv sein, als Ingenieurin in Teilzeit zu arbeiten“, sagte Hendrik Schulte, Staatssekretär im NRW-Verkehrsministerium, dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Derzeit beschäftigt Straßen NRW allein 80 Fachleute mit der Aufgabe, die 10000 Landesbrücken regelmäßig zu überprüfen.

Arndt Klocke, Fraktionschef der Grünen im Landtag, forderte die Landesregierung auf, sich bei Erhalt der Infrastruktur nicht einseitig in das Straßennetz zu fokussieren. „Brücken sind oft Nadelöhre für den Verkehr. Fallen sie aus, müssen nicht nur Pendlerinnen und Pendler große Umwege auf sich nehmen, sondern auch der Güterverkehr“, sagte Klocke dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Verkehrsminister Hendrik Wüst (CDU) müsse einen politischen Schwerpunkt auch auf die Instandhaltung und Reparatur von Eisenbahnbrücken legen.

Straßen NRW-Chefin Sauerwein-Braksiek versicherte, trotz des enormen Reparaturbedarfs seien die Brücken sicher. „Es droht kein Brückenkollaps“, stellte sie klar. Eine Katastrophe wie in Genua sei wegen der besonders engmaschigen Beobachtung der Problembrücken nicht zu befürchten: „Kein Autofahrer muss Angst haben, dass unter ihm eine Brücke einstürzt.“

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