Meteorologe im Interview„Die höchste Regenmenge aller Zeiten in einem Winter“

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Ein Hund läuft in Duisburg am Abend neben einer Wasserpfütze entlang. 

  • Karsten Brandt, geboren 1973 in Bonn ist promovierter Klimatologe und gründete mit donnerwetter.de eine der ersten privaten Wetterdienstseiten überhaupt.
  • Seit 2010 betreibt Brandt die Wetterstation in Hellenthal Udenbreth, in der er auch die Ausstellung „Wetter, Klima und Mensch“ zeigt.
  • Im Interview mit Karlheinz Wagner spricht er über den vergangenen Winder, den kommenden Sommer und was das alles für unseren Planeten bedeutet.

Hellenthal-Udenbreth – Herr Brandt, am Wochenende hat der Frühling begonnen. Da darf man rückblickend die Frage stellen: Was war das für ein Winter?

Karsten Brandt: Das war überhaupt kein Winter, es war ein nasser, kalter Herbst. Die Jahreszeit Winter fehlte vollständig, nicht nur in den Städten, auch in den höheren Lagen von Eifel und Sauerland war es viel zu warm.

Ist das eine Auswirkung des Klimawandels?

Nicht nur, wie hatten auch eine besondere Strömung – einen außergewöhnlich starken Westwind – in diesem Winter. Das war fast permanent; wir nennen das die Nordatlantische Oszillation, die war diesmal so stark wie zuletzt 1990/91 – damals gab es an Karneval die Orkane »Vivian« und »Wiebke«, da ist damals vieles an Karneval ausgefallen. Seither war diese Oszillation nicht mehr so stark.

Was ist die Nordatlantische Oszillation? 

Damit wird die Stärke des Westwindes angegeben, die bildet sich in den Bereichen zwischen Island-Tief und dem Azoren-Hoch – wir hatten eine permanente Bildung von Tiefdruckgebieten über dem Atlantik mit permanenter Warmluftzufuhr aus Westen und Südwesten. Es gab eine ganz kurze Unterbrechung dieses Musters, kurz nach Weihnachten, ein paar Tage nur – ansonsten jeden Tag dieser starke Westwind und dadurch einer der wärmsten Winter aller Zeiten. 

Weiß man, warum das so ist – warum war das 1990/91 so? Und warum jetzt?

Schwer zu sagen; was man sagen kann: Die gleiche Wetterlage wie 1990/91 ist heute nochmal wärmer, und zwar um etwa 1 bis 1,5 Grad – im Prinzip zeigt sich der Klimawandel somit an jedem Tag und in jeder Wetterlage. Die Schwankung der Nordatlantischen Oszillation verstehen wir noch nicht ganz genau. Im Winter nehmen die Westwinde zu, was zu diesem milden Wetter führt; im Sommer ist dieser Zusammenhang so noch nicht nachgewiesen. Bleiben wir beim Winter in der Eifel – Sie haben die Daten statistisch erfasst.

Wir hatten am Weißen Stein in gut 700 Metern Höhe – das ist die kälteste Stelle! – einen Temperaturdurchschnitt von 2,7 Grad. Da merkt man selbst als Laie: Das ist warm. Früher, zwischen 1951 und 1980, war das die normale Wintertemperatur von Köln. Diesmal hatten wir in den Tälern von Rhein, Mosel und Rur eine Durchschnitt-Temperatur zwischen 6 und 7 Grad. Das ist eigentlich eine klassische Spätoktober-Temperatur. 

Wie sah es mit Schnee aus? 

Da muss man unterscheiden. Hier oben am Weißen Stein hatten wir etwas Schnee, aber natürlich sehr wenig. Erstaunlicherweise hatten wir Schneefall bereits am 18./19. November – fast 30 cm sind da gefallen bei Temperaturen um die null Grad und ein bisschen drüber. Das war sehr schwerer Schnee und leider nicht nutzbar für den Wintersportbetrieb.

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Vom 15. Dezember bis zum 19. Januar war der Weiße Stein komplett schneefrei. Dann gab es am 5./6. Februar 14 cm Schnee und dann noch mal am 28. Februar, da sind 30 cm gefallen – und da ist der hier Skilift kaputtgegangen. Wenn ich also sage: Wir hatten in diesem Winter 20 Tage Schnee, dann stimmt das nicht so richtig. Das waren meist nur ein oder zwei Zentimeter. 

Wie oft war der Ski-und Rodelhang da oben denn auf?

An zwei Tagen. Wenn mal Schnee lag, war es unter der Woche und konnte auch nicht genutzt werden. 

In Olpe-Fahlenscheid war man vor Winterbeginn recht zuversichtlich. Man hatte eine schöne Skihütte gebaut und eine Reihe Schneekanonen am Start. Sobald die Temperaturen mal für längere Zeit auf unter minus zwei Grad fallen, hieß es, laufen die Schneeerzeuger an und legen eine haltbare Schnee-Grundlage für den ganzen Winter. Das Problem: Es war so gut wie nie minus zwei Grad...

Ja, es war durchgehend zu warm. Die kältesten Tage in diesem Winter waren der 2. Januar mit minus 1,8 Grad und der 27. Februar mit minus 1,9 Grad. Und nein, nicht ein Tag war dabei mit konstant unter minus zwei Grad. 

Wie reiht sich dieser Winter ein in die Statistik der vergangenen Jahre? Gibt es eine Tendenz?

Ja, es gibt eine deutliche Tendenz. Den letzten kalten Winter hatten wir 2010 mit Temperaturen im Durchschnitt von null bis minus zwei Grad. Da sieht man: Die Distanz zu heute beträgt fast fast vier Grad! Aber solch ein kalter Winter ist – rein statistisch – demnächst mal wieder fällig, unabhängig von den Berechnungen und Statistiken, die belegen, dass es konstant wärmer wird. Das kann nächstes Jahr sein, kann auch noch etwas länger dauern, ist aber statistisch demnächst überfällig. 

War dies der wärmste Winter bisher? 

Er liegt in den Top 4 der vergangen 120 Jahre – da teilt er sich den Platz mit den Wintern der Jahre 1989/90, 2006/07 und 2013/14. 

Sie haben unlängst die Prognose gewagt, dass trotz Klimawandel der Schnee auf dem Weißen Stein ausreichen wird für ein bisschen Liftbetrieb und Wintersport. Der Februar sei in absehbarer Zeit noch so gut wie schneesicher... Und jetzt das. 

Da muss ich mich fast korrigieren. Wir hatten im Februar alles in allem 14 Schneetage, aber die haben halt nicht zum Skifahren gereicht. Ja man konnte hier Schnee erleben, aber zu mehr hat es nicht mehr gereicht.

In Winterberg war es meist kalt genug – zumindest für die Schneemaschinen und Kunstschnee – der Ort liegt nochmal 100 Meter höher als der Weiße Stein. Ist das entscheidend? 

Ja, diese 100 Meter sind in der Tat entscheidend. 50 bis 100 Meter unterhalb vom Weißen Stein – in Monschau oder in Blankenheim – gab es im Februar nicht mal die Hälfte der Schneetage. Der Weiße Stein lag immer so genau auf der Schneegrenze. 100 Meter höher gibt es dann Schnee und niedrigere Temperaturen. Da kann man die Schneeerzeuger laufen lassen. Anders als hier.

Der Winter war extrem nass – stimmt das mit Ihren Daten überein oder ist das ein subjektiver Eindruck? 

Der Eindruck täuscht nicht, es war gigantisch, die höchste Regenmenge aller Zeiten in einem Winter – wir hatten in Dezember, Januar, Februar 900 Liter pro Quadratmeter. Das ist unfassbar. Unten in Köln waren es noch 250 bis 300 Liter /Quadratmeter – auch das ist schon viel. Das hat aber auch sein Gutes: Die Talsperren sind wieder voll, seit Mitte Dezember geht der Regen auch wieder durch den zuvor völlig ausgetrockneten Boden in Richtung Grundwasser, auch da sind die Speicher zu einem großen Teil wieder ausgeglichen. Das ist eigentlich eine sehr, sehr gute Nachricht. 

Aus metereologischer Sicht: Was bedeutet ein solcher Winter für die folgenden Jahreszeiten? Gibt es Erfahrungswerte? 

Ja, schon. Diese Hochdrucklagen im Augenblick deuten darauf hin, dass wir im späten Frühling und Sommer mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit auch wieder Hochdrucklagen haben. Ich will jetzt keinen Super-Sommer versprechen, aber: Da gibt es einen gewissen Zusammenhang.

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