„Viele Priester, die darunter leiden"Debatte um Zölibat in Wipperfürth und Lindlar

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Priester (Symbolbild).

Wipperfürth/Lindlar – Sollen Priester heiraten dürfen? Im Rahmen der Debatte um das Zölibat in der katholischen Kirche wird auch hier vor Ort in den Kirchengemeinden diskutiert. Die Diskussion um das Zölibat sei nichts Neues, sagt der Wipperfürther Pastor Lambert Schäfer, jedoch hat das Thema an Aufmerksamkeit gewonnen. Nicht zuletzt durch die Aussagen des Münchner Erzbischofs Kardinal Reinhard Marx. In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung hatte Marx gesagt: „Bei manchen Priestern wäre es besser, sie wären verheiratet“.

So sieht es auch Sylvia Goller. Die 55-jährige Wipperfürtherin ist im Ortsauschuss Agathaberg und engagiert sich im Vorstandsteam der Katholischen Frauen, kurz KFD. „Ich finde, man sollte das Zölibat freiwillig stellen. Es gibt bestimmt Berufene, für die es der richtige Weg ist. Aber ich glaube auch, dass es viele Priester gibt, die darunter leiden. Für sie wäre die Möglichkeit eines freiwilligen Zölibats sicher sinnvoll“, so Goller. Wenn über das Eheverbot von Priestern in der Gemeinde gesprochen werde, bekomme sie mit, dass viele den Weg in Richtung Freiwilligkeit einschlagen würden, so die Wipperfürtherin.

Junge Wipperfürtherin wünscht sich Veränderung

Sylvia Goller organisiert im Rahmen des kirchlichen Ehrenamts auch immer wieder Jugendmessen in Agathaberg. Zu diesen kommt auch regelmäßig die 18-jährige Lara Steinbach. Ab und zu gehe sie ganz gerne in die Kirche. „Irgendwie ist es ja auch ganz schön und ich fühle mich in der Gemeinde aufgehoben. Gleichzeitig finde ich viele Standpunkte der Kirche aber auch sehr veraltet und die Haltung dazu engstirnig“, so die junge Wipperfürtherin. Sie würde sich eine Veränderung in der Kirche wünschen. Dazu sollte auch die Abschaffung des Zölibats gehören. „Vielleicht würde das ja auch gegen den Priestermangel helfen. Dann könnten auch Menschen, die heiraten möchten, Priester werden“, so die Vermutung der 18-jährigen Wipperfürtherin.

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Einen sehr ähnlichen Standpunkt vertritt auch Roswitha Schätzmüller. Die 67-Jährige kommt aus Linde und ist dort seit fast 20 Jahren im Kirchenvorstand aktiv. Seit der Corona-Pandemie übernimmt sie regelmäßig den Ordnungsdienst in ihrer Heimatkirche. Sie kontrolliert zum Beispiel die 3G-Nachweise und schaut, dass das Hygieneschutzkonzept eingehalten wird. Wenn Schätzmüller vom Kirchenleben erzählt, merkt man ihr an, dass sie sich gerne für ihre Gemeinde einsetzt. Ihr ist es eine Herzensangelegenheit, dass sich die Gemeinde aktiv in die Kirche einbringen kann.

Mehrheit der Gemeindemitglieder für Abschaffung

In Gesprächen mit Gemeindemitgliedern stelle sich häufig heraus, dass die Mehrheit die Abschaffung des Zölibats befürworte. „Wer hat denn überhaupt davon gesprochen, dass Priester nicht heiraten dürfen? Wer hat das gesagt? Viele Menschen fühlen sich mit Gott verbunden und wollen eine Familie haben. Ich sehe nicht, was gegen eine Ehe im Priestertum sprechen sollte“, erklärt Schätzmüller ihren Standpunkt. Sie habe bereits viele Menschen kennengelernt, die gerne und überzeugend predigen könnten, sich aber für ein Leben mit Familie entschieden hätten.

Auch der Lindlarer Diakon Michael Horn hat sich für ein Leben mit Familie entschieden. Ihm ist es wichtig, sich an die Lehrmeinung der Kirche zu halten. Gleichzeitig solle jeder für sich schauen, was der richtige Weg sei. „Wichtig ist, dass der Mensch glücklich ist und so auch die frohe Botschaft weitergeben kann“, so Horn.

Austrittszahlen

Kirchenaustritte in der Region

728 Menschen sind 2021 aus der Evangelischen oder der Katholischen Kirche in der Region ausgetreten. Die Zahl bezieht sich auf alle Kirchenaustritte im Zuständigkeitsbereich des Amtsgerichts Wipperfürth, der die Städte und Gemeinden Wipperfürth, Lindlar, Radevormwald und Hückeswagen umfasst. Eine Aufschlüsselung nach Konfession und Kommune ist nach Angaben des Amtsgerichtes nicht möglich.

Zum Vergleich: 2020 waren es 405 Kirchenaustritte und im Jahr 2019 verzeichnete das Amtsgericht 544 Kirchenaustritte. (lz)

Lindlarer Pfarrer nach wie vor für Zölibat

Lindlars leitender Pfarrer Martin Reimer sieht die Abschaffung des Zölibats dagegen als nicht so einfach an, wie einige Mitglieder seiner Kirchengemeinde. „Das Zölibat ist ja auch genau wie die Ehe ein Symbol, dessen Wert es zu entdecken und zu wahren gilt“, so Reimer. Er könne die Kritik am Zölibat, gerade in Hinsicht auf die Missbrauchsfälle in der Kirche, nachvollziehen, jedoch habe das Zölibat einen tieferen Sinn, der für Außenstehende oft nicht sichtbar sei: „Das Zölibat meint für mich, alles auf die eine Karte Jesu zu setzen. Er soll mein Herz vollkommen erfüllen und mich frei machen, um für die Gemeinde da zu sein“. Er habe für sich als Lebensform das Zölibat gewählt und möchte es weiterhin leben, auch wenn es zu einer Abschaffung des Zölibats kommen sollte, so Reimer. Für ihn geht es nicht um die Abschaffung, sondern um die Herausforderung, das Zölibat bewusst und gut zu leben.

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Auch Pastor Lambert Schäfer sagt, dass man die Frage nach dem Zölibat differenziert betrachten müsse: „Es muss nicht Ja oder Nein zum Zölibat, sondern Ja oder Nein zur Verpflichtung heißen.“ So schließt Schäfer, die Möglichkeit, dass Priester heiraten dürfen, nicht aus. Er persönlich befürworte in diesem Punkt das Modell der Orthodoxen Kirche. Dort darf lediglich in höheren Kirchenämtern nicht geheiratet werden. Wichtig sei, dass wenn Geistliche heiraten, sie in ihrem Auftrag für die Kirche von der Partnerschaft oder Familie unterstützt werden. „In unserem Pastoralteam sind derzeit vier von sieben Personen verheiratet, und das ist gut so“, sagt Schäfer.

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