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Corona-ImpfstoffOberberger Ärzte appellieren, auch Astrazeneca zu akzeptieren

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Impfspritze (Symbolbild)

Impfspritze (Symbolbild)

Oberberg – Die Diskussion über den Corona-Impfstoff Astrazeneca wird längst auch in Oberberg geführt. Am Freitag meldete sich in dieser Debatte auch der oberbergische Hausärzteverband – mit deutlichen Worten und einem Appell: „Lass Dich impfen!“ Aktuell, heißt es in der Mitteilung des Vorsitzenden Dr. Ralph Krolewski, werde zu Unrecht der Astrazeneca-Impfstoff „als geringwertiger und nebenwirkungsreicher eingeschätzt“.

Das liege aber daran, dass er anders als der von Biontech nur bei jüngeren Personen eingesetzt werde. Und die, so Krolewski, „reagieren heftiger als ältere auf alle Impfstoffe. Das wird als Reaktogenität bezeichnet.“ Tatsächlich verhindere der Impfstoff von Astrazeneca schwere und schwerste Verläufe in 82 Prozent der Fälle. Die richtige Antwort sei, sich impfen zu lassen, auch wenn Nebenwirkungen drohen: „Sei ein Impf-Held!“

Nebenwirkungen könnten abschrecken

Ein starker Appell, der notwendig geworden ist. Bereits zu Beginn der Woche hatte der ärztliche Leiter des Impfzentrums, Dr. Johannes Schlechtingen, berichtet, dass die Pflegedienste in der Region reihenweise Impftermine verfallen ließen. Er mutmaßte, dass die Nebenwirkungen bei Astrazeneca zahlreiche Menschen abschrecken könnten, zumal in Oberberg bis zu 30 Prozent der Geimpften grippeartige Nebenwirkungen hätten.

Auf der Suche nach Impflingen

Nach der vielfachen Absage von Impfterminen im Zusammenhang ist man im Umfeld des Impfzentrums auf der Suche nach Menschen, die künftig mit dem nur für unter 65-Jährige verwendeten Astrazeneca noch geimpft werden können. Das könnte nach Informationen dieser Zeitung dazu führen, dass kurzfristig auch schon Oberberger aus Kategorie zwei, also auch Menschen mit Vorerkrankungen, das Angebot erhalten, mit Astrazeneca geimpft zu werden.

Wie sie erfasst werden sollen, ist noch völlig unklar. Eine Möglichkeit wäre, wie zuletzt beim Versand von Berechtigungen für FFP2-Masken auf die bei den Krankenkassen hinterlegten Diagnosen zurückzugreifen. Wolfgang Brelöhr, DAK-Chef in Gummersbach und Vorsitzender des Kreisgesundheitsausschusses, hält sich bedeckt: „Das ist eine politische Entscheidung.“

Ob es überhaupt Vorbereitungen für den Fall gibt, dass Impfgruppe zwei schneller als geplant geimpft werden kann, dazu wollte sich der Kreis trotz mehrfacher Nachfrage vor und nach der Sitzung des Gesundheitsausschusses nicht äußern. Die Antwort beschränkte sich auf den Hinweis, das Ministerium habe „hierzu bisher keinen Erlass veröffentlicht“. Verbindliche Vorgaben blieben „abzuwarten.“

Unterdessen zeichnet sich ab, dass auch im Klinikum Oberberg künftig Astrazeneca und nicht mehr Biontech verimpft wird. „Wir wissen es nicht genau, aber wir gehen davon aus“, erklärte Sprecherin Angela Altz. Seit der Vorwoche sind die Impfungen ausgesetzt, weil der Stoff fehlt. Der Kreis, der für die Bestellung zuständig ist, teilt mit, dass Erstimpfungen von Mitarbeitern, die der ersten Priorisierungsgruppe angehören, abgeschlossen seien. Eine Erstimpfung für weitere Mitarbeiter könne derzeit nicht angeboten werden. (kmm)

Das kann der Chef des Dieringhauser Pflegedienstes „Die Alternative Hauskrankenpflege“, Uwe Söhnchen, nur bestätigen. Gut ein Drittel seiner Belegschaft sei nach der Impfung bis zu drei Tage ausgefallen. „Darauf hatten wir uns aber im Vorfeld eingestellt, da wir das erwartet hatten“, berichtet er. Allerdings ist Astrazeneca bei ihm nicht auf den von Schlechtingen geschilderten Widerstand gestoßen. „Bei uns sind 95 Prozent der Beschäftigen inzwischen geimpft“, berichtet Söhnchen. Im Bereich der Pflege seien nur zwei der 27 Mitarbeitenden nicht geimpft worden. Aus dem Bereich der Caritas im Oberbergischen berichtet deren Vorstandsvorsitzender Peter Rothausen von einer bis zu 60-prozentigen Impfbereitschaft in der Belegschaft. Das habe sich auch nicht verschlechtert, weil die zu Impfenden Astrazeneca bekämen. Rothausen räumt aber ein, dass es eine gewisse Enttäuschung in der Belegschaft darüber gebe, dass man den „nicht so guten Impfstoff“ erhalte.

Alle Zulassungsverfahren durchlaufen

Hin- und hergerissen sind auch Krolewskis Kollegen wie der Gummersbacher Allgemein- und Sportmediziner Dr. Jochen Viebahn, der in Niederseßmar eine Praxis mit Thomas Brauecker unterhält. Es sei zwar „Quatsch“, wenn Prof. Dr. Frank Ulrich Montgomery, Ehrenpräsident der Bundesärztekammer, von einem „Impfstoff zweiter Wahl“ spreche. Auch dieses Präparat sei durch alle Zulassungsverfahren gelaufen.

Andererseits: Auch Viebahn und Braeucker haben jetzt die Info bekommen, dass sie zeitnah geimpft werden sollen. Viebahn: „Ich werde mich impfen lassen. Wenn ich aber die Wahl zwischen Astrazeneca und Biontech hätte, würde ich mich immer für Biontech entscheiden.“

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Für den Bielsteiner Allgemeinmediziner Dr. Hans Balthes hat Impfen oberste Priorität. Die Diskussion über die Wahl des Impfstoffes versteht er daher nicht, zumal es auch auf den vielfach für besser gehaltenen Impfstoff Biontech gerade bei jüngeren Menschen starke Impfreaktionen gegeben habe.

In seiner Praxis gebe es die vielfach zu erlebende Verunsicherung der Patienten nicht. Wenn er gefragt werde, gebe er den Rat, sich auf jeden Fall impfen zu lassen, auch mit Astrazeneca. Ohne Impfung seien die Risiken weitaus größer.

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