Damit Lücken gar nicht entstehenApotheke des Klinikums kämpft gegen Lieferengpässe

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Nirosa Yogathamilmaaran kümmert sich rechtzeitig um den Nachkauf.

Nirosa Yogathamilmaaran kümmert sich rechtzeitig um den Nachkauf.

Gummersbach – Mal wird ein Antibiotikum knapp, mal ein simples Standardschmerzmittel. Mal fehlen Medikamente ein paar Wochen, manchmal sogar ein paar Monate. Kein Arbeitstag, an dem Lars Lemmer nicht damit beschäftigt ist, drohende Lücken in seinem Arzneimittelbestand zu verhindern.

Lars Lemmer ist Chefapotheker im Kreiskrankenhaus Gummersbach. Mit seinen Mitarbeitern versorgt er von hier aus nicht nur das eigene Haus täglich mit allen erforderlichen Medikamenten, sondern auch sieben weitere Häuser. Schon seit Jahren kommt es immer wieder zu Lieferengpässen.

Apotheke in Zahlen

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andere Kliniken versorgt die Zentralapotheke im Gummersbach Krankenhaus mit: das Krankenhaus in Waldbröl, das Zentrum für seelische Gesundheit in Marienheide und die ebenfalls zum Klinikum Oberberg gehörende Psychosomatische Klinik Bergisch Gladbach. Auch die Mediclin-Klinik und die My-Way-Klinik in Reichshof-Eckenhagen verlassen sich auf die Lieferung aus Gummersbach, ebenso ein Krankenhaus in Attendorn und die Schlosspark-Klinik in Bergisch Gladbach – alles in allem Häuser mit zusammen 1800 Betten.

1000

Patienten werden täglich mit Medikamenten aus Gummersbach versorgt, die meisten dreimal innerhalb von 24 Stunden.

6000

Tabletten und Kapseln verlassen die Gummersbacher Zentralapotheke täglich, von einem Automaten in 3000 durchsichtige Plastiktüten (Bag) verpackt und von einer Spezialkamera einzeln überprüft. Dazu kommen Salben, Cremes und Infusionen.

1500

verschiedene Medikamente hält die Zentralapotheke vor, viel weniger als eine niedergelassene Apotheke, die unterschiedliche Packungsgrößen, Hersteller und nicht verschreibungspflichtige Mittel vorrätig hat.

17

Millionen Euro beträgt der Etat der Zentralapotheke. (kn)

Der schlimmste Ausfall, erinnert sich Lemmer, passierte 2017, als eines der wichtigsten Antibiotika in ganz Deutschland über Monate hinweg nicht verfügbar gewesen sei. Als die Vorräte aufgebraucht waren, habe man den Patienten ein Präparat verabreichen müssen, das die Bildung von Resistenzen gegen Antibiotika begünstigte: „Das war nicht optimal, wie wir uns das wünschen, aber es gab keine Alternative.“

Die Ursachen sind unterschiedlich. Zahlreiche Hersteller haben ihre Produktion nach Fernost verlagert: Kommen die Präparate von dort beschädigt oder auch nur mit unvollständigem Aufdruck in Deutschland an, können sie vom deutschen Hersteller nicht freigegeben werden. Wenig verwunderlich für den erfahrenen Pharmazeuten Lemmer ist, dass Engpässe häufig bei preiswerten Arzneien auftreten, deren Produktion den Herstellern wenig Gewinn bringt.

Keine Engpässe bei teuren Medikamenten

„Wenn ein großer Produzent mit 3000 Mitteln im Sortiment deshalb eines davon einstellt, juckt den das nicht besonders.“ Erst recht, da die Preise, die die Krankenhäuser für ihre Medikamente zahlen, nirgendwo so niedrig seien wie in Deutschland. Die Krankenkassen handelten mit den Produzenten hohe Rabatte aus.

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„Dann wird dahin verkauft, wo es am meisten gibt; dann werden erst die USA und China beliefert.“ Bei Produkten, die aus menschlichem Blut gewonnen würden, sei das besonders extrem. Bei teuren Medikamenten dagegen, gebe es keine Engpässe: „Das Fläschchen Zytostatika für 5000 Euro kriegt man immer.“

Klinikum Oberberg ist Mitglied einer Einkaufsgemeinschaft

Längst hat sich die Gummersbacher Zentralapotheke auf die Probleme eingestellt. Ein Lagervorrat von zwei Wochen ist Pflicht, aber inzwischen reichen Lemmers Vorräte für einen Monat. Bei lebenswichtigen Mitteln kaufen seine Mitarbeiter Vorrat für zwei oder sogar drei Monate ein. Mehr gibt das Budget nicht her, zu große Lagerbestände sind totes Kapital.

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte bietet eine ständig aktualisierte Übersicht zu Lieferengpässen in Deutschland an. Aber Krankenhausapotheker wie Lars Lemmer sind selbst gut untereinander vernetzt. Das Klinikum Oberberg ist Mitglied in einer Einkaufsgemeinschaft mit 54 anderen Krankenhäusern. Auch dort verfolgen die Chefapotheker die Lieferlage sehr aktiv und informieren die Kollegen, wenn sich ein Engpass abzeichnet.

Zusammenarbeit auch direkt mit mittelständischen Unternehmen

Dann heißt es, rasch zu reagieren. Wird – wie unlängst – Ibuprofen 800 knapp, kauft Lemmer sofort mehr von der 400er Variante ein, der Patient bekommt zwei statt einer Tablette. Oder der Chefapotheker weicht auf andere Präparate aus, die anders dosiert werden müssen, zum Beispiel bei einer örtlichen Betäubung. Per Mail werden alle Ärzte sofort informiert und eine geänderte Dosierung empfohlen. Der Patient soll von alledem nichts merken.

Inzwischen arbeiten die Klinikapotheker auch direkt vor allem mit mittelständischen Produzenten zusammen und vereinbaren langfristige Lieferkontrakte. „Die garantieren uns im Falle einer Knappheit, dass garantiert wir und nicht ein plötzlich auftauchender Großabnehmer beliefert werden.“ 

Fehlende LKW-Fahrer belasten Versorgungssicherheit

Als 2018 eine Gruppe Blutdruckmittel wegen des Verdachts möglicherweise krebserregender Verunreinigungen ausfiel, habe man in Slowenien einen Hersteller gefunden, der binnen einer Woche lieferfähig gewesen sei und der als EU-Produzent alle erforderlichen Sicherheitszertifikate habe vorweisen können.

So versucht Lemmer täglich aufs Neue, seine Apotheke um mögliche Engpässe oder -ausfälle herumzumanövrieren, denn: „Es tut weh, wenn man den Patienten nicht das Optimum verabreichen kann.“ Verhindern lässt sich das nicht immer. Selbst dass ein Patient eines Tages ein Mittel gar nicht bekommt, kann Lemmer nicht ausschließen. Denn die Versorgungssicherheit der Klinikapotheken gerät auch von anderer Seite unter Druck: Zigtausende Lkw-Fahrer fehlen in Deutschland, auch deswegen hätten Arzneimittelhersteller schon Lieferungen abgesagt.

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