Decker Sozialraummanagement in WiehlPraktische Hilfe für das kaputte System „Familie“

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Für die schnelle Unterstützung gerüstet: Firmengründer Jörg Decker im Kreise seiner Mitarbeiterinnen (v.l.) Christina Naumann-Schramm, Bettina Horn und Ann Cathrin Lück.

Für die schnelle Unterstützung gerüstet: Firmengründer Jörg Decker im Kreise seiner Mitarbeiterinnen (v.l.) Christina Naumann-Schramm, Bettina Horn und Ann Cathrin Lück.

Wiehl – Wenn bei den Mitarbeitern vom Decker Sozialraummanagement in Wiehl eine Meldung vom Jugendamt eingeht, weiß dort jeder: Ein Kind ist in Not. „Wir haben rund um die Uhr, 365 Tage im Jahr Bereitschaft für diese Fälle“, erklärt Jörg Decker. „In der Regel fahren wir mit dem Jugendamt und teilweise der Polizei zu den Familien, um uns die Situation anzuschauen. Es gilt das Vier-Augen-Prinzip“.

Hintergrund

Decker Sozialraummanagement (zurzeit 37 Mitarbeiter) ist ein anerkannter Träger der freien Jugendhilfe mit diesen Schwerpunkten: Bereitschaftspflege, Schulsozialarbeit, Projekte für unbegleitete Flüchtlinge, Beratung von Schulverweigerern, Akuthilfe für „Mülli- und Messi-Familien“ und Elternpaten.

Was er und seine Kollegen erleben, ist selten schön: „Ich war schon bei Familien, da war der Boden mit Müllsäcken bedeckt, die voll Katzenkot waren. Darauf schliefen die Kinder“, berichtet der Jugendhelfer, der die Firma 2010 gegründet hat. „Dass die Kinder in der Familien bleiben können, hat für uns dennoch Priorität. Wir können heute viel anbieten, um Familien zu unterstützen und zu entlasten.“

Das bedeutet, dass sein Team in wenigen Stunden bei einer Familie erscheinen kann: Mit Elektrikern, Hauswirtschaftern, Psychologen, Sozialarbeiter und einem Container werde klar Schiff gemacht. „Wir räumen den Müll gemeinsam aus der Wohnung. Es waren schon mal 13 volle Tonnen“, sagt Decker. „Das verbindet und schafft Vertrauen – unentbehrlich für eine gute Zusammenarbeit.“ Die Familien seien oft nicht mehr in der Lage, den Alltag zu managen. „Die Waschmaschine ist kaputt, der Müll türmt sich, es schimmelt in der Wohnung. Alles Dinge, die wir beheben können. Wir haben auch eine Versicherungskauffrau im Team. Sie hilft, Briefe zu öffnen, Akten anzulegen und Schuldner zu beraten. Praktisches eben, um das System wieder in Funktion zu bekommen.“

Das Bewusstsein für Kinder in Not ist da

Auch vermittelt das Team schnell und unkompliziert Fachärzte in der Nähe. Diese passgenaue Hilfe fruchtet jedoch nicht immer: „Leider kommt es auch zum Äußersten und wir müssen die Kinder aus der Familie nehmen. Manchmal sind sie erst wenige Monate jung. Und ich hole sie von der Intensivstation ab. Das ist schon ein Scheiß-Start ins Leben“, sagt Decker. Auch deshalb setzt er sich dafür ein, Frühwarnsysteme zu etablieren.

Er verfügt über ein gutes Netzwerk vom Sportlehrer bis zum Pfarrer, hat in der Vergangenheit mehr als 4000 Ehrenamtler im Umgang mit Kindeswohlgefährdung geschult. „Ein wichtiger Bestandteil unserer Jugendhilfe ist die strukturierende Schulsozialarbeit, mit der wir Eltern, Lehrer und Schüler unterstützen.“ Bisher ist er damit in Waldbröl, Reichshof und Morsbach erfolgreich am Start. Eine kreisweite Umsetzung ist in Planung. „Kurze, unbürokratische Wege und schnelle Hilfen sind das A und O.“ Verweigere ein Kind bereits drei Monate die Schule, sei die Integration kaum mehr möglich“, weiß Decker, der wie sieben seiner Mitarbeiter zertifizierte Kinderschutzfachkraft ist. Für Decker ist es in der Jugendhilfe trotz vieler positiver Veränderungen immer noch fünf nach zwölf: „Das Bewusstsein für Kinder in Not ist da. Es gibt mehr Hinweise von besorgten Mitmenschen und wir können flexibler helfen. Wir können die Gelder vom Jugendamt heute viel gezielter einsetzen, da die Budgetierung nicht mehr fallgebunden ist. Dennoch erfährt immer noch mindestens jedes achte Kind Gewalt. Und damit meine ich nicht die Ohrfeige.“

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