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DiabetikerwarnhundIn Wiehl hat ein Familienmitglied eine ganz feine Nase

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Anna Schimmel und Harvey beim Training: Elke Laegner (l.) bildet Harvey derzeit als Diabetikerwarnhund aus.

Wiehl – Als Anna Schimmel ins Zimmer kommt, springt ihr Hund Harvey sie an, kratzt an ihren Beinen und zerrt an ihrem Shirt. „Fein Harvey, super!“, lobt Schimmel. Verkehrte Hundewelt: Anstatt den sieben Monate alten Königspudel für sein rüpelhaftes Benehmen zurechtzuweisen, wird dieser mit einem Leckerli belohnt. Denn was aussieht wie die respektlose Pöbelei eines unerzogenen Hundes, kann im Ernstfall das Leben der 26-Jährigen retten. Es ist das Ergebnis intensiven Trainings.

Denn Anna Schimmel hat seit drei Jahren Diabetes Typ I, und Harvey steckt mitten in der Ausbildung zum Diabetikerwarnhund. „Er ist ein solcher Streber“, begeistert sich seine Halterin, und Trainerin Elke Laegner kann nur zustimmen. Anna Schimmel und Harvey sind zur dritten Trainingseinheit nach Bomig gekommen, und der junge Rüde hat schon viel gelernt, nachdem er als wuscheliger Welpe zusammen mit seiner Besitzerin seine erste Unterrichtsstunde absolviert hat.

Im Ernstfall schlägt Harvey auch nachts an 

„Mein Freund und ich wollten schon immer  gern einen Familienhund haben“, erzählt die junge Frau. „Als ich an Diabetes erkrankte, habe ich mich informiert,  dass speziell ausgebildete Hunde mit ihren feinen Nasen einen Blutzuckerabfall  unter einen kritischen Wert zuverlässig anzeigen können – als Ergänzung oder auch Ersatz für die moderne Technik der Blutzuckermessung. Mir ständig  in den Finger zu stechen, da kam für mich nicht in Frage.“ Zudem warne der Hund im Ernstfall auch nachts, wenn die Gefahr besteht, dass Anna Schimmel im Schlaf ins Koma fällt.

Schon jetzt reagiert Harvey auf den speziellen Geruch, den ein Diabetiker bei einer Unterzuckerung ausströmt.  „Das sind biochemische Prozesse, die wir Menschen gar nicht wahrnehmen“, erklärt Elke Laegner. „Darauf wird der Hund trainiert.“ Sobald Anna Schimmel ein Shirt mit Geruchsspuren einer Unterzuckerung trägt, „warnt“ Harvey, wie er es gelernt hat. Und weil Hund und Halterin zu einem perfekten Duo zusammen wachsen sollen, gibt’s den Unterricht immer für beide gemeinsam.  Seit 14 Jahren ist  Elke Laegner in ihrer Freizeit Trainerin  im Diabetikerhunde-Netzwerk.

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Weil sie sich durch ihren Beruf als Polizeihundeführerin und Ausbilderin von Rauschgiftspürhunden  mit der Hundeerziehung auskannte, half sie damals einer Bekannten, den Warnhund  für ihr diabeteskrankes Kind  zu trainieren. „Eigentlich ist jeder Hund dafür geeignet“, erklärt die 50-Jährige. „Ob Beagle oder Labrador, Tierheimhund oder Jack Russel. Wichtig ist, dass er freundlich und nicht aggressiv ist und einen Spieltrieb hat“, zählt sie auf. Hunde wollten ja Aufgaben übernehmen. 

Natürlich müsse gleichzeitig eine „normale“ Grundausbildung stattfinden. Anna Schimmel besucht mit Harvey regelmäßig eine Hundeschule.  Bei Elke Laegner lernt er als „Fortgeschrittener“ gerade, bei einer Unterzuckerung  zusätzlich zum Anspringen und  Kratzen eine elektronische  Glocke zu betätigen, um Hilfe herbeizuholen –  und gerät dabei  prompt vor Begeisterung ganz aus dem Häuschen. Bald könne er anzeigen, wenn der Blutzucker schnell sinkt, noch bevor der kritische Wert erreicht sei, hofft seine Besitzerin. „Dabei ist erste Stunde sei  ziemlich lustig gewesen“, erinnert sie sich schmunzelnd.

Mit einem Stofffetzen lernen

Während Harvey mit einem verschwitzten Stofffetzen mit Unterzuckerungsgeruch aus Laegners Vorrat das Anzeigen trainierte, übte  sie selbst mit einem Stoffhund den Ablauf von Schnüffeln, einen Klicker zur Bestätigung bedienen und dem Belohnen. Inzwischen rückt die Prüfung zum Assistenzhund  für Harvey näher.

Rund 1000 Euro wird seine  Ausbildung einschließlich Prüfungsgebühr am Ende kosten. „Das ist erschwinglich“, findet Anna Schimmel.  „Wenn man einen fertig ausgebildeten Hund kauft, legt man  dagegen gut und gern 25.000 Euro hin.“ Und Laegner ergänzt:  Der sei dann noch nicht mal abgestimmt auf die besonderen Bedürfnisse des neuen Halters. Manche Diabetiker würden zum Beispiel bei einer Unterzuckerung unleidlich und sogar aggressiv.

Gerade in solchen Situationen sei es wichtig, dass der Hund lerne, dieses nicht als Strafe für auf sich und sein Verhalten zu verstehen.  Noch trägt der Pudel  das Geschirr, das ihn als Azubi ausweist. Aber schon jetzt begleitet er Anna Schimmel ins Büro oder zum Einkaufen. „Da muss ich manchmal darauf hinweisen, dass er das als Assistenzhund darf – und nicht die Wurst von der Theke klaut.“

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