Ein Job für ExpertenTierarzthelferin Andra Licht zieht Mauersegler groß

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Mauersegler_(19)

  • Andra Licht ist Tiermedizinische Fachangestellte und arbeitet im Tierheim Koppelweide.
  • Sie zieht zehn kleine Mauersegler und ein Schwalben-Junges auf, die ungewöhnliches Verhalten aufweisen.
  • Zum Beispiel Liegestützen vor dem ersten Flug.

Waldbröl/Wiehl – Ein mehrstimmiges Gepiepse ertönt, als Andra Licht zwei durchsichtige Plastikboxen aus ihrem Badezimmer holt. Zehn kleine Mauersegler und ein Schwalben-Junges hocken darin, weich gebettet auf Decken. „Man kann sie nicht in Käfigen halten. Darin könnten sie ihr Gefieder zerstören“, erklärt die Ziehmutter. Das sei gerade bei Vögeln, die fast ihr gesamtes Leben in der Luft verbringen, ein Todesurteil.

Eines der Mauersegler-Küken, das in Lichts Obhut wohl an die tausend Heimchen verspeist hat, ist flügge, zu erkennen an den gut ausgebildeten Schwungfedern. Und am Verhalten. „Wenn sie Liegestütze machen, sind sie soweit“, erklärt die Expertin. Liegestütze? „Sie versuchen, ihren Körper mit den Flügelspitzen vom Boden abzuheben. Wenn sie es nicht schaffen, weil sie zu schwer sind, fressen sie weniger“, erklärt die 28-Jährige dieses ungewöhnliche Verhalten.

Ungewöhnlich ist alles an diesen kleinen Luftakrobaten, die nur aus Flügeln zu bestehen scheinen. Das ist es auch, was ihre Aufzucht so schwer macht und der Grund, warum ein Laie es nicht versuchen sollte. Zum Beweis holt die Expertin ein Vogelbaby aus der Box und präsentiert dessen schlecht ausgebildetes Federkleid. „Das hatte jemand gefunden. Es war völlig unterernährt, als es zu mir kam.“

Mauersegler_(19)

Andra Licht ist Tiermedizinische Fachangestellte und hat acht Jahre lang ehrenamtlich in der einzigen Mauersegler-Klinik Deutschlands in ihrem Heimatort Frankfurt mitgeholfen. Vor fünf Jahren zog sie wegen des Jobwechsels ihres Freundes nach Waldbröl. Seither arbeitet sie im Tierheim Koppelweide. Von dort stammen auch Sammy, ihr dreijähriger Staffordshire-Rüde, sowie ihre drei Katzen und Kaninchen.

Privates Aufziehen ist nicht unüblich

Es ist nicht unüblich, dass Tierheim-Mitarbeiter Wildtiere privat aufziehen. Eine Kollegin habe drei Mäusebabys in Pflege, manchmal seien es auch Feldhasen, auch ein Waschbär-Junges sei schon dabei gewesen, sagt Andra Licht. Ihre Mauersegler-Karriere begann mit 15 Jahren, als sie ein Junges fand und in Kontakt mit der Mauersegler-Klinik kam. Heute erhält sie kleine Mauersegler von überall her. Aus Düsseldorf, Olpe, Bonn, Lindlar, Lüdenscheid, Winterborn und Gummersbach stammen ihre derzeitigen Zöglinge, die alle Namen erhalten und zu ihrer Unterscheidung mit einem kleinen, weißen Farbklecks auf dem Gefieder markiert werden. Das mache die Arbeit gleich viel übersichtlicher.

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In ihrem Zuhause päppelt Andra Licht die kleinen Mauersegler so lange auf, bis sie bereit für ihre ersten Flüge sind.

Deutlich zu unterscheiden ist indes die kleine Schwalbe, deren Aufzucht wesentlich unkomplizierter ist. Sie reißt einfach den Schnabel auf, sobald man ihr ein Insekt mit der Pinzette hinhält. Bei den Mauerseglern ist das anders. „Man muss den Kopf der Mutter imitieren“, erklärt Licht und zeigt, wie sie ihre Fingerspitze in den Hals des Vogels steckt, während sie mit der anderen Hand seitlich Heimchen, Wachsmottenlarven und Drohnenbrut hineinschiebt. Sechs Wochen lang müssen die Kleinen mindestens sechsmal am Tag auf diese Weise gefüttert werden, bevor sie dann spontan losfliegen. Im Unterschied zur Schwalbe und allen anderen Vögeln, müssen Mauersegler Fliegen und Jagen nicht lernen, sie können es einfach.

Eines der Jungen flattert und kratzt an der Box – ein weiteres Zeichen dafür, dass es flügge ist. Andra Licht nimmt es in ihre Hände und trägt es auf die Terrasse. Der kleine Vogel spannt seine riesigen Flügel auf und steigt hoch in die Luft empor. Nach ein paar Runden überm Haus ist er verschwunden. „Das nächste Mal wird er erst in zwei Jahren wieder landen – wenn er brütet“, sagt die Expertin. Bis dahin wird der Mauersegler zweimal im weit entfernten Afrika gewesen sein. (ins)

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