Ereignisse von 1989Oberberger erinnern sich, als in Berlin die Mauer fiel

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Die Mauerinstallation "Horizonte" zur Erinnerung an den Mauerfall 1989 steht vor dem Goethe-Schiller-Denkmal und dem Deutschen Nationaltheater Weimar. 

  • Melanie Raabe: Die anderen Kinder trugen coolere Sachen
  • Christoph Schindler: Der Papa war schon vor der Wende Fan des VfL
  • Simone Baum: Freiheit mit Sekt am Bahnhof gefeiert

Gummersbach – Die Öffnung der Berliner Mauer vor 30 Jahren hat Spuren hinterlassen, auch bei vielen Menschen, die heute Oberberger sind. Einige von ihnen erzählen uns heute zum Jahrestag ihre eigene Geschichte zum Mauerfall und dessen Folgen.

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Melanie Raabe

Melanie Raabe: Die anderen Kinder trugen coolere Sachen

Sie war gerade einmal acht Jahre alt, als die Mauer fiel: Bestsellerautorin Melanie Raabe kam unmittelbar nach der Wende aus Thüringen nach Wiehl und wuchs in Oberberg auf. Sie erinnert sich: „Am Tag selbst merkte ich höchstens durch die Reaktion meines Umfeldes, dass etwas Bedeutendes passiert war.“

Heute, sagt sie, sei sie froh, dass alles so kam, wie es gekommen ist: „Eine friedliche Umwälzung, eine Revolution ohne Blutvergießen. Wie selten das ist, wie kostbar.“ Sie erinnert sich noch gut an ihre Begegnung mit anderen Kindern in Oberberg. Sie sagt: „Die sprachen ein bisschen anders als ich und trugen coolere Sachen. Ansonsten waren sie genau wie ich.“ (ebu)

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Christoph Schindler

Christoph Schindler: Der Papa war schon vor der Wende Fan des VfL

Noch jünger als Raabe, nämlich gerade einmal sechs Jahre alt, war VfL-Geschäftsführer Christoph Schindler, als heute vor 30 Jahren die Mauer fiel. „Was an diesem Tag bei uns passiert ist, weiß ich nur noch aus den Erzählungen in der Familie“, erzählt Schindler, der in Bad Liebenwerda, 120 Kilometer südlich von Berlin, aufgewachsen ist.

„Meine Großeltern sind an den Tagen danach mal zum Einkaufen nach Berlin gefahren.“ Er selbst weiß nur noch, dass er zum ersten Schuljahrgang gehörte, der nicht mehr den Pionier-Dienst verrichten musste. Handball habe schon vor dem Mauerfall eine große Rolle in seiner Familie gespielt – und damit auch der VfL Gummersbach: „Obwohl die Mauer dazwischen lag, war mein Papa damals schon VfL-Fan.“

Schindler selbst verschlug es nach dem Abitur 2003 in den Westen – oder besser gesagt in den hohen Norden, nach Kiel. Durch den Handball blieb er westlich der alten Grenze, im Gegensatz zur Familie. Die lebt bis heute in Südbrandenburg. „Inzwischen bin ich aber nicht mehr der einzige: Eine Cousine von mir hat es inzwischen nach Bayern verschlagen“, sagt Schindler schmunzelnd. (kmm)

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Simone Baum

Simone Baum: Freiheit mit Sekt am Bahnhof gefeiert

Politisch aktiv war Simone Baum (59), heute Ratsmitglied der CDU Engelskirchen und NRW-Vorsitzende der Werte-Union, schon als junge Frau in der DDR. Als Mitglied der SED machte sie sich aber nicht nur Freunde. Mit 18 Jahren trat sie ein, um studieren zu dürfen, verließ die Partei aber Jahre später wieder.

Über ihre Konflikte mit der SED sagt sie: „Ich wollte von innen heraus etwas verändern und meine Meinung sagen.“ Das sei naiv gewesen, sagt sie. „Ich dachte, man kann so etwas bewirken.“ Doch ihre Aktivitäten gefielen dem Regime nicht, sie verlor nicht nur ihren Studienplatz, sondern wurde auch von der Staatssicherheit beobachtet. Ausreisen wollte sie mehrmals, erlaubt wurde es ihr nicht.

Umso größer war ihre Freude, als sie am Abend des Mauerfalls ihren Fernseher einschaltete. Sie hatte gerade ihren Sohn ins Bett gebracht, als sie die Nachrichten sah. „Mir sind die Tränen so übers Gesicht gelaufen. Ich war fassungslos, freudig und voller Erleichterung.“ Sie wohnte in einem kleinen Dorf nahe Saalfeld an der Saale.

Dorthin ging sie sofort, nachdem sie vom Mauerfall erfuhr, besuchte ihre Familie. Dann dauerte es nicht lange, bis sie die DDR verließ. „Etwa eine Woche lange habe ich alles für den Umzug geregelt. Dann bin ich über Hessen mit dem Zug direkt nach Köln gefahren.“ Dort angekommen, traf sie ihren Mann, der schon einige Zeit früher ausgereist war. Was sie als Erstes im Westen gemacht haben?

„Wir haben noch im Bahnhof eine Flasche Sekt geöffnet und die Freiheit gefeiert.“ Später zog es sie weiter nach Oberberg. „Ich fand das so schön hier, ein bisschen wie in Österreich, oder auch wie in Thüringen.“ (ebu)

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Markus Weber

Markus Weber: Neuer Drucker für die Schülerzeitung

Ganz spezielle Probleme in der Schule hatte Markus Weber, der heute in Schnellenbach wohnt und im VfL Engelskirchen als Leichtathlet aktiv ist, nach der Wende – nämlich die wechselnden Lehrpläne, die der Mauerfall mit sich brachte.

„Das war so kurz vor dem Abitur ziemlich ungünstig“, erzählt der 47-Jährige, der in Penig nahe Chemnitz aufgewachsen ist. Der Mauerfall kam für ihn unerwartet. Im Fernsehen verfolgte er die Ereignisse und spürte in der Schule die Veränderungen.

Worüber er sich besonders freute: „Endlich konnten wir in der Schülerzeitung die Themen besprechen, die wir machen wollten und bekamen ganz neue Geräte zum Drucken der Zeitung.“ 1992 kam er für sein Studium nach Wuppertal, seit zwölf Jahren wohnt er in Engelskirchen. Hier fühlt er sich heute heimisch, auch wenn er das westdeutsche Schulsystem nach wie vor unübersichtlich findet: „Jede Schule hat andere Bücher und ein anderes System. Das war im Osten einfacher.“

Auch mehr Chancengleichheit habe er erlebt: „In der DDR musste ich nicht zwangsläufig besser sein als andere.“ Für Weber war die Flucht aus der DDR seinerzeit keine Option. „Man hätte von innen heraus etwas verändern müssen. Ich wäre von selbst nie gegangen und habe das auch nie verstanden.“ (ebu)

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Sylvia-Kathrin Tanneberger

Sylvia-Kathrin Tanneberger: In der Höhle verwurzelt

Sylvia-Kathrin Tanneberger (58) sagt über sich selbst: „Ich war eine DDR-Bürgerin mit allem, was dazu gehört – den guten und den schlechten Seiten.“ Als die Mauer fiel, war die heutige Pächterin der Aggertalhöhle in Merseburg, wo sie an der Technischen Hochschule studierte. Erst ihre Kollegen, die vor dem Fernseher saßen, machten sie auf den Mauerfall aufmerksam. Ihre Reaktion darauf?

Erst einmal skeptisch. „Ich dachte: Naja, okay. Erstmal abwarten, was da jetzt passiert.“ Ein paar Wochen später reiste sie nach West-Berlin. „Ich wollte den Kuhdamm sehen und mein Begrüßungsgeld abholen.“ Wofür sie das ausgab? „Ich habe mir einen Walkman gekauft, um Kassetten hören zu können.“ Nach ihrer Dissertation ging die gelernte Softwareentwicklerin nach Bonn, um dort zu arbeiten.

Nach Oberberg zog es sie nicht zuletzt wegen ihrer Leidenschaft für die Höhlenforschung: „Das war toll. In der DDR brauchten wir als Höhlenforscher für jede Besichtigung eine Genehmigung. Hier wurde das vertraglich geregelt.“ Obwohl sie den Zusammenhalt der Menschen im Osten sehr schätzte, will sie nicht zurück. Zu sehr liegt ihr die Aggertalhöhle am Herzen: „Ich bin hier eingepflanzt und angewachsen. Meine Wurzeln stecken in der Höhle.“ (ebu)

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Bürgermeister Ulrich Stücker.

Ulrich Stücker: Hautnah dabei, als die Mauer fiel

Keine Ost-Biografie, aber trotzdem seine eigene Mauerfall-Geschichte kann Wiehls Bürgermeister Ulrich Stücker erzählen: Gerade 23 Jahre alt war er und für sein Studium ein paar Tage in Berlin – heute vor genau 30 Jahren: Mit zwei Kommilitonen übernachtete er in einem VW-Bus.

Zum Duschen gingen sie ins Schwimmbad in Moabit. Der fehlende Komfort war schnell vergessen, als klar wurde, dass am 9. November die Mauer fiel. Der gebürtige Wuppertaler erinnert sich: „Wir waren hautnah dabei, als die Grenze aufging. Die Spannung in der Stadt war greifbar.“

Stücker und Co. eilten zum Brandenburger Tor, wollten ein Stück der Mauer mitnehmen. Vor Ort habe sich ein ergreifendes Bild gezeigt: „Wir lagen uns mit fremden Menschen in den Armen.“ In den Tagen danach sei ans Studieren nicht zu denken gewesen.

Die ganze Stadt feierte und Stücker war mit seinen Studiumskollegen mittendrin „Plötzlich saßen wir in einer völlig überfüllten U-Bahn in Ost-Berlin. Die Stadt platzte aus allen Nähten.“ Es sei vielleicht sogar ein bisschen naiv gewesen, so unbeschwert durch die frisch vereinte Stadt zu laufen, aber: „Keiner von uns hat darüber nachgedacht, dass es eine Gefahr geben könnte.“ (ebu)

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