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Geschichten auf 88 TastenJeongwon Ham brilliert beim Klavierfestival Lindlar

Lesezeit 3 Minuten
Die Pianistin Jeongwon Ham bei ihrem Konzert in Lindlar.

Die Pianistin Jeongwon Ham bei ihrem Konzert in Lindlar.

Lindlar – Für Jeongwon Ham war es ein echtes Heimspiel. Die Professorin für Klavier an der University of Oklahoma kommt seit 2014 jedes Jahr zum Klavierfestival nach Lindlar, um dort – gemeinsam mit Professor Falko Steinbach – die Studierenden des Meisterkurses zu unterrichten.

„Mein Herz schlägt für Lindlar“

Jeongwon Ham ist zudem eine hervorragende Pianistin und erfreut die Besucher des Festivals stets mit einem oder zwei Konzerten. Pandemiebedingt war das zwei Jahre lang nicht möglich. Umso größer die Wiedersehensfreude, beim Publikum als auch bei der Pianistin. „Mein Herz schlägt für Lindlar“ bekennt die sympathische Künstlerin.

Joseph Haydns Sonate in Es-Dur (Hoboken-Verzeichnis XVI/52) gehört zu den spät entstandenen Sonaten. Mit spielerischer Leichtigkeit fliegen die Finger über die Tasten, perlende Läufe erzeugen eine gelöste, heitere Stimmung. Die gebürtige Südkoreanerin, die in Deutschland studiert hat, spielt nicht nur sehr präzise, sie gestaltet die Musik und erzählt regelrecht kleine Geschichten auf den 88 weißen und schwarzen Tasten. Vieles an dieser großen Sonate erinnert schon an Beethoven, bekanntlich ein Schüler Haydns.

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Zum musikalischen Genuss trägt auch die wunderbare Akustik des Kulturzentrums Lindlar bei, die die Musik sehr transparent erklingen lässt.

Franz Schuberts Impromptu in B-Dur, Nummer 3 (Deutsch-Verzeichnis 935) greift ein Thema aus der Bühnenmusik zu „Rosamunde“ auf und variiert dieses Thema, von der Pianisten sehr schön umgesetzt.

Ein Werk, das anfangs als unspielbar galt

Von Schubert geht es weiter zu Maurice Ravel und seinem frühen Klavierzyklus „Gaspar des la Nuit“ (der Nachtkasper – wohl auch eine andere Bezeichnung für den Teufel). Jeongwon Ham spielt den ersten Satz „Ondine“ – das traurige Märchen von der Wassernixe Undine, die sich in einen Sterblichen verliebt. Grundlage für Ravels „Gaspar“ war der gleichnamige Gedichtband des französischen Lyrikers Aloysius Bertrand. Zur Einstimmung tragen Monika Uhlig und Isabelle de la Rochette dem Lindlarer Publikum Bertrands Prosagedicht vor, erst auf Deutsch, dann auf Französisch.

Unter Pianisten ist der „Gaspar“ aufgrund der technischen Höchstschwierigkeiten gefürchtet, galt anfangs sogar als „unspielbar“. Für Jeongwon Ham kein Problem – sie gestaltet die Regentropfen an den Fenstern genauso unheimlich und plastisch wie die wogenden Wellen und Ondines Tränen, unter denen die Nixe zerfließt.

Lyrische Melodien und dramatische Klanggewitter

Fünf Jahre vor seinem Tod komponierte Frederic Chopin seine dritte und letzte Klaviersonate,  Opus 58 in h-Moll. Ein großes, romantisches Werk, das zwischen zarten, lyrischen Melodien und dramatischen Klanggewittern changiert. Jeongwon Hams Interpretation überzeugt gerade deshalb, weil sie sich einem Wettkampf nach dem Motto „Ich kann es schneller“ verweigert. Mit stehendem Applaus wird sie vom Publikum gefeiert, die Pianistin bedankt sich mit einer Bearbeitung von „Embraceable You“ von George und Ira Gershwin als Zugabe.

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