Im Dorfhaus Wiehl-Dreisbach„Russlanddeutsche Konservative“ luden Holocaustleugner ein

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Das am Ortsrand gelegene Dorfhaus wurde am Samstag für eine Versammlung von Rechtsextremen angemietet.

Das am Ortsrand gelegene Dorfhaus wurde am Samstag für eine Versammlung von Rechtsextremen angemietet.

  • Rechtsradikale unter sich: In Wiehl trafen sich vergangenes Wochenende Holocaustleugner.
  • Der Vorsitzende des Dreisbacher Dorfvereins hatte offenbar keine Ahnung, an wen er da vermietete.
  • Eine bislang nicht in Erscheinung getretene Gruppe machte auf das Treffen aufmerksam.

Dreisbach – Entwickelt sich der Oberbergische Kreis zum sicheren Rückzugsraum für Rechtsextremisten? Diese Sorge treibt Gerhard Jenders um, Sprecher des Vereins „Oberberg ist bunt“, der sich gegen Fremdenfeindlichkeit und rechte Gewalt einsetzt. Anlass ist ein rechtsextremes Treffen mit mehr als 50 Teilnehmern im Dorfhaus von Wiehl-Dreisbach am vergangenen Wochenende.

Eingeladen hatte die Organisation „Die russlanddeutschen Konservativen“, deren Führung sich weitgehend mit der Spitze des radikalen Arminius-Bundes (s. Kasten) überschneidet. Auf der Tagesordnung standen laut Einladung unter anderem Vorträge über den „Kampf um die deutsche Kultur“ und über „Turnvater Jahn – ein glühender Patriot“. Öffentlich gemacht wurde das Treffen im Dreisbacher Dorfhaus von der bisher nicht in Erscheinung getretenen Gruppe „Antifaschistische Recherche Oberberg“ (AROB). In einer Mail an Redaktionen und Parteien weist AROB darauf hin, dass sich „der harte Kern der neonazistischen Holocaustleugner-Szene“ in Dreisbach getroffen habe.

Nicht das erste Treffen

Zu den Referenten gehörten demnach unter anderem der „Schriftleiter“ von „Volk in Bewegung“, einer als neonazistisch eingestuften Zeitschrift. Angekündigt war laut Einladung zudem der Auftritt des Gründers der „Europäischen Aktion“, eines Schweizer Holocaustleugners, der aber krankheitsbedingt von einem Gesinnungsgenossen vertreten worden sei, wie berichtet wird.

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Den Saal angemietet hatte eine Marienheiderin, die bei der Kreistagswahl 2014 in Oberberg für den rechtsextremen Arminius-Bund angetreten ist. Es war bereits der dritte Termin, den die Frau dort organisiert hatte. Im Internet findet man Videoaufnahmen von einem ersten „Lesertreffen“ der ebenfalls „Die russlanddeutschen Konservativen“ betitelten Internetzeitschrift, die im Jahr 2018 im Dorfhaus stattfand. Der Dreisbacher Dorfvereinsvorsitzende Hans-Peter Banning hatte nach eigenen Angaben keine Ahnung, welche Gesellschaft sich unter dem Dach des Dorfhauses versammelt hat. Alle Treffen seien als private Gesellschaften angekündigt worden und unauffällig abgelaufen.

Arminius-Bund und Russlanddeutsche Konservative

Der NRW-Verfassungsschutz kommt zu folgender Einschätzung der in Dreisbach vertretenen Organisationen: „Der nordrhein-westfälische Landesverband des Arminius-Bundes wurde am 23. März 2013 in Wiehl gegründet. Derzeit hat er in Nordrhein-Westfalen seinen organisatorischen Schwerpunkt in Düren. Neben dem nordrhein-westfälischen Landesverband existieren auch Landesverbände in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz.

Als Partei hat der Arminius-Bund in 2018 keine Aktivitäten, wie beispielsweise Wahlantritte entfaltet. Gleichwohl liegen beim Arminius-Bund aber weiter tatsächliche Anhaltspunkte für eine verfassungsfeindliche rechtsextremistische Bestrebung vor, da dieser sich öffentlich dazu bekennt, in der ideologischen Tradition des Nationalsozialismus zu stehen und unmittelbar an das nationalsozialistische Leitbild der Volksgemeinschaft anknüpft. Bundesweit hat der Arminius-Bund ungefähr 40 Mitglieder. Der Landesverband in Nordrhein-Westfalen umfasst etwa 15 Mitglieder. Bei den „Russlanddeutschen Konservativen“ (RDK) ist weitgehend der gleiche Personenkreis wie im Arminius-Bund aktiv. Die rechtsextremistische Gruppierung wird vom nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz beobachtet. Die RDK gibt eine Printzeitung heraus, eine Online-Zeitung und organisiert gelegentlich Lesertreffen. Letzteres dient zur ideologischen Selbstvergewisserung und zur Vernetzung mit anderen rechtsextremistischen Organisationen.“ (tie)

Erst im Nachhinein sei er von der Stadt über die Hintergründe informiert worden. Banning versichert, dass rechtsextreme Propaganda ihm persönlich „absolut zuwider“ sei. Nur wisse er nicht, wie er die Treffen hätte verhindern können: „Wir können uns ja nicht von jedem Nutzer ein polizeiliches Führungszeugnis vorlegen lassen.“ Am Mittwochabend hat Banning eine außerordentliche Vorstandssitzung einberufen. Er will im Nutzungsvertrag festschreiben, dass politische Veranstaltungen bei der Anmietung künftig ausdrücklich deklariert werden müssen. Banning weist darauf hin, dass auch die „Profis“ von der Wiehler Stadtverwaltung vom 2017 in der Wiehltalhalle geplanten (und dann abgesagten) AfD-Parteitag überrascht worden seien.

Bürgermeister Ulrich Stücker erinnert daran, dass die Stadt der AfD die Nutzung der städtischen Halle aus rechtlichen Gründen gar nicht hätte verweigern dürfen. Die Vereine hätten größere Freiheiten. Er will die nächsten Gelegenheiten nutzen, die Ortsvereine davor zu warnen, dass in ihren Sälen zweifelhafte politische Veranstaltungen angemeldet werden können.

„Element Investigate“ beobachtet rechtsradikale Umtriebe im Netz

Die Kreispolizeibehörde war am Freitag von der Kölner Staatsschutzabteilung über das Treffen informiert worden. Ein Sprecher der Kölner Polizei sagt, dass die Kollegen in Oberberg zwar in Frage kommende Versammlungsorte angefahren, den richtigen aber nicht gefunden hätten. Ein Eingreifen wäre ohnehin schwierig gewesen, denn ohne gesicherte Hinweise auf mögliche Straftaten sei das Treffen als geschlossene Gesellschaft durch das Versammlungsrecht geschützt.

Besser informiert war ein nach eigenen Angaben in der Schweiz ansässiger Journalist, der als verdeckter Besucher an dem Dreisbacher Treffen selbst teilgenommen und die von AROB verbreiteten Informationen recherchiert hat. Der Mann hat auch Videoaufnahmen gemacht, die er Fernsehmagazinredaktionen anbieten will. Gegenüber unserer Zeitung möchte er aus Sicherheitsgründen seinen Namen nicht nennen. Er sei Mitglied der Gruppe „Element Investigate“, die rechtsradikale Umtriebe im Internet beobachtet und dort angekündigte Veranstaltungen besucht. So auch in diesem Fall.

Verdeckte Recherche

Der Veranstaltungsort sei ihm gegenüber nicht bekanntgemacht worden. Nach der Anmeldung sei er zu einem Treffpunkt gefahren und von dort zum Dorfhaus geführt worden. Vor Ort habe er noch geholfen, rechtsextreme Bücher und Zeitschriften in den Saal zu tragen.

Von seinen Recherchen hat der Journalist auch in einem bereits veröffentlichten Beitrag für das Internetportal „Belltower News – Netz für digitale Zivilgesellschaft“ berichtet, das von der Berliner Amadeu-Antonio-Stiftung betrieben wird. Zur Eröffnung der Veranstaltung, so der Journalist dort, seien die ersten drei Strophen des Deutschlandlieds gesungen worden. Ein AfD-Funktionär habe gesprochen und Bemühungen seiner Partei kritisiert, rechtsradikale Mitglieder auszuschließen.

Der Augenzeuge berichtet von „neonazistischen Umsturzplänen“: Die Redner hätten festgestellt, dass eine „Neuordnung der Gesellschaft und des Staates nicht durch Parteien, Vereine oder Körperschaften zu erreichen“ sei. Die Strukturen der nur scheinbar aufgelösten „Europäischen Aktion“ arbeiteten daran, sich auf den „Tag X“ vorzubereiten, an dem eine neue Ordnung aufgebaut werde.

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