Impfen statt EinschränkenKreis Oberberg trotz steigender Zahlen unbesorgt

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Eine Ausgangssperre wie im letzten Winter wird es in Oberberg nicht mehr geben. Stattdessen setzt der Kreis auf Impfungen.

Eine Ausgangssperre wie im letzten Winter wird es in Oberberg nicht mehr geben. Stattdessen setzt der Kreis auf Impfungen.

Oberberg – Wer damit gerechnet hat, dass die aktuellen Infektionszahlen Landrat Jochen Hagt beeindrucken, erhielt die passende Antwort gleich zu Beginn der Online-Pressekonferenz am Freitagnachmittag. Trotz der am zweiten Tag in Folge NRW-weit höchsten Inzidenz sei er nicht sehr unruhig, sagte Hagt: „Die Ministerpräsidentenkonferenz am Donnerstag hat es gezeigt: Die Inzidenz ist einfach nicht mehr der maßgebliche Wert, sondern die Hospitalisierungsquote.“

Alle Informationen aus der Pressekonferenz am Donnerstag, gibt es hier.

Bis zu 30 „Superspreader-Events“ im Kreis

Auch die Krankenhäuser im Oberbergischen seien voll, vor allem wegen der von der aktuellen Welle besonders betroffenen Kommunen in der Mitte und im Süden. Dort, erklärte die Leiterin des Kreisgesundheitsamtes, Kaija Elvermann, habe es zuletzt bis zu 30 „Superspreader-Events“ gegeben, nach denen es zu vielen Ansteckungen gekommen sei. Die seien dem Kreis alle bekannt, benennen wollte sie sie nicht. Nur soviel: „Es sind nicht nur Karnevalsfeiern. Es sind auch Veranstaltungen in Kirchengemeinden, von Musikvereinen oder die Schulen. Es ist sehr vielfältig.“

Die Schulen seien von vielen Ausbrüchen betroffen, vor allem die Grundschulen. Die Grundschule in Bernberg sei aber die einzige, die zurzeit komplett in Quarantäne geschickt worden sei. Ansonsten seien immer nur einzelne positiv Getestete betroffen. Warum es die weiterführenden Schulen nicht so trifft? „Weil dort viele freiwillig weiterhin Maske im Unterricht tragen.“ Elvermann und auch Landrat Hagt machten keinen Hehl daraus, dass sie die Abschaffung der Pflicht dazu in Nordrhein-Westfalen als Grund für die aktuelle Welle sehen.

Hagt bittet Schüler und Lehrer Masken anzulassen

Hagt machte aber auch deutlich, dass ihm gar nichts anderes übrig bleibe, als ein Appell an die Schüler und Lehrer, die Maske auf zu lassen. Eine rechtliche Verpflichtung könne nur das Land regeln. Das, so der Landrat, sei ohnehin der Unterschied zu den hohen Inzidenzen Anfang des Jahres: „Der Kreis könnte, selbst wenn er wollte, gar nicht mehr das alles verhängen, was damals möglich war.“

Und Hagt möchte das auch gar nicht. Denn der Landrat bleibt auch deshalb gelassen, weil er glaubt zu wissen, warum Oberberg wieder so hohe Inzidenzen hat und warum das gar nicht so gefährlich ist, wie man denken könnte.

Gemeinsam mit Elvermann und Kreisdirektor Klaus Grootens verweist er auf die Erkenntnisse des Gutachtens von Prof. Dr. Nico Mutters, Leiter des Institutes für Hygiene und Öffentliche Gesundheit des Uniklinikums Bonn: Oberberg sei zwar an der Spitze bei der Inzidenz, aber dafür sei die Sterblichkeit gering. „Daran“, so Elvermann, „ändert auch die scheinbare Häufung von Todesfällen, die wir aktuell hatten, nichts.“ Der Schluss von Grootens – ebenfalls nicht ganz neu: „Wir testen viel, also finden wir auch viel.“

Impfen statt Einschränkungen

Statt auf Einschränkungen des öffentlichen Lebens wie Anfang des Jahres setzt Hagt deshalb vor allem auf eines: Impfen, Impfen, Impfen. Gesundheitsdezernent Ralf Schmallenbach schilderte, dass mit den drei Impfstellen, die am Montag im alten Impfzentrum in Gummersbach, am Bahnhofsplatz in Hückeswagen und – das war neu – jetzt auch in der Festhalle des Krankenhauses in Waldbröl öffnen sollen, die Geschwindigkeit der Booster-Impfungen, die allein bei den Hausärzten mehrere Monate gedauert hätten, verdoppelt werden solle.

Der Andrang zum Boostern sei ein Grund für die überlaufenen Stopps des Impfmobils zuletzt am Freitag in Nümbrecht, so Schmallenbach: „Ursprünglich waren sie darauf ausgelegt, dass wir damit nur Erstimpfungen machen und so die Impfquote noch erhöhen.“ Die gebe es immer noch wie am Bismarckplatz, wo 125 der am Ende 533 Impfungen Erstimpfungen gewesen seien. Zuletzt seien aber immer mehr Menschen zur Auffrischung gekommen.

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Neun Ärzte, neun medizinische Fachangestellte und 30 Mitarbeiter der Verwaltung sollen die Arbeit der Impfstellen und des zweiten Impfmobils ab Montag unterstützen. Die „vulnerablen Gruppen“ und jene, die nicht so mobil sind, sollen sich weiter an ihre Hausärzte wenden. „Die Mobileren und Jüngeren sollen zu uns kommen“, sagt Schmallenbach.

Weniger Geimpfte und mehr Fälle in Kreismitte und Süden

Auf das Impfen zu setzen, sei neben dem Appell an jeden Einzelnen, sich wieder vorsichtiger zu verhalten, das einzige probate Mittel, so Hagt. Denn, so Elvermann, auch das zeigten die aktuellen Erhebungen der Bonner Uni: „90 Prozent der Übertragungen finden durch Ungeimpfte statt.“ Und: „Die entsprechenden Kommunen in der Kreismitte und im Süden sind vielleicht auch deshalb stärker betroffen, weil dort weniger Menschen geimpft sind.“

Warum das so ist? Elvermann erklärt es damit, dass die Bevölkerung dort jünger sei. Die Nachfrage, ob es nicht doch vor allem freikirchliche Gemeinden seien, die für aktuelle Ausbrüche verantwortlich sind, will sie hingegen so nicht stehen lassen. „So einfach ist es nicht – wirklich nicht“, sagt Elvermann: „Das hieße zu sehr Schwarz-Weiß-Malerei zu betreiben. Es gibt aber viel mehr Grau bei den Sozialräumen, in denen es ein höheres Risiko gibt.“

Alle zu Hause

Die Wiehler Grundschule der Freien christlichen Bekenntnisschule Gummersbach (FCGB) hatte gestern alle 200 Kinder in häuslicher Isolation, nachdem in allen acht Klassen positive Pooltests aufgetreten waren. Die stellvertretende Schulleiterin Ida Klaus nennt das Vorgehen eine Vorsichtsmaßnahme. Eine Allgemeinverfügung wie für die Bernberger Grundschule gibt es noch nicht. „Alle Kinder werden jetzt einzeln nachgetestet“, sagt Klaus. „Ich hoffe, dass es nur einzelne Fälle gibt.“ (tie)

Auch Kreisdirektor Grootens warnt vor einer „Stigmatisierung von Gruppen“. Der Kreis sei dabei, mit den Bonner Forschern zu dieser Frage noch mehr herauszubekommen, so Elvermann: „Da muss ich noch um Geduld bitten.“

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