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Interview zu Homeschooling in Gummersbach„Sonst heißt es: Jetzt leg das Ding mal weg“

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Drei Töchter gleichzeitig im Netz: Sabine Bech hat ihren Haushalt für's Homeschooling technisch aufrüsten müssen.

  • Sabine Bech (44) ist Vorsitzende der Elternpflegschaft der Gesamtschule in Gummersbach-Derschlag und Mutter dreier Töchter (11,14 und 17) im Homeschooling. Reiner Thies sprach mit ihr über den pädagogischen Ausnahmezustand.

Wie fühlen Sie sich als Homeschool-Leiterin? Sabine Bech: Ich hatte es mir schlimmer vorgestellt. Gestern habe ich noch zu meinem Mann gesagt, dass das Homeschooling seine positive Seiten hat: Die Kinder lernen, selbstständig zu arbeiten. Wie viel zusätzliche Zeit investieren Sie in die Betreuung der Kinder?

Das ist absolut überschaubar und kein Problem, weil ich gerade in Kurzarbeit bin. Die Kleine hat es ganz gern, wenn ich in der Nähe bleibe. Auch in normalen Zeiten muss ich den Kindern am Nachmittag mal eine Frage beantworten. Das gilt, auch wenn der Alltag an der Gesamtschule für Schüler und Eltern viel entspannter ist als am Gymnasium. Aber natürlich gibt es auch Eltern, die sagen: „Wenn das bis Ostern so weitergeht, könnt Ihr mich in der Marienheider Klinik besuchen.“

Haben Sie technisch aufrüsten müssen?

Unsere Jüngste hat wie die anderen Kinder der Jahrgänge 5,6 und 11 ein Tablet von der Schule bekommen. Die Ausstattung soll anderswo nicht so gut sein, habe ich gehört. Für die beiden älteren Mädchen haben wir Endgeräte angeschafft. Im ersten Lockdown mussten wir uns ein einziges Laptop teilen und viel übers Handy regeln.

Was wissen Sie über die technischen Möglichkeiten in den anderen Schülerhaushalten?

Da habe ich noch von keinen größeren Problemen gehört. Sicher gibt es Eltern, die sich nicht trauen, mit ihren Problemen an die Schule heranzutreten. Aber ein Handy müssten die meisten ohnehin haben.

Werden viele Schüler den Anschluss verlieren?

Natürlich ist die Betreuung der schwachen Schüler im Präsenzunterricht besser. Und die Eltern müssen jetzt mehr dahinterstehen. Ich glaube aber, wenn der Schüler will, hat er gute Chancen, auch unter diesen Umständen mitzukommen. Wir werden sehen. Wir haben allerdings die Sorge, dass das Abitur unserer Großen später einmal nicht als ebenbürtig angesehen werden könnte.

Wie gut ist die Anleitung und Betreuung durch die Lehrer?

Es ist wichtig, dass die Schüler eine Struktur bekommen. Der Unterricht beginnt um 8.05 Uhr, die Anwesenheit wird kontrolliert. Mein Eindruck ist, dass die Lehrer immer erreichbar sind. Sie geben ihr Möglichstes. Die Schule lässt niemanden allein.

Was hat sich seit dem ersten Lockdown geändert?

Der Start im Frühjahr war holprig. Viele ältere Lehrer mussten sich erst technisch einfinden. Manche haben Aufgaben per E-Mail für die ganze Woche geschickt. Es fehlte an Struktur. Aber die Schule hat die Zeit genutzt. Jetzt läuft es viel besser.

Wie kriegen Sie die Kinder nach Schulschluss weg vom Bildschirm und an die frische Luft?

Sonst heißt es immer: „Jetzt leg das Ding doch einmal weg.“ Das ist natürlich schwierig geworden. Da ist es gut, wenn die Sportlehrer einen Waldlauf aufgeben. Mit Computerspielen haben wir keine großen Probleme, was daran liegen mag, dass es Mädchen sind.

Wie sehr leiden die Kinder unter dem Abstand zu ihren Freunden?

Die Mädchen wünschen sich nichts sehnsüchtiger, als dass die Schule wieder beginnt. Und sie vermissen den Handball. Man merkt es daran, dass sie jetzt viel mehr telefonieren. Ich bin froh, dass meine Töchter sich untereinander auch mal helfen. Natürlich zicken sie sich auch an. Dass die Reizbarkeit unter diesen Umständen steigt, ist ja nachvollziehbar.

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Aber ich sehe auch hier das Positive: Ein Mitschüler meiner Jüngsten meinte: „Der Zusammenhalt in der Klasse ist durch das Homeschooling größer geworden.“ In der Videokonferenz unterhalten sich alle munter miteinander, auch wenn die Pause begonnen hat. Und es geht sogar um die Themen aus dem Unterricht!

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