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Kennen Sie die?Oberbergs skurrile Straßennamen und ihre Herkunft

Lesezeit 6 Minuten

  • Am Freien Stuhl, Auf der Ente oder Am Nordpol: Woher kommen diese lustigen Straßennamen?

Nordpol – Es gibt sie  beinahe in jedem oberbergischen Ort: Straßennamen, die  auffallen, weil sie außergewöhnlich sind oder gar lustig klingen. Wirft man einen zweiten Blick auf die Namen, lassen sich häufig  interessante geschichtliche Bedeutungen  erkennen. Einigen dieser besonderen Straßennamen aus dem Oberbergischen ist Linda Thielen nachgegangen und hat einen Blick auf die Entstehung der Namen geworfen – nicht immer mit Erfolg.

Bergneustadt

Bis zum Ende des Mittelalters muss man zurückgehen, wenn man sich fragt, woher die Straße Am Freien Stuhl ihren Namen hat – genauer gesagt bis ins 15. Jahrhundert. Denn zu dieser Zeit gab es auch in Oberberg ein spezielles Gericht, von dem nur Freie verurteilt wurden, das sogenannte Femegericht. Darauf bezieht sich wohl der Straßenname in Bergneustadt, wie auch der Bergneustädter Heimatforscher Werner Lenz 2016 in seinem Buch „Spuren im Nebel der Bicken und Micken“ festhält. Für ein Mysterium sorgt schon lange der Heinzelmännchenweg. Selbst Heimatforscher kamen bei ihren Nachforschungen zur Namensherkunft des Weges, der direkt am „Historischen Eiskeller“ liegt, nicht weiter.

Engelskirchen

Im tierfreundlichen Dörfchen Wallefeld stößt man auf die Straße Auf der Ente, die übrigens auch in Dieringhausen existiert. Mit dem gefiederten Tier hat der Straßenname allerdings keine Gemeinsamkeit, sondern geht auf eine alte Flurbezeichnung zurück. Die früher als „Tente“ bezeichneten Scheune verlor im Laufe der Zeit ihr „T“ und wurde kurzerhand zur Ente. Beschlossen wurde dieser Straßenname bereits 1968 auf Vorschlag des Hauptausschusses.

Ebenfalls in Engelskirchen befindet sich die Straße Im Schlund. Die Straße hieß früher „Buschhauser Hang“, wurde jedoch später umbenannt und namentlich von der neuen Bezeichnung verschluckt. Den Hinweis auf die Umbenennung findet man in der Niederschrift des Gemeinderates vom 20. März 1969. Der Schlund geht ebenfalls auf eine alte Flurbezeichnung zurück, die bereits in der Katasterkarte 1832 verzeichnet ist.

Gummersbach

Wie der in Gummersbach zu seinem Namen kam, wird wohl für immer ungeklärt bleiben. Eins steht jedenfalls fest: Kälter als in den benachbarten Straßen ist es dort nicht. Auch Marcus Dräger vom Bergischen Geschichtsverein konnte das Rätsel um den Straßennamen bisher nicht lösen: „Weil mich das auch interessierte, bin ich in die Sackgasse gefahren und habe ein paar Anwohner gefragt. Die nannten mir die beiden ältesten Damen, die dort schon über 40 Jahre wohnen und die konnten es auch nicht sagen.“ In einer alten Akte aus dem Stadtarchiv war zwar der Beschluss aus dem Bauausschuss für diese Straßenbenennung dokumentiert worden, eine Begründung sucht man dort aber vergebens, sodass sich der Ursprung des Namens heute nur schwer nachvollziehen lässt.

Während die einen am Nordpol vergeblich nach Eisbergen Ausschau halten, können auch die Anwohner Am Silbersee lange nach glänzenden Schätzen suchen. Laut Marcus Dräger habe es damals oberhalb dieser Straße einen Steinbruch gegeben, der mit einem See geflutet war. Diesen See gibt es heute nicht mehr. Im Straßennamen wurde er jedoch für die Ewigkeit festgehalten. „Da wurde wahrscheinlich jemand in romantischer Anlehnung an Old Shatterhand erinnert“, meint Dräger.

In die Fantasiewelt taucht man hingegen in der Gummersbacher Straße Am Einhorn. Amalie Müller Thiels schreibt am 13. November 1926 in der damaligen Volkszeitung, der Name habe sich „aus sagenumwobener, dunkler Zeit zu uns herübergerettet.“ In der Straße habe ein Wesen gelebt, welches die Anwohner „so getauft und vor dem sie in abergläubischer Furcht erbebten.“ Der Historiker Jürgen Woelke kann diese Spekulation nicht so ganz teilen. Er vermutet 1975 in seinem Buch „Alt-Gummersbach“, dass sich der Name aus dem Firmenzeichen der dort befindlichen Apotheke ableitet, in dem ein Einhorn zu sehen ist.

Marienheide

An der Ringmauer in Marienheide verlief früher tatsächlich eine Mauer, die Begrenzung des Klosters. Teile davon sind heute noch zu sehen. In Müllenbach schritten die Einwohner Auf der Vogelruthe bis zirka 1880 zum Platz für das Königsvogelschießen: Vogelruthe hieß damals die Haltestange, auf der der Holzadler saß. Erst viel später kamen die abzweigenden Straßen Meisenweg und Amselfeld zu ihren Namen – obwohl diese putzigen Arten im Schützendorf Müllenbach keineswegs zum Abschuss freigegeben sind. In Rodt gibt es die Friesenstraße. Wer hier eine Hommage an Norddeutsche vermutet, liegt aber falsch: Der Name soll zurückgehen auf den Mitbegründer der Turnkunst, Friedrich Friesen (1784-1814) – denn die Straße führt geradewegs zur Turnhalle. Im Jahr 2002 wurde eine abzweigende Straße trotzdem Jeverweg getauft, nach der Stadt in Friesland. Dort gibt es seitdem auch einen echt-friesischen Harlinger Weg und Ammerlander Weg. Was dazu wohl Turner Friesen gesagt hätte? Der stammte aus Magdeburg.

Morsbach

Die Straße Auf der Stippe erinnert an eine bekannte Redewendung. Im Mittelalter befand sich in Morsbach eine Zoll- und Raststation für Pferdekutschen. Die Pferde wurden auf der Stippe abgespannt und versorgt.

Damit die Kutschen, die nur eine Achse hatten, währenddessen nicht umkippten und die Deichsel nicht im Dreck lag, wurden die Kutschen aufgestippt. Ins Auge fallen in Morsbach auch die Straßen Auf der Flöte und Im Stillen Winkel. Was es mit den Namen auf sich hat, konnte jedoch nicht in Erfahrung gebracht werden.

Nümbrecht

Auch in den anderen Ortschaften finden sich Straßennamen, die auffallen, wie zum Beispiel der Honigbusch oder das Löchelchen in Nümbrecht. Die Namensherkunft bleibt auch hier bisher ungeklärt.

Reichshof

Die Straßen Halbhustener Weg und Hustener Straße haben nichts mit einer Erkältung zu tun, sondern weisen auf die Orte Husten und Halbhusten hin, in deren Richtung die jeweilige Straße führt.

Woher die Namen kommen, bleibt auch nach ausführlicher Recherche aus. Marcus Dräger fügt jedoch schmunzelnd hinzu: „In Reichshof sagt man übrigens: Halbhusten, Husten, Heiserkeit.“

Wiehl

Wenn man im Sommer Auf der Wäsche in Wiehl unterwegs ist, bekommt man in der Tat das ein oder andere Kleidungsstück zu Gesicht, das im Garten in der Sonne hängt und vor sich hin trocknet. Mit der Kleidung der Anwohner hat die Straßenbezeichnung allerdings weniger zu tun, sagt Thomas Sahm von der Stadt Wiehl. Er hörte sich um und bekam von seinen langjährigen Kollegen Hinweise. Demnach soll die Straße „Auf der Wäsche“ in Mühlhausen ihren Namen bekommen haben, da dort früher Bleierzgruben betrieben worden seien. Aus dem Wasser des Alpebachs wurde die gespeiste Erzwäsche als Aufbereitungsanlage für das geförderte Erzgestein genutzt.

Waldbröl

Schmunzeln muss man auch in Waldbröl beim Ziegenbusch in Ziegenhardt. Lustig wird es außerdem am Hähnchen, wo man allerdings vergeblich nach Geflügel Ausschau hält. Viele dieser Bezeichnungen gehen auf alte Flurbezeichnungen zurück, die Namensursprünge lassen sich jedoch nur schwer verfolgen.

Cornelia Grassow vom Bauamt der Stadt Waldbröl fasst zusammen: „Viele Straßennamen im Oberbergischen entstanden durch die Zusammenlegung der Kommunen 1969/70. Die einzelnen Orte konnten außerdem selbst Vorschläge für Straßennamen machen.“ Und eins steht fest: Ein Haus am Sonnenhang verkauft sich einfach besser als ein Haus im Regenloch. (red)

Kennen auch Sie lustige oder außergewöhnliche Straßennamen im Oberbergischen? Oder wissen Sie mehr über die Entstehung des einen oder anderen Namens der genannten Straßen? Schreiben Sie uns bitte: redaktion.oberberg@ksta-kr.de

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