NümbrechtDiskussion um NS-Vergangenheit von Otto Kaufmann reißt nicht ab

Lesezeit 7 Minuten
Die Umbenennung der Otto-Kaufmann-Straße hat der Nümbrechter Rat beschlossen, die Diskussion um seine Person hält an.

Die Umbenennung der Otto-Kaufmann-Straße hat der Nümbrechter Rat beschlossen, die Diskussion um seine Person hält an.

Nümbrecht – In der Diskussion um Otto Kaufmann bezieht der Heimatverein Nümbrecht, in dessen „Heimat-Klängen“ der Bericht erschien, an dem sich die Diskussion unter anderem entzündete, eindeutig Stellung. Elke Holländer-Pracejus (1. Vorsitzende) und Fabian Scheske (2. Vorsitzender) schreiben nach der Wortmeldung dreier Mitglieder, dass Ulrich Runkel, Dieter Hüschemenger und Hans Joachim Söhn ihre persönliche Meinung vertreten, „nicht die des Heimatvereins“.

Der Nümbrechter Rat hat bereits einstimmig beschlossen, die Otto-Kaufmann-Straße umzubenennen. Auszug aus der Begründung: „Mit der Straßenbenennung verfolgt die Gemeinde Nümbrecht unter anderem das Ziel, verdiente Persönlichkeiten der Gemeinde zu ehren und damit auch ihre Vorbildfunktion hervorzuheben. Selbst unter Würdigung der Verdienste nach dem Krieg kann unter Einbeziehung der aktiven Tätigkeiten von Otto Kaufmann während der NS-Herrschaft diese Vorbildfunktion nicht mehr uneingeschränkt testiert werden. Mit dieser konkurrierenden Lebenseinschätzung würde heute eine Straßenbenennung nicht erfolgen.“

„NS-Vergangenheit nicht fallen lassen“

Marcus Dräger, Vorsitzender der oberbergischen Abteilung des Bergischen Geschichtsvereins, hatte auf Anfrage gesagt: „Otto Kaufmann hat sich um die Heimatforschung sicherlich verdient gemacht. Man darf seine NS-Vergangenheit nur nicht hinten runterfallen lassen. Otto Kaufmann war mehr als ein Mitläufer, er war vor 1945 ein überzeugter Nationalsozialist.“

Das ist in aller Kürze die Einschätzung, die der Gemeinderat und Bürgermeister Hilko Redenius teilen. Letzterer verweist auf die Hinweise auf Kaufmanns Vergangenheit, die Michael Kamp, Leiter des LVR-Freilichtmuseums Lindlar, gegeben hatte und auf deren Grundlage die Straßenumbenennung erfolgte. „Otto Kaufmann ist nicht mehr das einwandfreie Vorbild“, sagt Redenius, der zurzeit keinen Anlass sieht, den Ratsbeschluss anzuzweifeln, erinnert aber: „Der Rat hat den Bau- und Betriebsausschuss beauftragt, sich in öffentlicher Sitzung dem Thema ,Benennung von Straßen nach regionalen Persönlichkeiten’ in einer Diskussion zu stellen.“

Eiersingen oder Führerbesuch

Kamp sagt, die Chronik der Hilfsschule Gummersbach verdeutliche Kaufmanns ideologische Übereinstimmung mit dem NS-Regime: „Seine Sprache ist die des ,Dritten Reiches’. Insofern sticht seine Schulchronik von den vielen, die wir im Museum im Zuge der Ausstellungsrecherchen für die Schule aus Hermesdorf eingesehen haben, deutlich hervor.“

Gerhard Pomykaj, langjähriger Stadthistoriker bei der Stadt Gummersbach und Kreisarchivar, hatte schon vor 20 Jahren in Band drei der „Oberbergischen Geschichte“ über Kaufmanns Vergangenheit geschrieben. „Im Kapitel über ,Ausgrenzung, Verfolgung und Widerstand’ stand alles zu lesen, was man über die von Kaufmann in Gummersbach organisierte rassekundliche Ausstellung wissen muss. Das war eigentlich eindeutig“, sagte er neulich im Interview mit dieser Zeitung.

Autor meldet sich zu Wort

Wörtlich heißt es in der besagten Textstelle: „In der Turnhalle der Gummersbacher Oberrealschule fand im selben Jahr eine viel beachtete Ausstellung unter dem Titel „Rasse, Volk, Familie im Oberbergischen“ statt, die die Lehrer Otto Bäcker und Otto Kaufmann federführend organisiert hatten. Sie gab nach eigenem Bekunden ,eine umfassende Schau über die rassen- und lebenskundlichen Grundlagen der nationalsozialistischen Weltanschauung und Politik’.“

Dazu hat sich nun Ulrich Runkel, Autor des Kaufmann-Textes in den „Heimat-Klängen“, zu Wort gemeldet: „Mehr ist dem Aufklärer Pomykaj seinerzeit zu Otto Kaufmann nicht ein- oder aufgefallen. Ein gründlicher Blick in die Entnazifizierungsakte hätte seinen Kenntnisstand erheblich erweitert.“

Kaufmanns Vorschläge

Runkel stößt sich außerdem an einer Aussage von Michael Kamp: Otto Kaufmann habe entgegen seines Berichts zur Entnazifizierung nicht erst 1958, sondern bereits 1939 eine mundartliche Schallplattenaufnahme angefertigt und als Geburtstagsgeschenk an Adolf Hitler geschickt, so Kamp.

Dazu Ulrich Runkel: „Die Wahrheit mit Details ist in dem von Kamp genannten Buch nachzulesen.“ Dort schreibe Kaufmann: „Die Vorbereitungen zur Tonaufnahme einer oberbergischen Mundart wurden schon im Oktober 1936 vom Sprachwisssenschaftlichen Institut der Universität Marburg getroffen.“ Kaufmann, schreibt Runkel, berichtet von einem Auftrag des Instituts, für die Aufnahme drei Themen auszuwählen. Kaufmanns Vorschläge: „Die Tagesarbeit eines oberbergischen Arbeiters“, „Das Eiersingen zu Ostern“ und „Der Führerbesuch in Gummersbach“.

Besuch von Hitler in Gummerbach

Der leitende Professor des Instituts habe sich für den Hitler-Besuch in Gummersbach im Jahr 1932 entschieden. Die Anregungen zu diesem Werk seien von der „Wissenschaftlichen Abteilung des Reichsbundes der Deutschen Beamten“ ausgegangen, so Runkel. Thema: „Lautdenkmal reichsdeutscher Mundarten zur Zeit Adolf Hitlers.“

Die Schallplatte mit insgesamt 300 Tonaufnahmen, so Runkel, „überreichte der Reichsbeamtenführer Hermann Neef 1937 als Geschenk an Adolf Hitler. (. . . ) Zu sehen ist: Otto Kaufmann hatte mit der Schallplattenaufnahme außer den Themenvorschlägen nichts zu tun.“

Stellungnahme des Heimatvereins Nümbrecht

Der Heimatverein Nümbrecht bezieht zum Bericht über Otto Kaufmann in den „Heimat-Klängen“ des Vereins eindeutig Stellung: „Wir bedauern sehr und möchten uns dafür entschuldigen, dass im Vorfeld nicht die offenbar gebotene Recherche und Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit von Otto Kaufmann erfolgte“, heißt es in einer Mitteilung, die sowohl von Elke Holländer-Pracejus (1. Vorsitzende), als auch von Fabian Scheske (2. Vorsitzender) unterzeichnet ist. „In Zukunft werden wir noch sensibler mit den Lebensgeschichten von Menschen umgehen.“

In dem Schreiben wird auch Bezug genommen auf unseren Artikel „Ein Blick in die Akten“, in dem drei Mitglieder des Heimatvereins – Ulrich Runkel, Dieter Hüschemenger und Hans Joachim Söhn – zu Wort kommen, die mit Bezug auf die Entnazifizierungsakte von Otto Kaufmann zu dem Schluss kommen, Kaufmann sei rehabilitiert. In dem Artikel werden die drei Herren einmal als „Vereinsvertreter“ bezeichnet. Dazu der Heimatverein: „Es stimmt, dass die Herren Mitglieder des Heimatvereins sind.

Stellung innerhalb des Vereins

Herr Dieter Hüschemenger bekleidet das Amt des Geschäftsführers im Vorstand. Vertretungsberechtigt nach außen sind jedoch die/der 1. und 2. Vorsitzende. In der Diskussion um Otto Kaufmann vertreten die drei Herren ihre persönliche Meinung, nicht die des Heimatvereins. Die Ihnen vorliegenden Unterlagen sind uns bis heute nicht bekannt gemacht worden.“

Ulrich Runkel war der Autor des Kaufmann-Berichts in den „Heimat-Klängen 2020“ über das Wirken und die Verdienste Otto Kaufmanns als Heimatkundler des Homburger Landes und Bewahrer der Mundart.

Verantwortliche wussten erst später Bescheid

Dazu heißt es in dem Schreiben der beiden Heimatvereins-Vorsitzenden: „Über die Aufgaben, die Otto Kaufmann in der NSDAP ausübte, und über die Tätigkeiten in der Hilfsschule in Gummersbach haben die Verantwortlichen des Vorstands erst nach der Veröffentlichung in den ,Heimat-Klängen’ erfahren. Uns wurden Auszüge aus der Schulchronik, die Otto Kaufmann zwischen 1934 und 1941 geschrieben hatte, übermittelt.

Diese Unterlagen haben uns entsetzt, wir hatten keinerlei Kenntnis darüber, was Otto Kaufmann da niedergeschrieben hatte während der NS-Zeit. Hätten wir davon vor der Veröffentlichung auch nur die leiseste Ahnung gehabt, hätte das zu einer ordentlichen Aufarbeitung und Thematisierung in unserem Bericht geführt. (sül)

Kommentar: Kein Vorbild mehr

Torsten Sülzer über die Debatte um Otto Kaufmanns NS-Vergangenheit.

Torsten Sülzer über die Debatte um Otto Kaufmanns NS-Vergangenheit.

Wer war denn nun Otto Kaufmann? Überzeugter Nazi oder Mitläufer? Oder gar beides etwas? Geschichte ist keine exakte Wissenschaft, bei der es auf eine Frage immer die eine richtige Antwort gibt. Deshalb ist weitere vertiefende Forschung zur NS-Vergangenheit (und auch zu Kaufmann) wichtig, um zu einem möglichst facettenreichen Bild zu kommen. Entsprechende Ergebnisse müssen dann auch schnell veröffentlicht werden.

Die bisher überwiegend zurate gezogenen Quellen hat Otto Kaufmann selbst verfasst, weshalb sie erst mal mit Vorsicht zu genießen sind. Es wäre zu einfach, für bare Münze zu nehmen, was er in seiner Schulchronik und später in seinen Berichten zur Entnazifizierung geschrieben hat. Es liegt auf der Hand, dass er nicht einfach unbefangen losformuliert hat. Wir dürfen davon ausgehen, dass er in beiden Fällen wusste, auf wessen Schreibtisch seine Texte landen würden, weshalb er sich auch einer entsprechenden Sprache bemüßigt haben dürfte.

Rechtfertigung für eine Umbenennung

Rechtfertigt das wirklich die Umbenennung der Otto-Kaufmann-Straße? Das alleine nicht. Aber neben Textstellen, die man – wenn man es gut mit Kaufmann meint – der Kategorie Mitläufer zuschreiben kann, gibt es eben auch Passagen, die weit darüber hinausgehen: So notierte Kaufmann 1936 in der Schulchronik, „alle fünf neuen Schüler“ seien auf seine Anregung hin in Bonn von einem Psychiater „untersucht, geprüft und die erbliche Belastung und Vorgeschichte erkundet“ worden.

Das könnte Sie auch interessieren:

Nicht wegen seiner Parteimitgliedschaft oder polternder NS-Rhetorik, sondern wegen Sätzen wie diesem hat der Gemeinderat beschlossen, dass Kaufmann kein Vorbild mehr sein soll.

KStA abonnieren