Abo

Serie „Made in Oberberg“In Oberklasse-Autos fährt ein Stück Müller mit

Lesezeit 3 Minuten

Drabenderhöhe – Abstandsgewirke – schon mal gehört? Wahrscheinlich nicht. Dabei sitzt der Weltmarktführer für Abstandsgewirke in Drabenderhöhe: die Firma Müller Textil – auch einer der verborgenen Champions im Oberbergischen, von dem die wenigsten bislang gehört haben.

Ein Abstandsgewirke besteht klassischerweise aus zwei Textilschichten und einem sogenannten Abstandsfaden, der die beiden voneinander trennt, auf Abstand hält eben. Wer in Deutschland mit einem höherpreisigen Mercedes, BMW oder Audi unterwegs ist, hat höchstwahrscheinlich auch das „3mesh“-Gewirke von Müller Textil an Bord: im Sitz , in der Tür oder im Armaturenbrett. Bürostühle werden damit gepolstert oder Matratzen überzogen. 3mesh kann in vielen Abständen und Härtegraden hergestellt werden.

Mercedes bei einer Messe aufgefallen

Abstandsgewirke entwickeln – Frank Müller, einer der beiden heutigen Chefs des Traditionshauses, erinnert sich an die Anfänge: „Gedacht waren sie für den Bootsbau als Matratzenunterlage gegen die hohe Feuchtigkeit auf den Schiffen.“ Auf einer Messe fiel das Produkt einem Mercedes-Mitarbeiter auf, der fand: Das wäre etwas für die klimatisierten Sitze des Autoherstellers. Dort verbessert es durch eine bessere Luftzirkulation die Belüftung. Bei Ledersitzen verhilft es zu höherer Stabilität des geschmeidigen Bezuges.

Im Fahrzeuginneren werden Türen und Armaturenbrett mit 3mesh gepolstert. Ein Patent hat Müller für die Sollbruchstellen im Gewirke an den Stellen, unter denen die Airbags verborgen sind. Im Falle einer Kollision kann das dreidimensionale Textil in Bruchteilen von Sekunden Platz für den Airbag machen, ohne dabei die Entfaltung des Luftsacks zu behindern. Die meisten Kunden bekommen das speziell für ihre Produkt benötigte Abstandsgewirke von der Rolle. Für Autositze etwa kann es auch passgenau geliefert werden.

850 Mitarbeiter weltweit

850 Mitarbeiter beschäftigt Müller Textil derzeit weltweit, 90 davon in Drabenderhöhe. In der Firmenzentrale laufen die Fäden zusammen, hier wird an neuen Anwendungen gearbeitet. 1000 verschiedene Entwicklungsartikel sind Beleg für die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten der Müllerschen Produkte. Den größten Teil davon stellen Stefan und Frank Müller inzwischen in ihren Werken in der Slowakei, Mexiko und China her, ein kleiner Teil der Produktion mit 30 Mitarbeitern ist in Drabenderhöhe geblieben.

An der Standortentscheidung ihrer Altvordern haben die Müllers nichts auszusetzen. In vier Minuten ohne Ampel auf der Autobahn, danach in 20 auf der Zoobrücke, das schätzen nicht nur die Mitarbeiter, die in Köln wohnen. Und jetzt wird auch schnelles Glasfasernetz im Industriegelände verlegt. Endlich: „Unser Werk in der Slowakei nahe der Grenze zur Ukraine hat das schon seit neun Jahren.“

Das könnte Sie auch interessieren:

Der Wandel in der Automobilindustrie macht Frank Müller ebenso wenig Sorgen wie drohende Strafzölle. „Unser Metier ist nicht die Antriebstechnik, sondern das Fahrzeuginnere. Und das wird in Zukunft eher noch wertiger.“ Auf mögliche, von den USA oder China verhängte Strafzölle könne man mit Produktionssteigerungen vor Ort reagieren: „Wir sind gut aufgestellt, aber man muss dranbleiben.“ Der Fachkräftemangel könne da eher zum Problem werden. Der bremse die Entwicklung schon heute: „Aber das ist ein weltweites Phänomen.“

KStA abonnieren