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TihangeOrdnungsämter lagern Jodtabletten gegen Folgen eines Atomunglücks

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Arzneimittel für den Ernstfall: Simone Jaeger, Sachbearbeiterin für Brand und Katastrophenschutz im Kotthausener Notfallzentum des Oberbergischen Kreises, mit den Jodtabletten.

Arzneimittel für den Ernstfall: Simone Jaeger, Sachbearbeiterin für Brand und Katastrophenschutz im Kotthausener Notfallzentum des Oberbergischen Kreises, mit den Jodtabletten.

Oberberg – Für die Zeit zwischen den Jahren 2022 bis 2025 hat Belgien jüngst den Ausstieg aus der Atomenergie angekündigt. Experten aber fordern die sofortige Abschaltung des maroden Meilers Tihange. Und obwohl viele Kilometer zwischen dem belgischen Atomkraftwerk (AKW) und dem Oberbergischen Kreis liegen, wappnet sich auch hier die Verwaltung trotzdem gegen die Folgen eines atomaren Unfalls, etwa das Aufziehen einer radioaktiven Wolke. So wurden jetzt Jodtabletten in die Rathäuser geliefert, die bei einem Zwischenfall an jeden Oberberger, der jünger als 18 Jahre ist, und an Schwangere ausgegeben werden.

Proteste gegen Tihange

Ein Störfall in Belgien könnte auch den Oberbergischen Kreis treffen. Denkbar ist, dass eine Atomwolke aufsteigt und dann auch über das Kreisgebiet zieht. Daher hatte sich Nümbrechts Bürgermeister Hilko Redenius rund 80 Amtskollegen und Landräten angeschlossen, die sich im Juni 2016 an die EU wandten. Sie wollten erfahren, wie gefährlich Tihange, das Atomkraftwerk in der Nähe der Stadt Huy, wirklich ist. An folgenden Protestaktionen, zum Beispiel einer kilometerlangen Menschenkette im Nachbarland, beteiligten sich damals auch viele Oberberger.

Zudem weist das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit daraufhin, dass Bürger auch einen eigenen Vorrat an Jodtabletten anlegen können – weitere Informationen dazu finden sich im Internet. (höh)

www.jodblockade.de

„Man darf nicht vergessen, dass der Oberbergische Kreis in einer vom Bundesamt für Strahlenschutz ausgewiesenen Fernzone liegt, was eine mögliche Gefährdung angeht“, warnt allerdings Kreissprecher Philipp Ising vor einer Panik ob der aktuellen Diskussion um die Sicherheit der Reaktoren von Tihange und Doel. Die Ausweisung solcher Zonen durch die Behörde sei maßgeblich für die Zuweisung der hoch dosierten Kaliumiodid-Tabletten. Diese sättigen die Schilddrüse mit nicht-radioaktivem Jod und sollen verhindern, dass sich dort radioaktives Jod ansammelt. Eingenommen werden sollten sie in einem Zeitraum von zehn Stunden nach einem Störfall, das Signal dazu kommt von der Rettungsleitstelle des Kreises.

Etwa 165 Kilometer liegen beispielsweise zwischen Nümbrechts Rathaus und dem AKW Tihange, zwischen Engelskirchens Verwaltung sind es keine 160 Kilometer. Zwischen 220 und 240 Kilometer liegen zwischen dem AKW Doel im belgischen Beveren und Nümbrecht sowie Engelskirchen. Nach Auskunft von Jan Lauer, Sprecher des Bundesamts für Strahlenschutz in Salzgitter, hat die zentrale Gefährdungszone bei einem Unfall in einem Radius von maximal fünf Kilometern rund um den Reaktor. „Die mittlere Gefährdungszone hat einen Umkreis bis 20 Kilometer, die äußere Zone bis 100 Kilometer“, erklärt Lauer. Jeder Ort, der jenseits dieser 100-Kilometer-Marke liege, sei nicht mehr unmittelbar betroffen und gehöre zu einer Fernzone. Im Jahr 2004, so der Sprecher, habe die Bundesregierung erste Zentrallager für die Tabletten eingerichtet, die dann aber durch das jeweils zuständige Landesministerium an die Städte und Kreise weitergereicht würden.

Während die Verwaltung des benachbarten Rhein-Sieg-Kreises entschieden hat, dass auch Apotheken die Jodtabletten ausgeben dürfen, ist die Ausgabe in Oberberg allein den kommunalen Ordnungsämtern vorbehalten.

Dieses Vorgehen sei mit den Rathäusern abgestimmt worden, betont Ising. „Wir wollten auf bewährte Strukturen zurückgreifen: Jede Verwaltung hat einen Notdienst, der in engem Kontakt mit dem Kreis steht“, schildert er mit Blick auf die Alarmierungskette bei einem Katastrophenfall. Es gebe also ein belastbares Netzwerk.

Wie groß der Vorrat an Jodtabletten ist, dazu macht er keine Angaben. Doch die Menge sei mehr als ausreichend. Es heißt, die Gemeinde Nümbrecht habe rund 9000 Tabletten erhalten, die jüngst eingelagert wurden. Die Haltbarkeit der Arzneimittel, so Ising, werde regelmäßig von Fachpersonal kontrolliert. Und sollten sie nach einem Atomunfall tatsächlich verteilt werden müssen, werde medizinisch geschultes Personal die Ausgabe begleiten. Das sei Vorschrift.

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